4. Die blo­ße Repro­duk­ti­on wider­spricht dem situa­ti­ven Prin­zip der Rhe­to­rik, nach dem sich auch die Aus­wahl und Neu­ent­wick­lung von Begrün­dun­gen zu rich­ten hat: nicht jedes Argu­ment ver­fängt zu jeder Zeit vor jedem Publi­kum unter allen äuße­ren und inne­ren Bedin­gun­gen. Das gilt für die all­ge­mei­nen Ver­sinn­li­chun­gen von Pro­duk­tio­nen, unter wel­che das jeweils zu bear­bei­ten­de Pro­dukt zu sub­su­mie­ren wäre, gleich­falls: die Sub­sump­ti­on hat sich an den aktu­el­len Bedürf­nis­sen zu ori­en­tie­ren, wel­che nach Varia­ti­on verlangen.

Es gilt, anders gefasst, neue Spiel­re­geln im Umgang des Adres­sa­ten mit dem Gegen­stand, dem Pro­dukt zu eta­blie­ren. Aris­to­te­les hat sie in der »Rhe­to­rik«, natür­lich bezo­gen auf Rede­ge­gen­stand und Rede, bedacht. »Die Men­schen erle­ben ja hin­sicht­lich des sprach­li­chen Aus­drucks das­sel­be wie im Umgang mit Freun­den und Mit­bür­gern. Daher ist es nötig, der Spra­che einen frem­den Ton zu geben.«[3] Das geschieht in der Rede nun vor­nehm­lich durch Bild­lich­keit, die »Abwechs­lung ins Gewohn­te [bringt] und den Aus­druck [ver­frem­det]«. Der stän­di­ge Gebrauch, die dau­ern­de Wie­der­ho­lung, die ste­reo­ty­pe Refe­renz auf das All­ge­mei­ne in dem Beson­de­ren ist einer­seits Vor­aus­set­zung für die Plau­si­bi­li­tät, ver­rin­gert sie aber ande­rer­seits oder hebt sie sogar auf. Da die Ver­falls­zeit der Leit­for­men in der visu­el­len Bered­sam­keit immer kür­zer wird (vul­gus: die Moden immer schnel­ler wech­seln), sieht sich der Desi­gner nicht anders als der aris­to­te­li­sche Red­ner auf die Ver­fah­ren ver­wie­sen, die die Rhe­to­rik als Ände­rungs­ka­te­go­rien begriff­lich gefasst hat: Sie betref­fen den Schmuck, die Gefäl­lig­keit und Schön­heit, aber auch Tast­reiz und Geschmack. Fas­sen wir sie alle unter dem über­lie­fer­ten Begriff des Orna­tus zusam­men, so muss sogleich einem Vor­ur­teil begeg­net wer­den: er, der Orna­tus, ist ent­ge­gen der popu­lä­ren (und durch die Bau­haus-Ästhe­tik hof­fä­hig gewor­de­nen) Ansicht kei­ne bloß äußer­li­che Zutat, wenn er aus den erprob­ten Bestand­tei­len des Pro­dukts und mit Refe­renz auf sei­ne aner­kann­te Funk­ti­on, sei­nen übli­chen Gebrauch, ent­wi­ckelt wur­de, also der Objekt­spra­che nicht widerspricht.

Die Schmuck­form wird dann den sozia­len Kon­text, die Bezugs­grup­pen und Cha­rak­ter­ste­reo­ty­pen berück­sich­ti­gen, aber auch Nor­men und Regeln, die das Pro­dukt erfül­len muss (Umwelt­stan­dards zum Bei­spiel), Bedeu­tungs­zu­schrei­bun­gen und Inter­pre­ta­tio­nen (das Auto als Aus­druck des Lebens­ge­fühls und Indi­ka­tor eines sozia­len Ran­ges), Tra­di­tio­nen und Wer­te. Das sind neben der Objekt­spra­che die wich­tigs­ten Para­me­ter für den Bezugs­rah­men des Orna­tus; sie ver­kün­den, dass die von den Ände­rungs­ka­te­go­rien anvi­sier­ten rhe­to­ri­schen Ope­ra­tio­nen zur Über­wu­che­rung und letzt­lich zur Ver­un­klä­rung der Funk­ti­on füh­ren, die die Kern­bot­schaft bleibt. Das Wesen des Gegen­stands ergibt sich als sei­ne Funk­tio­na­le: »Eine Geburts­zan­ge muss glatt sein, eine Zucker­zan­ge mit­nich­ten«[4], poin­tier­te Ernst Bloch die Regel einer Form­pro­duk­ti­on, die nicht auf die Fül­le emo­tio­nal-sinn­li­cher Wir­kungs­mög­lich­kei­ten ver­zich­ten will.

5. Es lohnt sich, unter dem Gesichts­punkt der Form­pro­duk­ti­on die vier klas­si­schen Ände­rungs­ka­te­go­rien auch für die Design­theo­rie frucht­bar zu machen, gibt doch die Funk­ti­on des Gegen­stan­des die Ebe­ne an, von der alle figu­ra­len Pro­zes­se aus­ge­hen und die sie über­schrei­ten. Das kann zunächst auf erwei­tern­de Wei­se gesche­hen. Kon­sti­tu­ti­ve Ele­men­te erschei­nen farb­lich oder figu­ral her­vor­ge­ho­ben, wie­der­ho­len sich in rhyth­mi­schen Fol­gen: die Bei­ne eines Ses­sels erwei­tern sich zu glän­zen­den Kufen; der Eben­holz­griff einer Tee­scha­le wird ver­dop­pelt, sodass man sie mit bei­den Hän­den zum Mun­de füh­ren kann; die Schau­kel­bret­ter einer Wie­ge wer­den zu gro­ßen Rei­fen ergänzt und an Kopf und Fußen­de montiert.