3 Eine Wis­sen­schaft für das Design

Wäh­rend die ers­ten sechs Kapi­tel des Buches die seman­ti­sche Wen­de als eine zukunfts­wei­sen­de Skiz­ze für einen leben­di­gen, refle­xi­ven und ver­ant­wor­tungs­ori­en­tier­ten Design­dis­kurs ent­wer­fen, in dem es vor allem auch um die Neu­po­si­tio­nie­rung von Desi­gnern als Exper­ten für die Bedeu­tung von Arte­fak­ten geht und zwar vor dem Hin­ter­grund einer Bereit­stel­lung des dafür not­wen­di­gen neu­ar­ti­gen Voka­bu­lars, stellt das sieb­te Kapi­tel die Wis­sen­schaft für das Design selbst ins Zen­trum der Auf­merk­sam­keit. Dabei kon­kre­ti­siert und kom­pri­miert der Autor noch­mals sei­nen Ent­wurf des »human-cen­te­red design« im Hin­blick auf ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­de, unter­schied­li­che metho­di­sche Ansät­ze, Stra­te­gien und Gestal­ten von Artefakten.

Ent­wür­fe von Wis­sen­schaf­ten tre­ten häu­fig mit dem Anspruch des Nor­ma­ti­ven und einer gewis­sen (End-)Gültigkeit ins Bewusst­sein der Men­schen ein; Krip­pen­dorffs Defi­ni­tio­nen von Metho­den, For­schung und dem Dis­kurs einer Wis­sen­schaft für das Design jedoch schei­nen sich in gewis­ser Hin­sicht die­sem Dik­tum zu ent­zie­hen. Krip­pen­dorffs Wis­sen­schaft näm­lich ver­steht sich expli­zit nicht als eine Wis­sen­schaft vom Design oder als eine Design­wis­sen­schaft, bei der ent­we­der ver­sucht wird gül­ti­ge Erkennt­nis­se über das Design aus der Per­spek­ti­ve Design-unab­hän­gi­ger aka­de­mi­scher Dis­zi­pli­nen zu zie­hen oder das Design selbst zu ver­wis­sen­schaft­li­chen. Sein Anspruch zielt viel­mehr dar­auf, dass Design­pro­zes­se kom­mu­ni­zier­bar wer­den, so dass Desi­gner effi­zi­en­ter mit­ein­an­der arbei­ten kön­nen, unab­hän­gig von­ein­an­der beruf­li­che Erfol­ge und Miss­erfol­ge unter­sucht wer­den kön­nen, Stu­den­ten in den Design­be­ruf ein­ge­führt wer­den und Arbei­ten »Stake­hol­dern« gegen­über erklär­bar und recht­fer­tig­bar wer­den (vgl. 264). Es geht also viel­mehr um Doku­men­ta­tio­nen, das Ler­nen aus Feh­lern, das Kodi­fi­zie­ren von Bewähr­tem und vor allem um über­zeu­gen­de Argu­men­ta­ti­ons­wei­sen mit dem über­grei­fen­den Ziel, den Design­dis­kurs als leben­di­ges kul­tur­schaf­fen­des Moment lau­fend zu erwei­tern und Mög­lich­kei­ten der Gestal­tung unse­rer Welt zu generieren.

Die seman­ti­sche Wen­de ist, das möch­te ich abschlie­ßend anfü­gen, in jedem Fall ein emp­feh­lens­wer­tes Buch, in ers­ter Linie für alle, die sich mit Gestal­tung aus­ein­an­der­set­zen, aber auch für Phi­lo­so­phen oder ande­re Geis­tes­wis­sen­schaft­ler, die sich um die sozio­kul­tu­rel­len Trans­for­ma­tio­nen nach dem lin­gu­i­stic turn bemü­hen. Man muss in der Tat schon eini­ge Zeit ein­pla­nen, und es fällt zum Teil nicht leicht, sich durch die 400 Sei­ten zahl­rei­cher und zeit­wei­se schon mal sprö­de aus­ge­dehn­ter Anein­an­der­rei­hun­gen metho­di­scher Ansät­ze und Erläu­te­run­gen zu arbei­ten. Den­noch, es lohnt sich! Und es ist, wie ich bereits ange­merkt hat­te, ob der vie­len Schau­bil­der und bei­spiel­haf­ten Erklä­run­gen letzt­end­lich auch gar nicht so beschwer­lich. Aus mei­ner phi­lo­so­phi­schen Sicht jeden­falls favo­ri­sie­re und emp­feh­le ich das Buch beson­ders wegen sei­nes Enga­ge­ments, uns für die Rele­vanz einer ver­än­der­ten ästhe­ti­schen Wert­schät­zung zu sen­si­bi­li­sie­ren, die sich jen­seits des fest­ver­an­ker­ten Form­dog­mas mani­fes­tiert und durch die Beto­nung der Seman­tik von Arte­fak­ten end­lich den Blick frei­macht auf Räu­me für poten­ti­el­le For­men unse­rer aller Zukunft.