Essay

Du musst überzeugend sein

Über »Perspective«, Haltung und Charakter des Gestalters

Von Vilim Vasata


»Spra­che für die Form« hat Vilim Vasa­ta eine Lis­te mit Fra­gen vor­ge­legt, auf die er mit einem Essay ant­wor­tet, in sei­nem Sprach­duk­tus, der das Gestal­ter-Alter-ego direkt anspricht. In der Fol­ge, kur­siv gesetzt, zuerst die Fra­gen, dann, im regu­lä­ren Schnitt, Vilim Vasa­tas Reak­ti­on darauf.

• Herr Vasa­ta, mehr als ein hal­bes Jahr­hun­dert wir­ken Sie in Deutsch­land und inter­na­tio­nal als Gestal­ter und gaben zudem als Pro­fes­sor für Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign Ihr Wis­sen wei­ter. Las­sen wir den tech­ni­schen Fort­schritt ein­mal außer Acht: Was sehen Sie als die wesent­li­che Ver­än­de­rung in der Gestal­tung über die­se Zeit hin­weg an?
• Hat sich die Rol­le des Gestal­ters gewandelt?
• Wel­che gesell­schaft­li­che Rol­le spielt Gestaltung?
• Wie soll­ten die Hoch­schu­len ange­hen­de Gestal­ter auf die­se Rol­le vorbereiten?
• Wis­sen­schaft­li­che Metho­den wer­den zuneh­mend in der Arbeits­welt und der Wirt­schaft ein­ge­setzt. Hat das Aus­wir­kun­gen auf die Arbeit der Desi­gner? Bekom­men Design­for­schung, Design­wis­sen­schaft, Design­theo­rie einen grö­ße­ren Stel­len­wert für Den­ken, Metho­den und Pra­xis des Gestalters?
• Bin­nen der letz­ten ein, zwei Jahr­zehn­te hat die Hirn­for­schung sich zu eine Leit­wis­sen­schaft eta­bliert. Gehen sol­che Ent­wick­lun­gen den Gestal­ter etwas an?
• Gestal­ter arbei­ten stark mit Asso­zia­tio­nen, sie spie­len im Krea­ti­ons­pro­zess, zur Ideen­ge­win­nung und bei der Form­ge­bung eine wich­ti­ge Rol­le. Was muss hinzukommen?
• »Das Design der Kom­mu­ni­ka­ti­on ist das Bild eines Dia­logs. Es ist die Archi­tek­tur des Dia­logs, den wir alle mit­ein­an­der füh­ren.« Das sag­ten Sie in einem Vor­trag und führ­ten aus, das Design der Kom­mu­ni­ka­ti­on habe »die Auf­ga­be, in den Pro­zes­sen unse­rer Ver­stän­di­gung die Form, den Stil und den Anstand zu bestim­men«. Die Rhe­to­rik galt seit der Anti­ke als eine der wich­tigs­ten Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen, in der Form und Stil sehr wohl eine ethi­sche Dimen­si­on besa­ßen. Muss der­je­ni­ge nicht über eine beson­de­re Bil­dung ver­fü­gen, der Kom­mu­ni­ka­ti­on gestal­ten will?
• Design sei nichts als Spra­che, zitier­ten Sie Keith Haring in Ihrer Auto­bio­gra­phie. Zur Spra­che zäh­len in die­ser Auf­fas­sung also nicht allein die Ver­bal­spra­che, son­dern auch Zei­chen und Bil­der. Lässt sich das eine, die Wör­ter, vom ande­ren, die Bil­der, tren­nen? Oder muss der Gestal­ter mit bei­dem arbeiten?
• »Die Spra­che ist Rhe­to­rik«, sag­te Nietz­sche. Was bedeu­te­te das für den Gestalter?
• Neben Fach­kennt­nis­sen und gestal­te­ri­schem Poten­ti­al: Was soll­te ein jun­ger Mensch, der Design stu­diert, für den Beruf als Gestal­ter mitbringen?
• In Ihrer lan­gen und erfolg­rei­chen Lauf­bahn haben Sie sich vie­ler­lei gestal­te­ri­scher Haus­for­de­run­gen ange­nom­men und sind mit vie­len Aus­zeich­nun­gen und Prei­sen aus­ge­zeich­net wor­den. Wel­cher Auf­trag war Ihnen der liebs­te, wel­che Aus­zeich­nung bedeu­tet Ihnen am meisten?
• Wel­chen Auf­trag bekä­men Sie ger­ne noch?

Wenn sich dir also die­se Fra­ge der Fra­gen stellt, was sich nach Jahr­zehn­ten der schweiß­trei­ben­den Arbeit des Kum­pels im Schacht, im Wesent­li­chen, also wohl über­deut­lich, ver­än­dert hat, so ent­steht in mir als Ers­tes ein Gefühl von Verlust.

Ver­lust von Bedeu­tung, Ver­lust wohl auch des Glau­bens an die im Ein­fachs­ten gro­ße Idee. Ich beant­wor­te die Fra­ge: Ich sehe heut­zu­ta­ge kaum ande­res als die Klein­tei­lig­keit. Das Ras­ter­den­ken der Markt-Manage­ments gegen gro­ßen Instinkt. Was sehe ich? Charts gegen Stift. Paul Klee: “A line is a dot which went for a walk.” Ein­mal am Ziel, da war’s gezeich­ne­te Poesie.

Ich sehe nun die­sen Ver­lust aller Übersicht.