Die Ago­ra ist im alten Grie­chen­land der Ort des Wett­strei­tes, des agon. Die Ago­ra dient als Modell für den öffent­li­chen Raum im Sin­ne einer Büh­ne, in der um Aner­ken­nung für den eige­nen Stand­punkt gekämpft wird, in dem man als Ora­tor her­vor­tritt. Heu­te ist dies nicht mehr per se auf den poli­ti­schen Raum begrenzt, son­dern betrifft alle öffent­lich­keits­wirk­sa­men Ebe­nen, kann daher auch in Semi­öf­fent­lich­kei­ten wie der Arbeits­welt und im soge­nann­ten Frei­zeit­be­reich gefun­den wer­den. Und der Ora­tor muss längst nicht mehr sicht­bar her­vor­tre­ten, er schafft sei­ne Prä­senz durch die Art, wie er mit sei­nen Zie­len in sei­nen Tex­ten auf­tritt. Der Begriff »Wett­streit« ver­weist auf ein rhe­to­ri­sches Set­ting, wie es die anti­ke Ago­ra vor­sah. In der grie­chi­schen Polis hat­te jeder Bür­ger das Recht, das Wort zu ergrei­fen und damit in den Gestal­tungs­pro­zess der Polis ein­zu­grei­fen. Um das idea­li­sier­te Bild zugleich zurück­zu­neh­men, »jeder Bür­ger« impli­ziert Ein­schrän­kun­gen: kei­ne Frau­en, kei­ne Skla­ven, kei­ne Bar­ba­ren. Der Blick auf die grie­chi­sche Polis lehrt auch immer zu beach­ten, wer von vorn­her­ein aus einem Wett­streit aus­ge­schlos­sen wird.

Aber auch wenn gera­de die Mög­lich­keit des Wett­strei­tes erst die Vor­aus­set­zung schafft, mit den eig­nen rhe­to­ri­schen Fähig­kei­ten als Ora­tor her­vor­zu­tre­ten, ist es illu­so­risch zu glau­ben, eine sol­che Mög­lich­keit hin­ge allei­ne von den rhe­to­ri­schen Kom­pe­ten­zen ab. Rhe­to­rik ist eine Tech­nik für die­je­ni­gen, die etwas zu sagen haben. Wer sei­ne Zie­le und Inhal­te nicht kennt, soll­te lie­ber schwei­gen. Dies gilt für die anti­ke wie die heu­ti­gen viel­fäl­ti­gen For­men der Ago­ra ex aequo. Für tech­ni­schen Redak­teur kön­nen rhe­to­ri­sche Fähig­kei­ten eine Erleich­te­rung zur Bewäl­ti­gung der Auf­ga­ben sein, sie ent­bin­den nicht von der Not­wen­dig­keit tech­ni­schen Kom­pe­ten­zen. Immer auch bleibt die Wir­kungs­kraft in ent­schei­den­den Maßen von der sozia­len Rol­le und den mate­ri­el­len Res­sour­cen bestimmt. Inso­fern schwingt im Begriff der Ago­ra immer die Illu­si­on eines fai­ren, sport­li­chen Wett­kamp­fes mit, in dem die bes­ten Argu­men­te gewin­nen, weil, so Sey­la Ben­ha­bib die Ago­ra erscheint als »ein Raum, in dem Wett­streit herrscht, in dem jeder um Aner­ken­nung, um den ers­ten Platz inter pares kämpft; der Raum letzt­lich, in dem man eine dau­er­haf­te Bestä­ti­gung gegen die Flüch­tig­keit und Ver­gäng­lich­keit alles Mensch­li­chen zu fin­den hofft«[5]. Aber auch wenn die­se Illu­si­on trügt und man dies wis­sen muss, bleibt selbst eine Gebrauchs­an­lei­tung ein Text, der im Wett­streit steht und durch den ein Ora­tor sowohl durch sach­li­che Argu­men­te über­zeugt als auch durch die Ein­drucks­macht des Sinn­li­chen; denn wie uns schon Imma­nu­el Kant deut­lich mach­te: Begrif­fe, denen wir Rea­li­tät geben wol­len, kom­men ohne Anschau­ung nicht aus.

Mit Wett­streit mei­ne ich aber auf jeden Fall den Wett­streit im all­täg­li­chen Geschäft nicht den um die Aus­zeich­nung, die z. B. die »Socie­ty for tech­ni­cal com­mu­ni­ca­ti­on« ver­gibt, damit zwar das Berufs­feld bekann­ter macht und Qua­li­täts­be­wusst­sein för­dert, immer aber den Aus­nah­me­text prä­miert. Eher also wäre es der Wett­be­werb der »tekom«, die ähn­lich der Stif­tung Waren­test gene­rell die Qua­li­tät durch Beto­nung des Wett­be­werbs stei­gern will.

Wenn ein tech­ni­scher Redak­teur also bereit ist, sei­ne Anlei­tung als Text im Wett­streit um den Rezi­pi­en­ten zu ver­ste­hen, dann soll­te ihm ein Satz von Aris­to­te­les immer im Ohr sein. Der schrieb in sei­nem Lehr­buch Rhe­to­rik: Drei­er­lei bedarf es, eines Red­ners, einer Rede und des Hörers, der aber ist der Wich­tigs­te. Vom Hörer, also vom Rezi­pi­en­ten aus gese­hen, muss jede rhe­to­ri­sche Tätig­keit sich ver­ste­hen. Inso­fern soll­te auch eine Bedie­nungs­an­lei­tung als kom­mu­ni­ka­ti­ver Akt ver­stan­den wer­den, dem die­je­ni­gen am bes­ten gerecht wer­den, die es ver­ste­hen, die Bedürf­nis­se der Lesen­den zu antizipieren.

Dar­aus erge­ben sich die Auf­ga­ben, rhe­to­risch gespro­chen die Pro­duk­ti­ons­sta­di­en des Textes.

Die­se Pro­duk­ti­on setzt die genaue Kennt­nis des Pro­duk­tes vor­aus, tech­ni­sche Redak­teu­re müs­sen also selbst sehr genau wis­sen, wie das von ihnen beschrie­be­ne Pro­dukt zu gebrau­chen oder zu bedie­nen ist. Und in Hin­blick dar­auf, dass auch sie wol­len, dass sowohl Pro­dukt als auch Doku­men­ta­ti­on benut­zungs­freund­lich sind, müs­sen sie wis­sen, was die­se dazu macht. In der Norm für »Usa­bi­li­ty« klärt sich dies an drei Eck­punk­ten[6]:
1. Effek­ti­vi­tät: die Genau­ig­keit und Voll­stän­dig­keit, mit wel­cher Benut­zer ein bestimm­tes Ziel erreichen
2. Effi­zi­enz: der im Ver­hält­nis zur Genau­ig­keit und Voll­stän­dig­keit ein­ge­setz­te Auf­wand, mit dem Benut­zer ein bestimm­tes Ziel erreichen
3. Zufrie­den­heit: Frei­heit von Beein­träch­ti­gun­gen und posi­ti­ve Ein­stel­lun­gen gegen­über der Benut­zung des Produkts

Dies gilt für Pro­dukt und Anlei­tung im glei­chen Maßen, denn sie bil­den – so Hei­di Krön­ker – eine Ein­heit, wes­halb die Ver­fas­ser der Doku­men­ta­ti­on ein­ge­bun­den sein soll­ten in der Erpro­bung der »Usa­bi­li­ty« schon des Produktes.