Symposion »Affekte und ihre Wirkung« | Vortrag

Wirkungsforschung und Rhetorik

Das Kleine mit dem Großen in Beziehung setzen

Von Volker Friedrich


Im Rah­men des Sym­po­si­ons »Affek­te und ihre Wir­kung«, das an der Fach­hoch­schu­le Kiel am 1. Mai 2015 ver­an­stal­tet wur­de, trug Vol­ker Fried­rich das unten­ste­hen­de Manu­skript vor.

Hoch­ver­ehr­te Damen, wer­te Herren,

was ist davon zu hal­ten, wenn einer über Wir­kungs­for­schung in ­einer Run­de redet, in der sich meh­re­re, hoch­an­ge­se­he­ne Kol­le­gen bereits mit stren­ger Kri­tik an der Wir­kungs­for­schung her­vor­ge­tan haben? So man­chen von Ihnen dürf­te der Abschnitt im »Grund­riss der Rhe­to­rik« erin­ner­lich sein, in der über Wir­kungs­for­schung ­geschrie­ben wird. In dem Werk von Bernd Stein­brink und Gert ­Ueding wird Klaus Mer­ten zitiert: Es müs­se über­ra­schen, »daß nach fünf­zig Jah­ren Wir­kungs­for­schung die Sub­stanz gesi­cher­ter Erkennt­nis­se eher einer Kon­kurs­mas­se denn einem pro­spe­rie­ren­den wis­sen­schaft­li­chen Fun­dus gleicht«[1].

Unse­re Autoren nen­nen die­je­ni­gen Dis­zi­pli­nen, die Wor­te und ­Zei­chen auf ihre Wir­kun­gen hin erfor­schen: Kommunikations­forschung, Medi­en­wis­sen­schaft, Wir­kungs- und Motiv­for­schung, ­Publi­zis­tik-Wis­sen­schaft[2] – all die­se und ande­re der­ar­ti­ge ­Dis­zi­pli­nen sind, so möch­te ich sagen, ent­lau­fe­ne Kin­der der ­Rhe­to­rik. Gert Ueding und Bernd Stein­brink stel­len fest: ­»theo­re­ti­sche Dif­fe­ren­ziert­heit, Pro­blem­be­wußt­sein, metho­di­scher und tech­ni­scher Rang der anti­ken Rhe­to­rik über­tref­fen den ­Stan­dard der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft bei wei­tem, und allein im Bereich der empi­ri­schen Wir­kungs­for­schung (Laboratoriums­­experimente, Stu­dio- und Heim­tests, Inter­views oder Reprä­sen­ta­tiv­um­fra­gen usw.) ist es zu einer Aus­wei­tung und Dif­fe­ren­zie­rung der Metho­den gekom­men, die von der rhe­to­ri­schen Tra­di­ti­on weg­füh­ren – mit wel­chem Ergeb­nis, belegt aber das Anfangs­zi­tat.«[3] Das ist doch eine schön saf­ti­ge Abfuhr für die Wirkungsforschung.

Vor die­sem Hin­ter­grund, ver­ehr­te Damen, wer­te Her­ren, ver­set­zen Sie sich bit­te in mei­ne Lage: Ich möch­te Ihnen einen Ansatz in der Wir­kungs­for­schung vor­stel­len … Was ist davon zu hal­ten, wenn ­jemand in solch einer Run­de über »Wir­kungs­for­schung und ­Rhe­to­rik« spricht und von vorn­her­ein bekennt, dass er trotz die­ser Kri­tik ver­su­chen möch­te, die bei­den Begrif­fe zu ver­knüp­fen und das mit Blick auf Affek­te? Sehen Sie mir bit­te den dras­ti­schen Ver­gleich nach: Hat das nicht etwas vom Gang ins Domi­na-Stu­dio? Nicht das ich mich damit aus­kenn­te, aber –

Was ist das eigent­lich für ein selt­sa­mer Ein­stieg in einen Vor­trag? Ent­spricht das der klas­si­schen Emp­feh­lung, sich zu Beginn um das Wohl­wol­len des Publi­kums zu bemü­hen, ihm zu schmei­cheln mit wohl­ge­setz­ten Wor­ten, es zu erhei­tern mit fei­nem Humor? Wenn das beab­sich­tigt war, kom­men dann Wir­kungs­ab­sicht und Wir­kung zur Deckung? Huch, schon sind wir mittemang.

Das Unbe­ha­gen an der Wirkungsforschung

Aber holen wir etwas wei­ter aus. Schau­en wir uns das Unbe­ha­gen an der Wir­kungs­for­schung etwas genau­er an, die­ses Unbe­ha­gen, das nicht allein von Gert Ueding und Bernd Stein­brink geäu­ßert wur­de, son­dern an ande­ren Stel­len auch zu fin­den ist, auf die ich jetzt nicht ein­ge­hen wer­de. Woher rührt also die­ses Unbehagen?