Buchbesprechung

»… in den Gewändern der offenen Gesellschaft«

Daniel Hornuff über das Design der Neuen Rechten

Eine Rezension von Anna Riepl-Bauer


»Mar­tin Sel­ler hört Hip-Hop und hasst den Islam. Er pos­tet Sel­fies bei Insta­gram und will Aus­län­der raus­wer­fen. Er war mal Neo­na­zi, jetzt hat er ein neu­es Pro­jekt: Rechts­ra­di­ka­lis­mus hip machen«.[1]

Der selbst­er­nann­te intel­lek­tu­el­le Kopf der »Iden­ti­tä­ren Bewe­gung« macht kei­nen Hehl um sei­ne Absich­ten. Der Auf­schwung neu­rech­ter Initia­ti­ven scheint euro­pa­weit offe­ne Gesell­schaf­ten anzu­grei­fen. Aber was ist das Neue an den Neu­en Rechten?

Nicht die Ideo­lo­gie sei es, son­dern deren Design und Erschei­nung in der Öffent­lich­keit, so Dani­el Hor­nuff. Der Kul­tur­wis­sen­schaft­ler und Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor an der Kunst­hoch­schu­le in Kas­sel unter­sucht die Design­stra­te­gien neu­rech­ter Bewe­gun­gen. Ihre Metho­den wer­den in sei­nem Buch »Die Neue Rech­te und ihr Design. Vom ästhe­ti­schen Angriff auf die offe­ne Gesell­schaft« ana­ly­siert und entschlüsselt.

Ein prä­zi­ses Stu­di­um der ästhe­ti­schen Prak­ti­ken sei, so Hor­nuff, dem­nach unum­gäng­lich und nicht zu ver­nach­läs­si­gen, wenn man den Erfolg neu­rech­ter Orga­ni­sa­tio­nen bes­ser ein­ord­nen und ver­ste­hen wol­le. Para­do­xer­wei­se wer­de gera­de durch die Anglei­chung an ästhe­ti­sche Prak­ti­ken plu­ra­lis­ti­scher Gesell­schaf­ten Ras­sis­mus gesell­schafts­fä­hig gemacht. »Die Fein­de der offe­nen Gesell­schaft erschei­nen in den Gewän­dern der offe­nen Gesell­schaft.« Snea­k­er statt Sprin­ger­stie­fel, völ­ki­sche Paro­len in moder­nem Look: So erreich­ten die Neu­en Rech­ten eine brei­te Mas­se in Maga­zi­nen, Chats, Social Media und Online Vide­os, wo sie um Unter­stüt­zung wer­ben. Ihre Ver­tre­ter prä­sen­tier­ten sich hier zunächst als Gewalt-ableh­nen­de Intel­lek­tu­el­le oder auch harm­lo­se Hips­ter von neben­an. Dabei sind sie das kei­nes­falls, denn die geschick­te Ver­brei­tung von rech­ten Ver­schwö­rungs­theo­rien, wie z. B. das Nar­ra­tiv des »gro­ßen Aus­tau­sches« legi­ti­mier­ten erst Gewalt und rechts­extre­mis­tisch moti­vier­te Terroranschläge.

Um einen objek­ti­ven Ton bemüht, wer­den in Hor­nuffs Buch aus­ge­wähl­te ästhe­ti­sche Phä­no­me­ne in zehn gut struk­tu­rier­ten The­men­ka­pi­teln unter­sucht. Durch visu­el­le Fall­bei­spie­le wird dem Leser die Wir­kungs­wei­se und Metho­dik neu­rech­ter Design­stra­te­gien ver­ständ­lich erklärt und zugäng­lich gemacht. Deren Erfolg kann das Buch viel­leicht nicht min­dern – nach einer Hand­lungs­an­wei­sung für Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­si­gner oder kon­kre­ten Gegen­maß­nah­men sucht man in die­ser Lek­tü­re ver­geb­lich. Viel­mehr wer­den Gestal­ter dazu ange­regt »Design­kom­pe­tenz aus­zu­bil­den und zu ler­nen«, um die poli­ti­sche Design­stra­te­gie der Neu­en Rech­ten kri­tisch und selbst­re­flek­tiert bewer­ten zu kön­nen. In der Nei­gung zur Selbst­über­hö­hung doch »auf der rich­ti­gen Sei­te zu ste­hen«, lau­fe man sonst Gefahr, sich den Selbst­bil­dern man­cher Ver­tre­ter neu­rech­ter Bewe­gun­gen anzu­glei­chen. Viel­leicht wäre es in die­sem Zusam­men­hang auch inter­es­sant gewe­sen, wie Hor­nuff die Stra­te­gien und Initia­ti­ven gegen rechts aus­le­gen würde.

Somit bleibt eines zu tun: die Gestal­tung einer offe­nen und viel­fäl­ti­gen Gemein­schaft, in der sich mög­lichst vie­le wie­der­fin­den kön­nen – Demo­kra­tie also. Hor­nuff plä­diert dafür, genau­er hin­zu­hö­ren und vor allem hin­zu­se­hen. Er zeigt uns opti­mis­tisch, dass es sich lohnt den Blick auf schein­bar tri­via­le, kul­tu­rel­le Gesell­schafts­phä­no­me­ne zu schärfen.