Buchbesprechung

»Was als ein Bild gilt …«

Matthias Bruhn über Theorie, Geschichte und Praxis von Bildern

Was kön­nen Desi­gner mit einem Buch für Kul­tur­wis­sen­schaft­ler anfan­gen? Nichts? Falsch. Solan­ge es sich um das The­ma Bild han­delt, kön­nen die einen von den ande­ren mit Sicher­heit etwas lernen.

So schafft es das Buch »Das Bild. Theo­rie – Geschich­te – Pra­xis« von Mat­thi­as Bruhn, den Bogen zwi­schen bei­den Dis­zi­pli­nen zu schla­gen. Das Buch ist zwar in ers­ter Linie für Stu­den­ten der Kul­tur­wis­sen­schaft geschrie­ben, aber auch Desi­gner kön­nen Nut­zen dar­aus zie­hen. Beson­ders die Kapi­tel 1, 4, 9 und 10 sind für Gestal­ter sehr interessant.

In Kapi­tel 1 »Das Bild vom Bild: Seh­wei­sen, Rede­wei­sen« ver­sucht der Autor, einen gro­ben Über­blick zu geben. »Was als ein Bild gilt und wahr­ge­nom­men wird, hat gesell­schaft­li­che wie indi­vi­du­el­le Hin­ter­grün­de, hängt von intel­lek­tu­el­len und psy­cho­lo­gi­schen Fak­to­ren […] ab.« In Kapi­tel 4 »For­men, Wahr­neh­mun­gen« geht es um ver­schie­de­ne Anschau­ungs- und Deu­tungs­wei­sen, den Kon­text, die Emp­fin­dung und die unter­schied­li­chen Gestal­tungs­for­men. In Kapi­tel 9 »Iko­nen, Urbil­der, Vor­bil­der« wird das The­ma der Bild­se­mio­tik und der Foto­gra­fie näher erläu­tert. In Kapi­tel 10 »Bild neben Bild: Ver­gleich, Kom­bi­na­ti­on, Über­sicht« geht es um die Ver­än­de­rung, Inter­pre­ta­ti­on und Wir­kung des Bildes.

Mat­thi­as Bruhn beleuch­tet den Begriff Bild von allen Sei­ten. Dabei tre­ten meh­re­re Aspek­te in den Vor­der­grund: Bil­der haben unter­schied­li­che Funk­tio­nen. Bil­der infor­mie­ren, erzeu­gen Wis­sen, reflek­tie­ren und för­dern das Ver­ste­hen. Ein Bild kann unter­schied­lich inter­pre­tiert und gedeu­tet wer­den. Bil­der ste­hen immer in einem Kon­text. Bil­der wer­den unter­schied­lich ver­wen­det und haben immer einen ande­ren Nutzen.

Dabei geht Bruhn auf his­to­ri­sche Gege­ben­hei­ten ein, eben­so berück­sich­tigt und the­ma­ti­siert er aktu­el­le For­schungs­er­geb­nis­se. Die­se Mischung ver­stärkt die Aktua­li­tät und den wis­sen­schaft­li­chen Wert sei­ner Arbeit. Bruhn bezieht sich auf Bil­der aus allen erdenk­li­chen Berei­chen und aus allen Epo­chen der Geschich­te. Alte Gemäl­de fin­den genau­so Beach­tung wie moder­ne Wand­bil­der, Zei­tungs­fo­tos, Film-Stills oder Fotos von Plas­ti­ken eben­so wie Rönt­gen­bil­der oder Com­pu­ter­to­mo­gra­fien. Bild­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on ist in Kunst, Unter­hal­tung oder Wer­bung eben­so rele­vant wie in Natur­wis­sen­schaf­ten, im Ver­lags­we­sen oder in Nachrichtenagenturen.

Schnell wird dem Leser klar, dass Bruhn einen sehr offe­nen Bild­be­griff ver­tritt. Eine ein­deu­ti­ge Defi­ni­ti­on gibt es nicht, dafür sind Bil­der in all ihren Erschei­nungs­for­men zu verschieden.

Dr. phil. Mat­thi­as Bruhn ist wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter und Lei­ter der Abtei­lung »Das Tech­ni­sche Bild« des Her­mann-von-Helm­holtz-Zen­trums für Kul­tur­tech­nik an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät Ber­lin. Bruhn stu­dier­te Kunst­ge­schich­te und Phi­lo­so­phie. Er publi­zier­te zu unter­schied­li­chen The­men­schwer­punk­ten wie bei­spiels­wei­se zu Kunst­ge­schich­te, Foto­ge­schich­te und Fach­kom­mu­ni­ka­ti­on. Eben­falls hat er meh­re­re Wer­ke zur Bild­wis­sen­schaft, Bild­wirt­schaft und Bild­for­schung ver­fasst. Das Lehr­buch »Das Bild. Theo­rie – Geschich­te – Pra­xis« von 2008 ist sein ers­tes Ein­füh­rungs­buch zum The­ma »Bild« für Studenten.

Jedes Kapi­tel beginnt mit zwei Bil­dern und einem Text­ab­schnitt, der die Bil­der beschreibt. Jedes der 14 Kapi­tel schließt mit Fra­gen und Anre­gun­gen, eben­so mit Lek­tü­re­emp­feh­lun­gen. Am Rand des Fließ­tex­tes befin­den sich zahl­rei­che Stich­wör­ter. Sie die­nen zur Ori­en­tie­rung und sind ein Instru­ment zur schnel­len Erfas­sung des Absatz­in­hal­tes. Am Ende des Buches befin­det sich ein aus­führ­li­cher Ser­vice­teil mit einem Sach­re­gis­ter, Lite­ra­tur­hin­wei­se – nach Kate­go­rien geord­net – oder Ver­wei­se auf Inter­net­res­sour­cen wie Insti­tu­te, Netz­wer­ke und Blogs.

»Das Bild« ver­fügt über kei­ne Zusam­men­fas­sung oder Ein­lei­tung des The­mas. Das Buch beschreibt kei­ne Ent­wick­lung des Bil­des in der Geschich­te – statt­des­sen ist es the­ma­tisch auf­ge­baut. Wich­ti­ge Per­so­nen wer­den genannt, gehen aber oft­mals im Lese­fluss unter. Der Inhalt wird an man­chen Stel­len erschwert begrif­fen und auf­ge­nom­men, da das Buch eine enor­me Stoff­fül­le wiedergibt.

In der Sum­me ist Bruhns Buch durch­aus emp­feh­lens­wert – beson­ders für alle, die sich mit der Mate­rie Bild inten­si­ver beschäf­ti­gen möch­ten, Kul­tur­wis­sen­schaft­ler oder eben­so Designer.