Nach wie vor steht die Analyse des Designers nach der Form und Funktion der Dinge am Anfang seines Gestaltungsprozesses. Aber ist es nicht so, dass diese selbstverständliche Priorität heute nicht mehr reicht? Ihr dicht auf den Fersen folgt die Frage nach der Marktrelevanz: An wen richtet sich das Produkt, welche Zielgruppe soll es erreichen? Unsere Gesellschaft ist mehr denn je geprägt durch Medien und Marketing. Die Tendenz erreicht ihren Höhepunkt durch das »Branding«. Alles wird zu einer Marke, ein Spiegelbild unserer Gesellschaft – Möbel von Molteni, Stühle von Eames, das Geschirr von Villeroy und Boch, Produkte von Alessi und so weiter – eine perfekt ausgestaltete Welt. So holt man sich die emotionsbezogenen Designs der jeweiligen Hersteller und deren »Produkt-Philosophien«, die mittlerweile groß im Internet stehen, ins Haus. Manch ein Kunde meint, sich damit seine Souveränität in puncto Design gleich mitgekauft zu haben. Aber ist es damit schon getan? Bei all der Individualität, die wir heute so hochhalten, wo bleibt denn die individuelle Entscheidung des Einzelnen über seinen Geschmack im Design?
Heute werben Unternehmen für ihr Design mit bekannten Designern und Schauspielern. Der bekannte Name zählt. Er ist Machtinstrument für den Markterfolg in unserer globalisierten Welt. Der Kunde wird letztendlich von den Medien und den Branding-Kampagnen dirigiert. Man gebe eine Prise Emotion in die Werbung, die aber manchmal aus der Luft gegriffen ist, und werte das neuentwickelte Produkt somit auf. Ein Hauch von Nichts, der beinahe Sinn ergibt.
Es ist üblich geworden, dass Marketingleiter über Konzeptionen und Designs entscheiden. Unternehmen setzen gern auf Designer oder Designbüros, die schon Preise gewonnen haben oder die den eigenen Kunden bereits bekannt sind. Sie hoffen, so einen gewissen Erfolg vorzuprogrammieren. Aber es sind durchaus nicht nur diese Designer, die gute Konzepte vorlegen können. In manchen Unternehmen, die schon seit ein paar Jahren mit »ihren« Designern zusammenarbeiten, herrschen verkrustete Strukturen und die Innovativität fehlt. Oder Unternehmen, die Designer als Lieferanten sehen. Unternehmen, die interne Vorgaben, die Zahl der Lieferanten möglichst klein zu halten, auch auf die Designer anwenden. Dabei hat sich immer bewiesen: Der Horizont erweitert sich nur dann, wenn das Erprobte mit dem Experiment gemischt wird.
Man fragt sich, gibt es keine Neugier auf neue Dinge, Produkte, Ideen, Konzepte? Ist die Sicherheit, immer nur mit den bestehenden Designern zu arbeiten, nicht eine trügerische Sicherheit? Jedes Risiko birgt doch auch eine positive Resonanz und einen Gewinn. Nur in der Zusammenarbeit eröffnen sich Möglichkeiten. Hätte George Nelson damals nicht die Chance bekommen, mit der Hermann-Miller-Fabrik zusammenzuarbeiten, wären aus dieser Kooperation nicht die Büromöbel-Klassiker von ihm und dem Ehepaar Eames entstanden und die Nettoverkäufe der Firma hätten 1948 nicht die Marke von einer Million Dollar überstiegen. Kreative brauchen ein Umfeld, in dem sie wachsen können. Und Wachstum braucht Kreativität.