Buchbesprechung

»… entlang eines Wertesystems visionär denken«

Joachim Kobbus und Michael B. Hardt skizzieren Designzukunft

Eine Rezension von Eduard Helmann


Wel­chen Stel­len­wert hat das Design in unse­rer Gesell­schaft? Vor wel­chen Her­aus­for­de­run­gen ste­hen zukünf­ti­ge Desi­gner? Wie sol­len sie aus­ge­bil­det wer­den? Und wie sol­len sie den­ken, um die Zukunft erfolg­reich mit­zu­ge­stal­ten? Die­sen Fra­gen wid­men sich Joa­chim Kobus und sein Co-Autor Micha­el B. Hardt in ihrem Buch »Design­zu­kunft den­ken und gestal­ten«, erschie­nen im Bas­ler Ver­lag Birk­häu­ser. »Design­zu­kunft den­ken und gestal­ten« ist bereits das drit­te Buch aus der Rei­he »Erfolg­reich als Desi­gner«. Wäh­rend die zwei vor­an­ge­gan­ge­nen Wer­ke die The­men­ge­bie­te »Grün­dung und Ent­wick­lung von Design Busi­ness«, sowie »Design­rech­te« behan­deln, wid­met sich die­ser Teil den phi­lo­so­phi­schen, psy­cho­lo­gi­schen und sozia­len Aspekten.

Die bei­den Autoren stel­len eine Defi­ni­ti­on von Her­bert Simons an den Anfang ihres Werks: »Design bezeich­net Maß­nah­men, die dar­auf abzie­len, bestehen­de in bevor­zug­te Situa­tio­nen zu ver­än­dern.« (S. 19) Mit die­ser Defi­ni­ti­on wol­len Kobus und Hardt zei­gen, wel­che Mög­lich­kei­ten Desi­gner besit­zen, die Gesell­schaft mit­zu­ge­stal­ten, und wel­chen Bei­trag sie leis­ten kön­nen, um Ver­än­de­run­gen her­bei­zu­füh­ren. Dass Ver­än­de­run­gen nötig sind, und zwar mög­lichst bald, zei­gen die Autoren, indem sie im ers­ten Teil »Gestal­tend den­ken« den Leser auf eine zeit­ge­schicht­li­che Rei­se mit­neh­men. Sie zei­gen anhand vie­ler Bei­spie­le, was ver­säumt wur­de, und sind auf der Suche nach den Ver­ant­wort­li­chen. Die Schul­di­gen sind schnell gefun­den. Das Mar­ke­ting ist laut eines Zita­tes von Peter Ulrich »per se ethisch blind (…) es ver­ein­nahmt das Design und beraubt die Gestal­ter ihrer Fähig­keit, ent­lang eines ethisch fun­dier­ten Wer­te­sys­tems visio­när zu den­ken und zu han­deln« (S. 20). Damit mutie­ren Gestal­ter zu Erfül­lungs­ge­hil­fen, die Men­schen dazu ver­füh­ren, sich mit Geld, das sie nicht haben, Din­ge zu kau­fen, die sie nicht brau­chen, um Leu­ten zu impo­nie­ren, die sie nicht lei­den können.

Dass es ein­mal anders war, zeigt der Ver­gleich in Kapi­tel drei. Dort wird die Theo­rie des Cor­po­ra­te Designs, von F. H. K. Hen­ri­on der Mar­ke­ting-Theo­rie von Jero­me McCar­thy gegen­über­ge­stellt – mit ver­hee­ren­den Fol­gen für das Mar­ke­ting. Es wird als Wis­sen­schaft mit »Wis­sen im Nano­be­reich« bezeich­net, »das den Ein­druck erweckt, all­wis­send zu sein« (S. 77). Nicht allein dem Mar­ke­ting, auch der Poli­tik, Umwelt­schüt­zern und den Medi­en wer­den »Ohr­fei­gen« gegeben.

Die Zunft der Desi­gner wird im zwei­ten Teil »Den­kend gestal­ten« infra­ge gestellt. Dass die »gute alte Ästhe­tik« heu­te eine ande­re Bedeu­tung erfährt, als ursprüng­lich defi­niert, und das Wort »infla­tio­när« gebraucht und miss­braucht wird, ist die eine Aus­sa­ge. Dass die Wis­sen­schaft der Zei­chen, die Semio­tik, kaum eine Rol­le in der Desi­gner-Aus­bil­dung spielt, die ande­re. In kla­rer und unkom­pli­zier­ter Spra­che wird der Leser in Berei­che der Phi­lo­so­phie ein­ge­führt und mit zahl­rei­chen Ver­wei­sen ange­regt, sich näher mit den The­men zu beschäf­ti­gen. Theo­rien von Phi­lo­so­phen und Wis­sen­schaft­lern wie Aris­to­te­les, Pla­ton, Hegel, Baum­gärt­ner, Pier­ce, Sauss­u­re und Leib­niz wer­den erklärt, ohne den Leser zu über­for­dern. Dem Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­si­gner wird der Kern­nut­zen »Ori­en­tie­ren, Infor­mie­ren, Inspi­rie­ren« vor Augen geführt, und er wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Gesell­schaft sich in einem Umbruch befin­det und er dabei nicht nur Sta­tist sein soll, son­dern aktiv mit­hel­fen kann, eine neue Welt­ord­nung mitzugestalten.

Wer gestal­tet um des Gestal­tens Wil­len, darf das ger­ne tun, dass Gestal­ten aber auch Pla­nen und Bera­ten heißt und wel­che Kom­pe­ten­zen dafür nötig sind, wird im drit­ten Teil »Gewin­nend den­ken und gestal­ten« ein­ge­hend erläu­tert. Anschlie­ßend wid­men sich die Autoren der Design­aus­bil­dung, machen einen geschicht­li­chen Abriss durch das Bau­haus und die HfG Ulm, bezie­hen sich auf Über­le­gun­gen von Her­bert Simons über Design­aus­bil­dung und stel­len ein Modell vor, das aus den drei Säu­len Wis­sen, Den­ken und Machen besteht.

Den Abschluss eines sehr gelun­ge­nen Buches bil­det eine Inter­view-Serie. Exper­ten wie Micha­el Braun­gart, Hajo Eick­hoff oder Jan Teu­nen – um nur eini­ge zu nen­nen –, geben Ant­wort auf die Fra­ge nach einer mög­li­chen Zukunft der Designberufe.

»Design­zu­kunft den­ken und gestal­ten« ist infor­ma­tiv, weg­wei­send und inspi­rie­rend. Die Inhal­te sind aktu­ell – der Zwang zu han­deln akut. Das Buch bezieht Stel­lung und for­dert Desi­gner aller Fach­be­rei­che dazu auf, Hal­tung in ihrem Han­deln zu zei­gen. Aus die­sem Grund muss es zur Pflicht­lek­tü­re eines jeden Desi­gners wer­den – ob ler­nen­der, leh­ren­der oder prak­ti­zie­ren­der. Aber auch für ande­re Fach­be­rei­che ist es auf­grund zuneh­men­der Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät eine loh­nen­de und über­aus emp­feh­lens­wer­te Lektüre.


Ausgabe Nr. 3, Herbst 2013

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