Buchbesprechung

In der Tat: »eine angewandte Designforschung«

Andreas Koop schreibt über Typografie und Macht

Eine Rezension von Stefan Klär


»Wis­sen ist Macht« – irr­te sich der eng­li­sche Phi­lo­soph Fran­cis Bacon? Zumin­dest könn­te man sei­ne Erkennt­nis ergän­zen. Denn Andre­as Koop, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­si­gner aus dem All­gäu, zeigt in sei­ner For­schungs­ar­beit »Die Macht der Schrift – eine ange­wand­te Design­for­schung«, in wel­cher Bezie­hung die Typo­gra­fie mit der Reprä­sen­ta­ti­on von Macht steht.

Koop führt seit 1995 ein renom­mier­tes Design­bü­ro. Sei­ne Schwer­punk­te lie­gen im Cor­po­ra­te Design und der Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on. An ver­schie­de­nen Hoch­schu­len lehrt er Schrift und Typo­gra­fie. Im Rah­men eines For­schungs­pro­jek­tes am Insti­tut »Design2context« der Zür­cher Hoch­schu­le der Küns­te ent­stand sei­ne Arbeit über die Bezie­hung zwi­schen Schrift und Macht. Koop möch­te damit einen Bei­trag zu der noch jun­gen Dis­zi­plin der Design­for­schung leis­ten. Er ver­deut­licht die Poten­zia­le und Chan­cen, die in der For­schung über, für und durch Design lie­gen. Chan­cen nicht für die eige­ne, son­dern auch für ande­re wis­sen­schaft­li­che Dis­zi­pli­nen. Er leis­tet mit sei­ner Arbeit einen wich­ti­gen Bei­trag zur Aner­ken­nung der Designwissenschaft.

Koop stellt sei­ner Arbeit »Die Macht der Schrift« ein Kapi­tel über die Design­for­schung vor­an. Eigent­lich ist es viel mehr als ein Kapi­tel – es könn­te gar eine eige­ne Ver­öf­fent­li­chung sein. Denn nicht nur vom Umfang fasst es cir­ca die Hälf­te der Publi­ka­ti­on, son­dern auch inhalt­lich hat der Text Gewicht: Es ist ein Plä­doy­er für die Design­for­schung, für eine jun­ge Dis­zi­plin, die ihr Poten­zi­al und ihre Gren­zen noch sucht. Koop greift die wich­tigs­ten Errun­gen­schaf­ten der letz­ten Jah­re auf und fügt sie zu einem diver­gen­ten Gan­zen zusam­men. Ein Abbild von den Anfän­gen, über die ver­schie­de­nen For­schungs­an­sät­ze (For­schung über, für und durch Design), hin zu den Rah­men­be­din­gun­gen, in denen Design­for­schung heu­te betrie­ben wird. Koop beschreibt den Kern – nicht alle Facet­ten und Aus­prä­gun­gen der ein­zel­nen The­men – und schafft somit eine Ein­füh­rung und einen Über­blick über die Dis­zi­plin. Doch fin­det sich trotz die­ser Makro­per­spek­ti­ve im Anschluss ein Blick auf die bereits zur Ver­fü­gung ste­hen­den Metho­den. Hier spricht Koop von der Über­tra­gung der Metho­den aus ande­ren Dis­zi­pli­nen, die aber dann in unter­schied­li­chen Aus­prä­gun­gen und Gewich­tun­gen in der Design­for­schung eine Anwen­dung fin­den. Ver­an­schau­licht wer­den die­se aus der Mikro­per­spek­ti­ve mit eini­gen exter­nen Forschungsbeispielen.

Koop fügt die­sen Beob­ach­tun­gen auch eine per­sön­li­che Note bei, indem er zum Ende die­ses ers­ten Teils den Blick nach vor­ne rich­tet. Er beschreibt, wie durch die Design­for­schung das Design pro­fes­sio­na­li­siert wer­den kann und wie sich auf lan­ge Sicht Stel­len­wert samt Aner­ken­nung stei­gern las­sen. Zudem zeigt er, wel­che Fra­gen die Dis­zi­plin beant­wor­ten und wel­che sie suchen kann. Zu Beginn des zwei­ten Teils, der eigent­li­chen Arbeit »Schrift und Macht«, ver­deut­licht Koop sei­ne Hal­tung, aus der her­aus sei­ne Publi­ka­ti­on ent­stan­den ist. So wird klar, was »Schrift und Macht« zu leis­ten ver­mag und was sei­ne Arbeit in kei­nem Fall beab­sich­tigt. Er plä­diert für Akzep­tanz und Offen­heit von ande­ren Dis­zi­pli­nen. Die Design­for­schung kann Gestal­tung, so sub­jek­tiv (oder auch nicht) sie sein mag, objek­tiv rezi­pie­ren und den Wis­sens­ho­ri­zont viel­leicht nicht ver­tie­fen, aber erweitern.

Der Aus­gangs­punkt sei­ner Arbeit ist die Annah­me, dass es ein Wech­sel­spiel zwi­schen gedruck­ter Schrift und der Prä­sen­ta­ti­on poli­ti­scher Macht gibt. Einen sol­chen Zusam­men­hang sucht Koop durch die Betrach­tung his­to­ri­scher Doku­men­te aus der west­eu­ro­päi­schen Geschich­te. Die gestal­te­ri­sche Per­spek­ti­ve kann hier zu erwei­tern­den Erkennt­nis­sen füh­ren, da die Form an sich in den klas­si­schen Dis­zi­pli­nen nur sehr wenig Beach­tung fin­det. In den dar­auf fol­gen­den Bei­spie­len zeigt Koop, wie sich die Macht­an­sprü­che und Macht­po­si­tio­nen in der Gestal­tung von Doku­men­ten bis hin zu den typo­gra­fi­schen Ent­schei­dun­gen wider­spie­geln. Anhand von Doku­men­ten von Karl dem Gro­ßen bis Adolf Hit­ler wer­den die Insze­nie­run­gen des Macht­an­spru­ches ana­ly­siert. Koop arbei­tet Aspek­te her­aus, die aus den Inhal­ten wei­te­re Erkennt­nis­se gewin­nen und neue Per­spek­ti­ven ermög­li­chen. Die Bedeu­tung der Tra­di­tio­nen in Bezug auf die typo­gra­fi­sche Gestal­tung zeich­net sich bei allen gewähl­ten Bei­spie­len deut­lich ab. Nach der his­to­ri­schen Betrach­tung wid­met sich Koop kon­se­quen­ter­wei­se den typo­gra­fi­schen Erschei­nun­gen von moder­nen euro­päi­schen Staa­ten und ver­gleicht die­se dann im Anschluss mit den Insze­nie­run­gen von pri­va­ten Unter­neh­men. Koop zeigt hier auf, wie sich so man­che Unter­neh­men »staats­män­ni­scher« als ein Staat präsentieren.

In einem eige­nen Kapi­tel wer­den die Par­al­le­len zwi­schen der Rhe­to­rik und der Gestal­tung – im spe­zi­el­len Fall der Typo­gra­fie – unter­sucht. Sei­ne Erkennt­nis­se basie­ren auf den his­to­ri­schen Betrach­tun­gen und wer­den als Teil­ergeb­nis der Arbeit ange­se­hen. Koop ent­wi­ckelt ein Sys­tem, in dem Schrif­ten anhand ihrer Wir­kung kate­go­ri­siert und beschrie­ben wer­den kön­nen. Um sei­ne Erkennt­nis­se zu unter­strei­chen, ver­deut­licht Koop durch Expe­ri­men­te und Metho­den, die im ers­ten Teil der Publi­ka­ti­on beschrie­ben wur­den. Dadurch wird deut­lich, dass nicht nur eine Bezie­hung zwi­schen poli­ti­scher Macht und Typo­gra­fie besteht. Macht wird auch in allen ande­ren Berei­chen der Gestal­tung sichtbar.

Andre­as Koop ist Beob­ach­ter einer noch jun­gen Dis­zi­plin und beschreibt unauf­ge­regt ihre Ent­wick­lung, Poten­zia­le und Gren­zen. Er ver­deut­licht glaub­haft sei­ne Über­zeu­gung vom Poten­zi­al der Design­for­schung. Ihre Daseins­be­rech­ti­gung sieht Koop im Glau­ben an die Ver­än­der­bar­keit und Gestalt­bar­keit der Welt. Auch ist in sei­ner Arbeit spür­bar, dass Design­for­schung ele­men­ta­re Fra­gen beant­wor­ten kann, wo ande­re Dis­zi­pli­nen unver­mö­gend sind. Was an dem Buch sehr gefällt, ist der Per­spek­tiv­wech­sel, den Koop mit dem Leser voll­zieht. Er beschreibt das gro­ße Gan­ze, ohne das Detail zu ver­ges­sen, beschreibt die fei­nen Unter­schie­de und lei­tet somit wie­der auf das Gan­ze – von der Theo­rie in die Pra­xis und wie­der zurück. Er zeigt, wie Design­wis­sen­schaft­ler und Desi­gner for­schen kön­nen – von ande­ren Dis­zi­pli­nen ler­nend und der eige­nen stets treu blei­bend. »Die Macht der Schrift« ist eine her­aus­ra­gen­de und rich­tungs­wei­sen­de Publi­ka­ti­on für die Designforschung.


Ausgabe Nr. 2, Frühjahr 2013

Datenschutz-Übersicht
Sprache für die Form * Forum für Design und Rhetorik

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.

Unbedingt notwendige Cookies

Unbedingt notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir deine Einstellungen für die Cookie-Einstellungen speichern können.