Ausgabe Nr. 5, Herbst 2014: Essay

Kunst oder Design?

Zur Abgrenzungsproblematik bei ästhetischen Artefakten

Von Julia-Constance Dissel


Im Fol­gen­den wer­de ich mich der Fra­ge zuwen­den, wie Design und Kunst bzw. Design- und Kunst­ar­te­fak­te von­ein­an­der zu unter­schei­den sind. Zur Dis­po­si­ti­on steht dabei ins­be­son­de­re ein Kri­te­ri­um der Unter­scheid­bar­keit, das der Funk­tio­na­li­tät. Einer weit ver­brei­te­ten Mei­nung zufol­ge, besteht der Unter­schied zwi­schen Design und Kunst näm­lich in ers­ter Linie dar­in, dass Design einer bestimm­ten Zweck­erfül­lung unter­liegt, der sich die ver­meint­lich auto­no­me Kunst ent­zieht. Design­ar­te­fak­te sol­len sich die­ser »Funk­ti­ons­the­se« zufol­ge nicht wie Kunst­ob­jek­te an äußer­li­chen, ästhe­ti­schen Gesichts­punk­ten allei­ne, son­dern ins­be­son­de­re hin­sicht­lich ihrer prak­ti­schen Funk­tio­nen in ästhe­ti­scher Hin­sicht bemes­sen las­sen. Sicher­lich haben die Ent­wick­lun­gen der letz­ten sechs Deka­den in der Kunst und im Design zu einer der­ar­ti­gen Annä­he­rung bei­der Sei­ten und Auf­lö­sung ihrer ver­meint­lich spe­zi­el­len Kate­go­rien geführt, dass auch die Funk­tio­na­li­tät des Designs als ihr Allein­stel­lungs­merk­mal nicht ohne Kri­tik geblie­ben ist. Den­noch darf fest­ge­stellt wer­den, dass selbst in Fach­krei­sen, wenn es um Fra­gen der Unter­schei­dung bei­der Arte­fakt-Berei­che geht, immer wie­der auf die Kate­go­rie der Funk­tio­na­li­tät im Design ange­spielt wird. Ich möch­te mit die­sem Essay ver­su­chen zu erhel­len, wie­so Funk­tio­na­li­tät im Design zwar ein rele­van­tes Kri­te­ri­um ist, die­ses als Unter­schei­dungs­merk­mal im Zusam­men­hang der Bewer­tung ästhe­tisch bedeut­sa­mer Arte­fak­te jedoch nicht hin­reicht. Ich wer­de daher zei­gen, dass die Kunst neben einer Viel­zahl an Funk­tio­nen auch sol­che in der für das Design bean­spruch­ten Art und Wei­se umfasst, was es mir wei­ter­hin ermög­licht, die ursprüng­li­che Fra­ge nach dem Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal als eine sol­che nach dem Unter­schied im bei­der­seits zur Anwen­dung kom­men­den Funk­ti­ons­be­griff zu stellen.

1 Kunst und Design als ästhe­tisch bedeut­sa­me Arte­fak­te: Die Rol­le semio­ti­scher Sys­te­me und des kunst­äs­the­ti­schen Werts

Ich möch­te mei­ne Aus­füh­rung zunächst mit der Fra­ge begin­nen, was Kunst- und Design­ar­te­fak­te eigent­lich sind und wor­in even­tu­el­le Gemein­sam­kei­ten bestehen könn­ten. Aus­ge­hend hier­von wird es mög­lich, den Kern­aspekt hin­sicht­lich ihrer bei­der Funk­tio­na­li­tä­ten mit Blick auf die Rol­le semio­ti­scher Sys­te­me am Iden­ti­fi­zie­rungs­pro­zess bereits ansatz­wei­se vor­skiz­zie­ren zu können.

Kunst- und Design­ob­jek­te sind bei­des vom Men­schen ent­wor­fe­ne und pro­du­zier­te Arte­fak­te, die es hin­sicht­lich ihrer Gene­se also zunächst von natür­li­chen Enti­tä­ten wie Bäu­men und Son­nen­un­ter­gän­gen zu unter­schei­den gilt. Wei­ter­hin sind sie bei­de in ästhe­ti­scher Hin­sicht bedeut­sa­me Arte­fak­te. Grund­sätz­lich kön­nen sämt­li­che Objekt­be­rei­che vom Men­schen in ästhe­ti­scher Hin­sicht erfah­ren wer­den, des­halb sind selbst­ver­ständ­lich auch natür­li­che Enti­tä­ten und selbst noch so ein­fa­che, tech­ni­sche Gebrauchs­uten­si­li­en wie Auto­rei­fen und Mixer unter ästhe­ti­schen Gesichts­punk­ten wahr­nehm­bar. Das aller­dings macht sie noch lan­ge nicht in ästhe­ti­scher Hin­sicht für uns bedeut­sam. Kunst- und Design­ar­te­fak­te dür­fen in die­sem Sin­ne als ein »Son­der­fall« auf­ge­fasst wer­den. Das Beson­de­re ist der Iden­ti­fi­zie­rungs­pro­zess von Kunst- und Design­ge­gen­stän­den als ästhe­tisch bedeut­sa­me Arte­fak­te. Um ein Arte­fakt näm­lich als ein in ästhe­ti­scher Hin­sicht rele­van­tes Objekt, also als ein Kunst- bzw. Design­ob­jekt, zu iden­ti­fi­zie­ren, muss man auf bestimm­te ästhe­ti­sche Zei­chen­sys­te­me zurück­grei­fen. Kunst- und Design­ob­jek­te las­sen sich dem­nach als Zei­chen ver­ste­hen, und zwar als sol­che, die bestimm­te ästhe­ti­sche Merk­ma­le tra­gen, wel­che sich im Rück­griff auf die Zei­chen­sys­te­me als rele­vant her­aus­stel­len las­sen. Sol­che Merk­ma­le kön­nen bei­spiels­wei­se Aspek­te der Form­ge­bung, der Ober­flä­chen­be­hand­lung, der Mate­ri­al­ver­ar­bei­tung, des Farb­auf­trags oder der Rah­mung usw. betref­fen. Was in der spe­zi­el­len Debat­te um die Dif­fe­ren­zie­rung von Kunst und Design hin­sicht­lich der Rol­le semio­ti­scher Sys­te­me im Iden­ti­fi­zie­rungs­pro­zess häu­fig nicht expli­zit gemacht wird, ist, dass sich die Kate­go­ri­sie­rung von ästhe­tisch bedeut­sa­men Gegen­stän­den als Design- oder Kunst­ge­gen­stän­de nicht mit der Fest­stel­lung der­ar­ti­ger ästhe­ti­scher Merk­ma­le ergibt. Um einen Gegen­stand als Kunst oder Design im Rück­griff auf semio­ti­sche Sys­te­me zu erschlie­ßen und zu bewer­ten, bedarf es der Eru­ie­rung des kunst­äs­the­ti­schen Gehalts oder Werts des jewei­li­gen Arte­fakts[1]. Der kunst­äs­the­ti­sche Wert von Design­ar­te­fak­ten, aber eben auch von Kunst­ge­gen­stän­den, ergibt sich in die­sem Zusam­men­hang aus dem Ver­hält­nis des am ästhe­ti­schen Merk­mal zu Tage tre­ten­den künst­le­ri­schen Aus­drucks zu ande­ren nicht äußer­li­chen Aspek­ten, das sind im Spe­zi­el­len die Funk­tio­nen des jewei­li­gen Wert­trä­gers.[2]


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