b) dispositio
Mussten in der inventio die Grundargumente, also die zentralen Exponate bestimmt werden, ist es nun vonnöten, die Argumente sachgemäß zu gliedern, um einen logischen Zusammenhang zu erzeugen. Da sowohl zusammenhangslose Argumente als auch einzelne Exponate ohne thematischen Bezug nichtssagend bleiben, bedarf es einer Ordnung der Gegenstände, vorzugsweise unter dem Gesichtspunkt der Aufgabe des Redners. Die Überlegungen zielen in dieser Phase dahin, zu bestimmen, welche Exponate der Grundaussage dienen und somit unterrichten (docere), welche begleitend unterhalten (delectare) und welche vorrangig dazu dienen, die Affekte des Besuchers zu stimulieren (movere). Im Gegensatz zur Rhetorik, der für diese Schritte formgleiche topoi zur Verfügung stehen, müssen an dieser Stelle im Kontext der Ausstellung natürlich die Vielzahl der vermittelnden Medien beachtet werden, wodurch die Bedeutung der Objekte nicht alleine durch ihre Position bestimmt werden kann. Durch das emotionserzeugende Potenzial von Bildern dient ein bildgewaltiges Medium wie der Film oftmals dazu, Leidenschaften zu stimulieren und damit die dritte Aufgabe des Redners bzw. des Szenografen zu erfüllen. Ähnlich verhält es sich mit auditiven Exponaten, während interaktiv ausgerichtete Modelle und Installationen besonders dem delectare zu dienen scheinen. Je nach Sachlage und abgeschätzter Wirkung geht es in dieser Phase also darum, dass die Objekte gleich dem rhetorischen Redestoff »in einen zweckmäßigen Zusammenhang gebracht und zu Schlussfolgerungen [sic!], zu zentralen Thesen, zu Sachverhältnissen geformt werden«[10]. Als zentral für diese Ordnung gilt in der Szenografie wieder die bereits erwähnte Narration, weswegen an dieser Stelle auch der Parcours, also die räumliche Anordnung und Bewegungsvorgabe, erstellt werden kann.
c) elocutio
Während es in der sprachlichen Rhetorik in dem Fall um Figuren, Tropen, Wortgebrauch und Satzfügung geht, folgt in der szenografischen Gestaltung nun jede weitere Planung der inszenatorischen Mittel. Das Ziel ist dabei ein funktionierendes Übereinkommen von Form und Inhalt. Während zuvor also nur am logos gearbeitet wurde, geht es nun darum, die Inhalte »einzukleiden« (vestire)[11] und somit geeignete Stilmittel zu finden. An dieser Stelle werden also alle weiteren Gestaltungsparameter berücksichtigt, die inhaltlich zwar nicht unbedingt tragend, dafür aber illustrierend, unterhaltend und affekterregend sind, das heißt Raumaufteilung, Licht, Medien, Klang und Grafik.
Um persuasiv zu funktionieren und die Inszenierung eben nicht zu einem Selbstzweck verkommen zu lassen, scheint es durchaus angemessen, die Tugenden der Rede – Korrektheit, Klarheit, Angemessenheit und Ausschmückung – auf die Ambitionen einer Ausstellung zu übertragen.
Aufgrund des Anspruches der theoretischen Begründung einer Ausstellung scheinen die Punkte der Korrektheit und Klarheit der Präsentation geradezu selbstverständlich. Dennoch gibt es auch im Ausstellungskontext genügend inhaltliche wie formale Fehlerfallen. So kann eine nachlässige Quellenrecherche zu peinlichen Falschangaben auf der Exponatsebene führen oder technische Ungenauigkeiten ganze Inszenierungsebenen ihrer Wirkung berauben. Somit sollte Korrektheit wohl die Minimalforderung an eine Ausstellung sein. Für Klarheit sollte durch eine in der dispositio bereits gefundene Ordnung gesorgt worden sein, verbunden mit einer Deutlichkeit, die die Nachvollziehbarkeit des Ausgestellten sowie die Art und Weise der Darstellung gewährleisten.
Im Hinblick auf den geforderten Unterhaltungswert zeitgenössischer Ausstellungen scheint die Angemessenheit eine besonders wichtige Tugend dieser Disziplin darzustellen. Nach Aristoteles ist eine sprachliche Formulierung angemessen, »wenn sie Affekt und Charakter ausdrückt und in der rechten Relation zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt steht«[12]. In der modernen Rhetorik unterscheidet man diesbezüglich zwischen inneren und äußeren Angemessenheitsfaktoren (aptum). Das innere aptum beträfe in Bezug auf die Ausstellung somit vor allem das Verhältnis zwischen Inhalt und Gestaltungsmittel, das äußere aptum dagegen einen angemessenen Bezug zu äußeren Umständen, wie zum Beispiel der Zielgruppe sowie den örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten. Angemessenheit muss auch in Bezug auf den letzten Punkt, die Ausschmückung, gewährleistet sein. Die benannten Stil- und Gestaltungsmittel der Szenografie stellen für die stilistische Ausarbeitung (ornatus) die wichtigsten Parameter dar. Wenn in der Rhetorik diesbezüglich auch Wortwahl, Rhythmus und klangliche Gliederung beachtet werden, können die größten Parallelen doch zu den rhetorischen Figuren gezogen werden. So lässt sich von der Ausstellung durchaus sagen, dass ihre Inszenierung eine Schmückung des Inhalts bedeutet, sie jedoch – wie die Figuren der Rhetorik – auch belehren kann. Sowohl sprachlich als auch szenografisch geht es also darum, mithilfe einer Abweichung von alltäglichen Darstellungsweisen die kommunikative Effektivität zu erhöhen. Als besonders wirkungsvoll und naheliegend kann der Einsatz von Symbolen und Metaphern in Ausstellungen angesehen werden. So haben viele Exponate einen symbolischen Wert oder dienen dazu, auf einen anderen, außerhalb des Gezeigten liegenden Sachverhalt zu verweisen. Zweitgenanntes ist dabei sowohl als Metapher als auch als Synekdoche denkbar.