Dar­aus erge­ben sich Fra­gen: Wann und wie­so wirkt Spra­che wie ein Schlag, der durch­aus phy­si­sche Wir­kung hat, und wie­so wird die­se Erfah­rung in Netz­kom­mu­ni­ka­tio­nen beschleu­nigt? Und wel­che Mög­lich­kei­ten gibt es, eine offen­sicht­lich gestör­te Kom­mu­ni­ka­ti­on zu ahn­den? Nicht ein­mal bei ein­deu­ti­ger »hate speech«, mit­hin »Äuße­run­gen in Hin­blick auf Anti­se­mi­tis­mus, reli­giö­se Into­le­ranz, Anti­zi­ga­nis­mus, Homo­pho­bie und Trans­pho­bie« besteht Einig­keit in der Fra­ge, ob dies ver­bo­ten gehört oder nicht. Die Schwie­rig­kei­ten, »Face­book« dahin zu brin­gen, sich von ein­deu­ti­ger »hate speech« zu distan­zie­ren, sind hier­für ein aktu­el­les Beispiel.

Der Phi­lo­soph Ronald Dwor­kin erklär­te schon 2006 – aller­dings auf Grund­la­ge des First Amend­ment der Bill of Rights – »Free speech is a con­di­ti­on of legi­ti­ma­te govern­ment«[4] und for­der­te unein­ge­schränk­tes Rede­recht: Die Demo­kra­tie müs­se auch Fana­ti­ker aus­hal­ten, dür­fe ihnen nicht das Wort ver­bie­ten, son­dern müs­se den offe­nen Dis­kurs dage­gen set­zen, es sei denn die Red­ner tra­gen direkt zur phy­si­schen Gewalt bei.

Die Geg­ner die­ser Posi­ti­on füh­ren als ers­tes das »Sub­or­di­na­ti­on Argu­ment« auf, beto­nen, dass so Frei­heit über Gleich­heit gesetzt wür­de, da jeg­li­che Hass­re­de die Chan­cen von Min­der­hei­ten in der Gesell­schaft erschwe­re, denn die­se Reden wür­den die sozia­le Wirk­lich­keit beein­flus­sen und so den unter­ge­ord­ne­ten Sta­tus bestimm­ter Grup­pen zemen­tie­ren. Ihr zwei­tes Gegen­ar­gu­ment, das soge­nann­te »Silen­cing Argu­ment« meint, dass Betrof­fe­ne durch sexis­ti­sche und ras­sis­ti­sche Äuße­run­gen zum Schwei­gen gebracht wer­den, ihnen sowohl der Mut als auch die Chan­ce auf Auf­merk­sam­keit genom­men wür­den. So wür­de etwa sexis­ti­sche Spra­che die Rol­le der Frau fest­schrei­ben, was dann auch zu »real harm«, also kör­per­li­chen Über­grif­fen füh­ren könne.

Wobei immer zu beden­ken ist, dass ver­let­zen­de Spra­che nicht nur zur Gewalt auf­ruft, son­dern selbst gewalt­tä­tig ist. Wenn wir aber erst ein­mal anneh­men, dass Wor­te und Bil­der ver­let­zen kön­nen, müs­sen wir vor­aus­set­zen, dass wir eine Hand­lung voll­zie­hen, wenn wir uns äußern. Ein Stand­punkt, der an die lin­gu­is­ti­sche Prag­ma­tik erin­nert, die uns deut­lich gemacht hat, dass sich hin­ter der wört­li­chen Bedeu­tung einer Aus­sa­ge weit mehr ver­ber­gen kann, als die Aus­le­gung des blo­ßen Wort­lau­tes ver­mu­ten lässt. John L. Aus­tin sprach von den unter­schied­li­chen Sprech­ak­ten, unter­schied zwi­schen den kon­sta­ti­ven Äuße­run­gen, die wahr oder falsch sein kön­nen, und den per­for­ma­ti­ven, die Hand­lun­gen dar­stel­len. Per­for­ma­ti­ves Spre­chen greift in den Welt­pro­zess ein, denn es ver­än­dert etwas mit den Per­so­nen, und das muss nicht immer posi­tiv sein. Dabei macht es einen enor­men Unter­schied, ob ich als Ein­zel­ner oder im Namen einer gesell­schaft­lich legi­ti­mier­ten Instanz illo­ku­tio­nä­re Sprech­ak­te voll­zie­he, mit­hin wel­che Rol­le ich als Spre­chen­der einnehme.

Sybil­le Krä­mer[5] benennt die ent­schei­den­den drei Stra­te­gien, die ver­folgt wer­den, wenn wir ande­re mit Wor­ten oder Bil­dern ver­let­zen wollen:

1. Das unter­schei­den­de Tren­nen zwi­schen wir und sie, also die die dazu gehö­ren und die, die eben aus­ge­grenzt werden.

2. Die Ste­reo­ty­pi­sie­rung: Dif­fe­ren­zen wer­den zu Ste­reo­ty­pen, oft sogar zu Welt­bil­dern verdunkelt.

3. Abwer­tung und Her­ab­set­zung durch nega­ti­ve Konnotationen.

»Je näher der so Ange­grif­fe­ne an der Peri­phe­rie einer Gesell­schaft steht, umso bedroh­li­cher sind Dis­kri­mi­nie­run­gen: Sie dro­hen ihn über den ›Rand‹ des sozia­len Raums hin­aus­zu­ka­ta­pul­tie­ren.«[6]

Spra­che ver­letzt dem­nach jedes Mal, wenn die Unver­füg­bar­keit des Men­schen nicht akzep­tiert wird, wenn die Mög­lich­keit zur Gegen­re­de genom­men wird. Spra­che jedoch, die zur Waf­fe der Kri­tik wird und durch­aus auch ver­let­zen kann, for­dert zur Gegen­re­de her­aus, ist nach­ge­ra­de offen für sie, denn sie akzep­tiert das Gegen­über und übt Kri­tik mit dem Ziel, eine Ver­än­de­rung hin zum Bes­se­ren zu erreichen.

In den sozia­len Netz­wer­ken des World Wide Web machen wir jedoch immer öfter die Erfah­rung, dass es direkt dar­um geht, den ande­ren zu ver­let­zen oder dis­kri­mi­nie­ren­de Hand­lun­gen zu vollziehen.


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