Was gehör­te zu den For­schungs­ge­gen­stän­den einer Rhe­to­rik der Tech­nik? Zur Ant­wort sei eine unvoll­stän­di­ge Lis­te, die kei­ne Rang­fol­ge bedeu­tet, angeführt:

a) die Unter­su­chung der Spra­che der Technik;
b) die Unter­su­chung der Spra­che, mit der über Tech­nik und eine tech­ni­sier­te Welt gespro­chen und geschrie­ben wird;
c) die Unter­su­chung der Spra­che und der Argu­men­te, mit der Per­sua­si­on für oder gegen Tech­nik her­bei­ge­führt wird;
d) die Unter­su­chung der Meta­phe­ro­lo­gie der Technik;
e) die Rhe­to­ri­zi­tät der Technik;
f) eine Nar­ra­to­lo­gie der Technik;
g) die Geschich­te der Rhe­to­rik der Technik;
h) die Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen Tech­nik und Rhe­to­rik der Technik.

Im Fol­gen­den sol­len die­se Punk­te umris­sen wer­den, mehr als eine Skiz­ze kommt dabei nicht zustan­de, zu umfang­reich sind die­se Gebiete.

a) die Unter­su­chung der Spra­che der Technik

Mit dem Aus­druck »Spra­che der Tech­nik« sind sowohl ver­ba­le wie visu­el­le Spra­che ange­schnit­ten. Dazu zäh­len bei­spiels­wei­se Tech­no­lek­te, die für den tech­ni­schen Dis­kurs aus­ge­formt wer­den, es kann unter­sucht wer­den, wie Tech­nik sich äußert, sich selbst dar­stellt und ver­mit­telt und wie sie beschrie­ben wird, z. B. in Text­sor­ten, Bedie­nungs­an­lei­tun­gen oder Gebrauchs­an­wei­sun­gen, in For­meln eben­so wie in Dar­stel­lun­gen wie tech­ni­schen Zeich­nun­gen und Entwürfen.

Spä­tes­tens dann, wenn Natur-, Inge­nieur- oder Tech­nik­wis­sen­schaft­ler sich ande­ren ver­mit­teln möch­ten, gar Fach­frem­den, und ihnen Tech­no­lek­te und tech­ni­sche Zeich­nun­gen und For­meln nicht mehr wei­ter­hel­fen, müs­sen sie sich der Nor­mal­spra­che bedie­nen, auf Fach­spra­che ver­zich­ten, sich ver­mit­teln – in Wor­ten, die eine ande­re Form der Prä­zi­si­on eröff­nen, als sich das mit For­meln und Zeich­nun­gen errei­chen lässt. Sind die­se Wis­sen­schaft­ler dar­auf vor­be­rei­tet? Vor wel­chen Pro­ble­men ste­hen sie? Vor­be­rei­tet wer­den sie auf die­se ori­gi­när rhe­to­ri­sche Auf­ga­be sel­ten durch ihr Stu­di­um. Es dürf­te sich zei­gen las­sen, dass Natur-, Inge­nieur- und Tech­nik­wis­sen­schaf­ten oft einen nahe­zu nai­ven Umgang mit Spra­che pfle­gen, dass sie von den Schwie­rig­kei­ten, sich mit der Nor­mal­spra­che zu ver­mit­teln, wenig wis­sen und sich die­ses Wis­sen aus einem inter­dis­zi­pli­nä­ren Dis­kurs mit den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten nicht holen. Rhe­to­rik könn­te dabei wei­ter­hel­fen – zum Bei­spiel mit ihrem Wis­sen über Stil­qua­li­tä­ten wie Ver­ständ­lich­keit, Klar­heit und Angemessenheit.

Ein tie­fe­res Ver­ständ­nis für die Wir­kun­gen tech­ni­scher Bil­der und Visua­li­sie­run­gen in der Wis­sen­schaft lie­ße sich durch eine Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit visu­el­ler Rhe­to­rik gewin­nen. Ansät­ze der visu­el­len Rhe­to­rik wer­den hier­zu­lan­de auch in den For­schun­gen kaum auf­ge­grif­fen, die sich – wie das Exzel­lenz­clus­ter »Bild Wis­sen Gestal­tung«[19] – mit eben­sol­chen Phä­no­me­nen befas­sen, ähn­li­ches gilt für vie­le Tei­le der aktu­el­len bild­wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­sio­nen.[20]

b) die Unter­su­chung der Spra­che, mit der über Tech­nik und eine tech­ni­sier­te Welt gespro­chen und geschrie­ben wird

In sei­nem letz­ten Buch »Die zwei­te Auf­klä­rung. Vom 18. ins 21. Jahr­hun­dert« reih­te der Medi­en­wis­sen­schaft­ler Neil Post­man im drit­ten, mit »Tech­no­lo­gie« über­schrie­be­nen Kapi­tel eine Rei­he von kri­ti­schen Fra­gen auf, die an neue Tech­no­lo­gien[21] gestellt wer­den kön­nen. Die ers­te Fra­ge bei­spiels­wei­se lau­tet: »Was ist das Pro­blem, für das die­se Tech­no­lo­gie die Lösung bie­tet?«[22] Die von Post­man in der Fol­ge ange­führ­ten Fra­gen sei­en zu stel­len, wenn auf die­se ers­te Fra­ge kei­ne befrie­di­gen­de Ant­wort gefun­den wer­den könn­te. Die sechs­te von Post­mans Fra­gen an neue Tech­nik lau­tet: »Wel­che sprach­li­chen Ver­än­de­run­gen wer­den durch neue Tech­no­lo­gien erzwun­gen und was wird durch der­lei Ver­än­de­run­gen gewon­nen und was ver­lo­ren?«[23] Post­man inter­es­sier­te sich stets für die gesell­schaft­li­chen und kul­tu­rel­len Aus­wir­kun­gen von Tech­nik, und er sah, wie stark gesell­schaft­li­che und sprach­li­che, kom­mu­ni­ka­ti­ve Ent­wick­lun­gen inein­an­der ver­wo­ben sind. In die­ser Per­spek­ti­ve ver­än­dert Tech­nik also die Kom­mu­ni­ka­ti­on in einer Gesell­schaft. Dies gilt nicht allein auf einer tech­ni­schen Ebe­ne, indem Tech­nik neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­en ent­wi­ckelt, son­dern Tech­nik und, als ihr Teil, auch Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­en wir­ken auf die Spra­che zurück, mit der über Tech­nik und eine tech­ni­sier­te Welt gespro­chen und geschrie­ben wird. Damit ist nicht allein gemeint, das Tech­nik gleich­sam »Sprech­an­läs­se« schafft und Gegen­stand kom­mu­ni­ka­ti­ver Betrach­tun­gen wäre; es geht viel­mehr um eine Beob­ach­tung und Ana­ly­se der Spra­che, die wir nut­zen, um Tech­nik und über Tech­nik zu kom­mu­ni­zie­ren. Die­ses Gebiet der Rhe­to­rik der Tech­nik könn­te uns dar­über Aus­kunft geben, wie unser Ver­ständ­nis tech­ni­scher Zusam­men­hän­ge gelei­tet wird von der Spra­che, die wir zur Kom­mu­ni­ka­ti­on von Tech­nik nutzen.

Mit wel­cher Rhe­to­rik wird Tech­nik ver­mit­telt? Wel­che Rol­le spielt die Sti­lis­tik in der Tech­nik­rhe­to­rik? Gibt es eine spe­zi­fi­sche lat­in­i­tas (Sprach­rich­tig­keit) für die Tech­nik­kom­mu­ni­ka­ti­on, zudem spe­zi­el­le Aus­prä­gun­gen der per­spi­cui­tas (Klar­heit, Ver­ständ­lich­keit)? Gibt es ein spe­zi­fi­sches aptum (Ange­mes­sen­heit) in der Kom­mu­ni­ka­ti­on über Tech­nik? Die Ver­mu­tung liegt nahe, dass eine Par­al­le­le zur Wis­sen­schafts­rhe­to­rik zu kon­sta­tie­ren wäre: Dort hat sich im 17. Jahr­hun­dert eine Art »Anti-Rhe­to­rik«, ein »stil­lo­ser Stil« eta­bliert[24] – der klas­si­schen rhe­to­ri­schen Stil­qua­li­tät der Ange­mes­sen­heit wird die nüch­tern-sach­li­che Dar­stel­lung zugewiesen. 

  1. [19] s. https://www.interdisciplinary-laboratory.hu-berlin.de/de/bwg/ (Zugriff am: 1.8.2017).
  2. [20] Die­ser Man­gel ist nicht oder nicht allein denen vor­zu­wer­fen, die die guten Impul­se nicht auf­grei­fen, son­dern ver­weist eben auf die stief­müt­ter­li­che Behand­lung der Rhe­to­rik im aka­de­mi­schen Betrieb in Deutsch­land und dar­auf, dass den­je­ni­gen, die sich für eine Ver­än­de­rung die­ser Situa­ti­on ein­set­zen, noch viel Arbeit dräut auf einem lan­gen Weg. Bedenkt man, dass mit dem von Gert Ueding her­aus­ge­ge­be­nen »His­to­ri­schen Wör­ter­buch der Rhe­to­rik« eine publi­zis­ti­sche Groß­tat vor­liegt, näm­lich ein zwölf Foli­an­ten umfas­sen­des Stan­dard­werk, das die Rhe­to­rik in ihren weit­läu­fi­gen Ver­äs­te­lun­gen, Ver­tie­fun­gen und Ver­net­zun­gen wis­sen­schaft­lich zugäng­lich macht, so ist umso erstaun­li­cher, dass so vie­le Dis­zi­pli­nen ihre Anschluss­mög­lich­kei­ten an die­se Dis­kur­se nicht oder nur mäßig nutzen. 
  3. [21] Unter­schei­det man begriff­lich zwi­schen Tech­nik und Tech­no­lo­gie (i. S. von »Leh­re von …«, »Wis­sen über …«), dann wäre der von Post­man ver­wen­de­te­te Begriff »tech­no­lo­gy« wohl bes­ser mit »Tech­nik« über­setzt worden. 
  4. [22] Post­man, Neil: Die zwei­te Auf­klä­rung. Vom 18. ins 21. Jahr­hun­dert. Ber­lin 2001. S. 55. 
  5. [23] a. a. O., S. 67. 
  6. [24] vgl. Klüse­ner; Grz­e­ga, Wis­sen­schafts­rhe­to­rik, a. a. O., Sp. 1489. 

Ausgabe Nr. 11, Herbst 2017

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