Ausgabe Nr. 5, Herbst 2014: Essay

Rhetorische Hinweise für technische Redakteure

Über das Verfassen von Gebrauchsanleitungen

Von Francesca Vidal


Als ich den Ver­kaufs­lei­ter einer Küchen­ab­tei­lung bat, mir eine Gebrauchs­an­lei­tung für einen Induk­ti­ons­herd mit­zu­brin­gen und am bes­ten – aus Zwe­cken der Illus­tra­ti­on – eine nicht so gute, war sei­ne lako­ni­sche Ant­wort: »Die sind alle schlecht«, außer­dem wür­de sie eh kein Ver­brau­cher lesen, wer wol­le schon 15 Sei­ten Sicher­heits­hin­wei­se stu­die­ren – aber das müs­se halt sein. Daher kön­ne ich auch ein­fach die von mei­nem eige­nen Herd nehmen.

Das ist für tech­ni­sche Redak­teu­re – als deren End­pro­dukt die Gebrauchs­an­lei­tung bei der Ent­wick­lung eines Pro­duk­tes steht und die gera­de des­halb schon in der Pha­se der Pro­dukt­ent­wick­lung dar­an gear­bei­tet haben – eine depri­mie­ren­de, aber auch aus­sa­ge­kräf­ti­ge Aus­sa­ge, weil sie wich­ti­ge Signa­le gibt:
1. Dass die Sicher­heits­hin­wei­se sein müs­sen, sieht jeder ein, sie sind not­wen­dig, erschwe­ren aber die Les­bar­keit des Textes.
2. Nicht ein­mal ein Ver­kaufs­lei­ter, der das Pro­dukt ver­kau­fen will und aus der Arbeit der Redak­teu­re doch Argu­men­te für den Ver­kauf zie­hen könn­te, hat ein posi­ti­ves Ver­hält­nis zu sol­chen Tex­ten. Aus sei­ner Erfah­rung mit den Kun­den weiß er zudem, dass sie Anlei­tun­gen nicht lesen wol­len, da sie die­sen von vorn­her­ein kri­tisch gegen­über ste­hen. Und auch wenn die »tekom« [1] den Ver­brau­chern in ihren Tipps »Erken­nen Sie eine gute Gebrauchs­an­wei­sung« rät, den Kauf von Pro­duk­ten zu ver­wei­gern, wenn Gebrauchs- oder Mon­tag­an­lei­tung nicht ver­ständ­lich sei­en, scheint dies im Ver­kauf nie­man­den ernst­haft zu beun­ru­hi­gen. Dar­aus lässt sich die Schluss­fol­ge­rung zie­hen, dass dar­auf wenig geach­tet wird, selbst wenn die Unzu­frie­den­heit mit den Anlei­tun­gen latent vor­han­den ist.
3. Auch Benut­zer eines Induk­ti­ons­her­des erin­nern sich nicht an die Gebrauchs­an­lei­tung, selbst wenn es sich um Rhe­to­ri­ke­rin­nen handelt.

Erst der Anlass, mich mit den Auf­ga­ben von tech­ni­schen Redak­teu­ren und Redak­teu­rin­nen zu beschäf­ti­gen, führ­te zur Lek­tü­re der Gebrauchs­an­wei­sung mei­nes Induk­ti­ons­her­des und auf Grund­la­ge der Lek­tü­re zur Fest­stel­lung, dass es sich hier­bei um sehr kla­re und deut­li­che Anwei­sun­gen han­delt. Auch wür­de ich sagen, dass Hin­wei­se der »tekom«[2] durch­aus erfüllt sind wie etwa:
• Die deut­sche Fas­sung muss schnell zu fin­den sein
• Die Spra­che soll­te auf Anhieb ver­ständ­lich sein
• Sicher­heits­hin­wei­se sol­len ein­fach und her­vor­ge­ho­ben sein
• Abbil­dun­gen sol­len den Text bereichern
• For­mat, Druck­qua­li­tät und Papier müs­sen stim­men etc.

Was stört dann? War­um wird eine sol­che Anlei­tung dann nicht als gut und nütz­lich gewer­tet? Oder phi­lo­so­phisch gefragt: Was fehlt, damit sie als sol­che durch Gebrauch aner­kannt wird?

Ange­deu­tet wird dies durch den leicht ver­ständ­li­chen Satz auf S. 28 mei­ner Anlei­tung, auf der die Funk­tio­nen des Her­des erklärt wer­den. Ers­ter Satz ist die unbe­zwei­fel­ba­re Tat­sa­che, dass der Herd, um zu funk­tio­nie­ren, ein­ge­schal­tet sein muss. Wer hät­te das gedacht? Ihr mög­li­cher Ein­wand, aber dies müs­se doch gesagt wer­den, stimmt zwar, aber in Zei­ten einer Tech­nik, die den Anspruch erhebt, intui­tiv begreif­bar zu sein, erin­nert mich der Satz genau daran.


Datenschutz-Übersicht
Sprache für die Form * Forum für Design und Rhetorik

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.

Unbedingt notwendige Cookies

Unbedingt notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir deine Einstellungen für die Cookie-Einstellungen speichern können.