Ausgabe Nr. 7, Herbst 2015: Essay

Szenografie als rhetorische Disziplin

Ausstellungsgestaltung arbeitet mit persuasiven Strategien

Von Imke Kaufmann


Immer häu­fi­ger fin­den sich in der aktu­el­len Kul­tur­land­schaft Aus­stel­lun­gen, die in ihrer Aus­ge­stal­tung nicht nur infor­mie­ren und beleh­ren, son­dern vor allem unter­hal­ten wol­len. Die recht jun­ge Dis­zi­plin der Szen­o­gra­fie[1] hat sich dar­auf ver­schrie­ben, durch mul­ti­mo­da­le Insze­nie­run­gen Umge­bun­gen zu schaf­fen, die dem Besu­cher die zu ver­mit­teln­den The­men nicht nur dar­stel­len, son­dern sie durch ein durch­kom­po­nier­tes »Sto­rytel­ling« erzäh­len. Sowohl inhalt­li­che Kon­zep­ti­on als auch die kom­mer­zi­el­le Reich­wei­te vie­ler Aus­stel­lun­gen las­sen hier­bei jedoch ver­mu­ten, dass es nicht aus­schließ­lich dar­um geht, einen Inhalt durch nar­ra­ti­ve Ein­bet­tung zugäng­li­cher zu ver­mit­teln. Der deut­li­che Ein­fluss wer­be­psy­cho­lo­gi­scher Mit­tel sowie das immer grö­ßer wer­den­de Ange­bot an kom­mer­zi­el­len Begleit­pro­duk­ten zei­gen, dass eine der­ar­ti­ge Kon­zep­ti­on die Absicht ver­folgt, den Besu­cher nicht nur von der Aus­stel­lung an sich, son­dern auch von der dahin­ter ste­hen­den Mar­ke zu über­zeu­gen. Die Annah­me liegt also nahe, die in Pla­nung und Aus­for­mung fest­ge­leg­te Erschei­nungs­wei­se einer Aus­stel­lung als eine Form der Per­sua­si­on anzu­neh­men, was beson­ders durch die zuneh­mend zu beob­ach­ten­de gestal­te­ri­sche Absicht einer emo­tio­na­len Sti­mu­lie­rung des Besu­chers deut­lich wird.

Um Miss­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen, muss gesagt wer­den, dass die­se Per­spek­ti­ve in kei­ner Wei­se den kura­to­ri­schen und künst­le­ri­schen Eigen­wert einer Aus­stel­lung her­ab­set­zen möch­te, sich jedoch die Fra­ge stellt, mit wel­chen Mit­teln die Szen­o­gra­fie Stra­te­gien beför­dern kann, die einer rhe­to­ri­schen Betrach­tung stand­hal­ten und auf wel­che Wei­se die­se per­sua­siv funk­tio­nie­ren können.

Wie Räu­me Geschich­ten erzählen

Dass mitt­ler­wei­le selbst grund­sätz­lich kunst­fer­ne Ein­rich­tun­gen wie Volks­hoch­schu­len, Ein­kaufs­zen­tren, Ban­ken oder Ver­ei­ne Aus­stel­lun­gen her­vor­brin­gen, zeigt, wie sehr sich in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten ein höchst kom­mu­ni­ka­ti­ves und pres­ti­ge­för­dern­des Poten­zi­al die­ses Medi­ums her­aus­ge­bil­det hat. Somit inves­tie­ren beson­ders gro­ße Kon­zer­ne und Wirt­schafts­un­ter­neh­men, aber auch kapi­tal­star­ke Muse­en immer mehr in Aus­stel­lun­gen, die den Besu­cher durch eine ein­dring­li­che Insze­nie­rung bewe­gen und prä­gen sol­len. Im Gegen­satz zur klas­si­schen, beson­ders noch im Kunst­mu­se­um zu fin­den­den Gestal­tung, die vor­ran­gig mit der unmit­tel­ba­ren Dar­bie­tung von Ori­gi­na­len ope­riert, geht es der Szen­o­gra­fie um die Her­vor­brin­gung einer illu­si­ons­er­zeu­gen­den Erleb­nis­welt zur Ver­mitt­lung einer spe­zi­el­len Bot­schaft. Wäh­rend es im ers­ten Fall also beson­ders um eine ange­mes­se­ne und wir­kungs­vol­le Prä­sen­ta­ti­on der Objek­te geht, küm­mert sich die Szen­o­gra­fie expli­zit um den Raum und des­sen Inszenierung.

Dabei geht es vor allem dar­um, die Eigen­stän­dig­keit der Din­ge auf­zu­lö­sen und sie in ein über­ge­ord­ne­tes Kon­zept ein­zu­brin­gen. Eben dies führt zu dem Kon­zept des »Sto­rytel­ling«, eine Metho­de, die das »Ate­lier Brück­ner«, eine der inter­na­tio­nal füh­ren­den Agen­tu­ren für Szen­o­gra­fie, als ihr Kre­do for­mu­liert. In der Absicht, »Objek­te zum Spre­chen zu brin­gen«, wer­den Expo­na­te und räum­li­che Gestal­tungs­ele­men­te vom Szen­o­gra­fen als »Erzäh­ler« und »Dich­ter«[2] arran­giert und in einen neu­en Kon­text gebracht, den sich der Betrach­ter im Raum dia­lo­gisch erschlie­ßen kann. Das grund­sätz­lich vor­han­de­ne nar­ra­ti­ve Poten­zi­al einer Aus­stel­lung ist dabei durch die beson­de­re Wahr­neh­mung des Besu­chers im Raum bestimmt, die nicht allei­ne durch die Objek­te und deren Insze­nie­rung, son­dern eben­so von den raum-zeit­li­chen Umstän­den ihrer Erkun­dung geprägt wird. Dem »Ate­lier Brück­ner« zufol­ge spricht eine in Erzähl­form gestal­te­te Aus­stel­lung eine »archai­sche (…), tief im mensch­li­chen Urbe­dürf­nis wur­zeln­de«[3] Nei­gung zur Wei­ter­rei­chung von Geschichte(n) und Wis­sen an, die umso wir­kungs­vol­ler ist, als der Adres­sat durch einen per­for­ma­ti­ven Akt in eine Geschich­te inte­griert und somit selbst Teil die­ser Geschich­te wird.

Das Beson­de­re an der Aus­stel­lungs­nar­ra­ti­on ist, im Ver­gleich zu ande­ren nar­ra­ti­ven For­men, der stän­di­ge Anspruch auf Authen­ti­zi­tät sowie auf einen ver­läss­li­chen Wahr­heits­ge­halt des Dar­ge­stell­ten. Zwar kann dabei zum Zwe­cke der nach­hal­ti­gen Ver­mitt­lung ein gewis­ser, an unter­hal­ten­de oder emo­tio­na­li­sie­ren­de Ele­men­te gebun­de­ner, geis­ti­ger Trans­fer vom Besu­cher gefor­dert wer­den, den­noch steht dahin­ter in der Regel eine auf akri­bisch recher­chier­ten Fak­ten beru­hen­de Bot­schaft. Auf die­se Wei­se erlan­gen die dar­ge­stell­ten Geschich­ten einen beson­de­ren Reiz, da der Besu­cher stän­dig oszil­liert zwi­schen Unter­hal­ten­wer­den durch infor­ma­ti­ons- und nar­ra­ti­ons­be­glei­ten­de Insze­nie­rungs­maß­nah­men und dem suk­zes­si­ven Erfah­ren von Fak­ten­wis­sen durch Tex­te und Exponate.

Bei einem Blick in die aktu­el­le Aus­stel­lungs­land­schaft zeigt sich jedoch sowohl in kunst- als auch the­men­be­zo­ge­nen Aus­stel­lun­gen rela­tiv ein­deu­tig, dass der Sinn und Zweck hin­ter den immer popu­lä­rer wer­den­den nar­ra­ti­ven Gestal­tungs­wei­sen nicht allei­ne dar­in bestehen kann, die Besu­cher mit Geschich­ten zu unter­hal­ten. Bestä­tigt wird dies, wenn in Fach­bü­chern über Aus­stel­lungs­ge­stal­tung vom Besu­cher als »Ver­brau­cher« gespro­chen wird, der am Ort des Gesche­hens mög­lichst lan­ge auf­ge­hal­ten wer­den soll, oder zum Ein­satz wer­be­psy­cho­lo­gi­scher Mit­tel gera­ten wird[4]. Die zen­tra­le Moti­va­ti­on der Szen­o­gra­fie besteht somit dar­in, Wege und gestal­te­ri­sche Metho­den zu fin­den, die den Besu­cher nicht nur affek­tie­ren, son­dern nach­hal­tig prä­gen. Mit den Wor­ten von Aris­to­te­les lie­ße sich somit sagen, es gehe den Szen­o­gra­fen dar­um, »bei jedem Gegen­stand das mög­li­cher­wei­se Glau­bens­er­we­cken­de zu erken­nen«[5] und ent­spre­chend gestal­te­risch herauszuarbeiten.


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