Ausgabe Nr. 21, Herbst 2022: Mythen des Alltags

Biomüll

Wenn Reste zu Energie werden

Von Annette Lorenz


Der süß­li­che Geruch der Zer­set­zung brei­tet sich in der Küche aus. Eine Bana­nen­scha­le, eine schimm­li­ge Kar­tof­fel und drei Tee­beu­tel lie­gen ganz oben auf dem über­füll­ten Behäl­ter – hat schon wie­der nie­mand den Bio­müll raus­ge­bracht? Je län­ger der Bio­ab­fall in der Küche steht, des­to unan­ge­neh­mer wird die Auf­ga­be, ihn nach drau­ßen zu beför­dern. Oft siegt die Träg­heit des All­tags. Dann häuft sich ein Berg an Bio­mas­se an, der seit drei Tagen dar­auf war­tet, besei­tigt zu wer­den. Der Geruch ist nicht das Ein­zi­ge, das stört. Inner­halb von weni­gen Stun­den pas­siert es: Eine neue Frucht­flie­gen­ko­lo­nie wur­de in der Küche gegrün­det. Nun ent­steht, neben der Wol­ke aus Gestank, auch eine aus Flie­gen. Der Obst­korb wird bald zum nächs­ten Opfer der neu­en Haus­be­woh­ner, und ehe man sich ver­sieht, fin­det man sie auch beim Betre­ten der Dusche.

Egal, ob man sei­ne Küchen­ab­fäl­le in der Tup­per­box oder einem Desi­gner­stück mit Aktiv­koh­le­fil­ter lagert – der Zer­set­zungs­vor­gang ist nicht auf­zu­hal­ten. Frü­her oder spä­ter folgt der Gang zur Bio­ton­ne und das Säu­bern des Gefä­ßes. Seit Neus­tem im Trend ist der Wurm­kom­pos­ter, den man sich in die Woh­nung oder auf den Bal­kon stellt und mit haupt­säch­lich pflanz­li­chen Res­ten der Nah­rungs­zu­be­rei­tung befüllt. Nach Mona­ten ern­tet man eigens pro­du­zier­ten Humus – vor­aus­ge­setzt man möch­te dafür zwi­schen 80 und 500 Euro aus­ge­ben und sein Zuhau­se mit ein paar Tau­send Wür­mern teilen. 

Güns­ti­ger kommt man bei der Selbst­kom­pos­tie­rung natür­lich nur weg, sobald man einen Gar­ten sein Eigen nen­nen kann. Doch auch auf dem Kom­post im Gar­ten dür­fen nicht alle Abfäl­le lan­den, die die Küche her­gibt. So ist in Deutsch­land seit 2015 die flä­chen­de­cken­de Samm­lung von Bio­ab­fäl­len gemäß § 11 Kreis­lauf­wirt­schafts­ge­setz Pflicht.[1] Das bedeu­tet: Mit eini­gen Aus­nah­men müs­sen Städ­te und Kom­mu­nen ihren Bewoh­nern die Mög­lich­keit einer Bio­ton­ne bereit­stel­len. Mit dem Tren­nen von Müll leis­tet man einen Teil zum Schutz der Umwelt. Seit den 90er Jah­ren wird weit mehr als die Hälf­te des Haus­mülls – vor allem Alt­pa­pier, Alt­glas, Ver­pa­ckun­gen und Bio­ab­fall – stoff­lich ver­wer­tet. Das führt zu einer Scho­nung natür­li­cher Roh­stof­fe und somit zum Schutz des Kli­mas, »da beim Recy­cling weni­ger Ener­gie benö­tigt wird als bei der Neu­ge­win­nung von Roh­stof­fen«. Im Ver­gleich zu den durch die Abfall­wirt­schaft erzeug­ten Treib­haus­gas-Emis­sio­nen aus dem Jahr 1990 sind die des Jah­res 2015 um cir­ca 29 % gesun­ken, was auf die Abschaf­fung von Depo­nie­rung unbe­han­del­ter Sied­lungs­ab­fäl­le und eine ver­stärk­te stoff­li­che und ener­ge­ti­sche Nut­zung zurück­zu­füh­ren ist.[2]

Eine opti­ma­le Ver­wer­tung des Bio­ab­falls hängt von des­sen Zusam­men­set­zung ab. Hier wird unter­schie­den zwi­schen nas­sen Bio- und Spei­se­ab­fäl­len, holz­ar­ti­gen Bestand­tei­len des Grün­ab­falls und lignin- und zel­lu­lo­se­rei­chem Pflan­zen­ma­te­ri­al. Ers­te­res ist für eine Ver­gä­rung mit Bio­gas­nut­zung und anschlie­ßen­der stoff­li­cher Ver­wer­tung geeig­net, zwei­te­res zur ener­ge­ti­schen Nut­zung als Brenn­stoff in Bio­mas­se­heiz­kraft­wer­ken; das drit­te wird als Qua­li­täts­kom­post ver­wen­det. In kei­nem Fall soll­ten Fremd­stof­fe ent­hal­ten sein, denn die­se behin­dern die Ver­ar­bei­tung und machen den Bio­müll teil­wei­se sogar unbrauch­bar für die wei­te­re Ver­wer­tung. Beson­ders oft sind lei­der Kunst­stof­fe dar­in zu fin­den. Neben Man­da­ri­nen­net­zen und Frisch­hal­te­fo­lie fin­den sich Unmen­gen an »kom­pos­tier­ba­ren Müll­beu­teln«, die aller­dings nur in die Bio­ton­ne dür­fen, wenn die Kom­mu­ne die Ver­wen­dung von Bio­ab­fall­beu­teln aus bio­lo­gisch abbau­ba­ren Kunst­stof­fen erlaubt. »Bio­lo­gisch abbau­bar« bedeu­tet nicht gleich­zei­tig auch bio­ba­siert. Die Tüten bestehen nicht unbe­dingt aus nach­wach­sen­den Roh­stof­fen wie etwa Mais oder Stär­ke: Auch man­che erd­öl­ba­sier­te Kunst­stof­fe wer­den als abbau­bar beti­telt, da sie unter den pas­sen­den Bedin­gun­gen zer­setzt wer­den kön­nen. Eine Zer­set­zung unter natür­li­chen Umwelt­be­din­gun­gen braucht oft jedoch Jah­re, und nur weni­ge Kom­pos­tie­rungs­an­la­gen haben die tech­ni­sche Aus­stat­tung für die ent­spre­chen­de Zer­set­zung der Müll­beu­tel.[3] Des­halb soll­ten die Bio­ab­fäl­le lie­ber in altes Zei­tungs­pa­pier oder unbe­schich­te­te Papier­tü­ten gewi­ckelt wer­den, bevor man sie in der Ton­ne versenkt.

Wenn dann end­lich der längst über­fäl­li­ge Bio­müll raus­ge­bracht und Frucht­flie­gen­fal­len in der Küche auf­ge­stellt sind, heißt es: Bloß nicht direkt neu­en Müll pro­du­zie­ren. Viel­leicht lie­ber eine Piz­za bestel­len, um zumin­dest heu­te nichts mehr in der fri­schen Küche dre­ckig zu machen.


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