Mythen des Alltags
Biomüll
Wenn Reste zu Energie werden
Der süßliche Geruch der Zersetzung breitet sich in der Küche aus. Eine Bananenschale, eine schimmlige Kartoffel und drei Teebeutel liegen ganz oben auf dem überfüllten Behälter – hat schon wieder niemand den Biomüll rausgebracht? Je länger der Bioabfall in der Küche steht, desto unangenehmer wird die Aufgabe, ihn nach draußen zu befördern. Oft siegt die Trägheit des Alltags. Dann häuft sich ein Berg an Biomasse an, der seit drei Tagen darauf wartet, beseitigt zu werden. Der Geruch ist nicht das Einzige, das stört. Innerhalb von wenigen Stunden passiert es: Eine neue Fruchtfliegenkolonie wurde in der Küche gegründet. Nun entsteht, neben der Wolke aus Gestank, auch eine aus Fliegen. Der Obstkorb wird bald zum nächsten Opfer der neuen Hausbewohner, und ehe man sich versieht, findet man sie auch beim Betreten der Dusche.
Egal, ob man seine Küchenabfälle in der Tupperbox oder einem Designerstück mit Aktivkohlefilter lagert – der Zersetzungsvorgang ist nicht aufzuhalten. Früher oder später folgt der Gang zur Biotonne und das Säubern des Gefäßes. Seit Neustem im Trend ist der Wurmkomposter, den man sich in die Wohnung oder auf den Balkon stellt und mit hauptsächlich pflanzlichen Resten der Nahrungszubereitung befüllt. Nach Monaten erntet man eigens produzierten Humus – vorausgesetzt man möchte dafür zwischen 80 und 500 Euro ausgeben und sein Zuhause mit ein paar Tausend Würmern teilen.
Günstiger kommt man bei der Selbstkompostierung natürlich nur weg, sobald man einen Garten sein Eigen nennen kann. Doch auch auf dem Kompost im Garten dürfen nicht alle Abfälle landen, die die Küche hergibt. So ist in Deutschland seit 2015 die flächendeckende Sammlung von Bioabfällen gemäß § 11 Kreislaufwirtschaftsgesetz Pflicht.[1] Das bedeutet: Mit einigen Ausnahmen müssen Städte und Kommunen ihren Bewohnern die Möglichkeit einer Biotonne bereitstellen. Mit dem Trennen von Müll leistet man einen Teil zum Schutz der Umwelt. Seit den 90er Jahren wird weit mehr als die Hälfte des Hausmülls – vor allem Altpapier, Altglas, Verpackungen und Bioabfall – stofflich verwertet. Das führt zu einer Schonung natürlicher Rohstoffe und somit zum Schutz des Klimas, »da beim Recycling weniger Energie benötigt wird als bei der Neugewinnung von Rohstoffen«. Im Vergleich zu den durch die Abfallwirtschaft erzeugten Treibhausgas-Emissionen aus dem Jahr 1990 sind die des Jahres 2015 um circa 29 % gesunken, was auf die Abschaffung von Deponierung unbehandelter Siedlungsabfälle und eine verstärkte stoffliche und energetische Nutzung zurückzuführen ist.[2]
Eine optimale Verwertung des Bioabfalls hängt von dessen Zusammensetzung ab. Hier wird unterschieden zwischen nassen Bio- und Speiseabfällen, holzartigen Bestandteilen des Grünabfalls und lignin- und zellulosereichem Pflanzenmaterial. Ersteres ist für eine Vergärung mit Biogasnutzung und anschließender stofflicher Verwertung geeignet, zweiteres zur energetischen Nutzung als Brennstoff in Biomasseheizkraftwerken; das dritte wird als Qualitätskompost verwendet. In keinem Fall sollten Fremdstoffe enthalten sein, denn diese behindern die Verarbeitung und machen den Biomüll teilweise sogar unbrauchbar für die weitere Verwertung. Besonders oft sind leider Kunststoffe darin zu finden. Neben Mandarinennetzen und Frischhaltefolie finden sich Unmengen an »kompostierbaren Müllbeuteln«, die allerdings nur in die Biotonne dürfen, wenn die Kommune die Verwendung von Bioabfallbeuteln aus biologisch abbaubaren Kunststoffen erlaubt. »Biologisch abbaubar« bedeutet nicht gleichzeitig auch biobasiert. Die Tüten bestehen nicht unbedingt aus nachwachsenden Rohstoffen wie etwa Mais oder Stärke: Auch manche erdölbasierte Kunststoffe werden als abbaubar betitelt, da sie unter den passenden Bedingungen zersetzt werden können. Eine Zersetzung unter natürlichen Umweltbedingungen braucht oft jedoch Jahre, und nur wenige Kompostierungsanlagen haben die technische Ausstattung für die entsprechende Zersetzung der Müllbeutel.[3] Deshalb sollten die Bioabfälle lieber in altes Zeitungspapier oder unbeschichtete Papiertüten gewickelt werden, bevor man sie in der Tonne versenkt.
Wenn dann endlich der längst überfällige Biomüll rausgebracht und Fruchtfliegenfallen in der Küche aufgestellt sind, heißt es: Bloß nicht direkt neuen Müll produzieren. Vielleicht lieber eine Pizza bestellen, um zumindest heute nichts mehr in der frischen Küche dreckig zu machen.
- [1] Getrennte Sammlung von Bioabfällen ab 1. Januar 2015. https://www.bmuv.de/ME7906, Stand: 9.2.2022.
- [2] Klimaverträgliche Abfallwirtschaft. URL: https://www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/klimavertraegliche-abfallwirtschaft#abfallbehandlung-schutzt-heute-das-klima, Stand: 9.2.2022.
- [3] Quarks: Darum sind Biomüllbeutel nicht umweltfreundlich. https://www.quarks.de/umwelt/muell/darum-sind-bio-muellbeutel-nicht-umweltfreundlich/, Stand: 9.2.2022.