Buchbesprechung

»Der Rhetor ist Kommunikationsdesigner«

Gesche Joost schreibt über die Rhetorik des Films

Eine Rezension von Romina Maidel


Das Buch »Bild-Spra­che: Die audio-visu­el­le Rhe­to­rik des Films« ist die Suche nach einer Sys­te­ma­tik in der Spra­che des Films. »Wie wer­den rhe­to­ri­sche Gestal­tungs­mit­tel im Film ein­ge­setzt? Wel­chen Regeln folgt ihr Ein­satz? Und wie kann ihre Komposi­tion im Film sicht­bar gemacht wer­den?« Die­se Fra­gen möch­te die Autorin beant­wor­ten und so die Grund­zü­ge einer audio­visuellen Rhe­to­rik skiz­zie­ren. Das Buch ist die Dis­ser­ta­ti­on von Gesche Joost. Des­halb wird der For­schungs­zu­sam­men­hang aus­führ­lich und gründ­lich erläu­tert. Auch die Refle­xi­on und Beschrei­bung der von ihr ent­wi­ckel­ten Metho­de neh­men viel Raum ein.

Die Autorin hat sich das Ziel gesetzt, das Poten­zi­al einer audio­visuellen Rhe­to­rik zu beschrei­ben und eine theo­re­ti­sche Metho­de zu ent­wi­ckeln, um Fil­me bes­ser ana­ly­sie­ren zu kön­nen. Die­se Metho­de wird anhand einer Fall­stu­die erprobt.

Die Arbeit ist in vier Tei­le geglie­dert. Im ers­ten Teil geht sie auf die Rhe­to­rik und deren Geschich­te ein. Von der Beschrei­bung der Poten­tia­le der audio-visu­el­len Rhe­to­rik, wobei sie hier bewusst die Grup­pe der inter­ak­ti­ven Medi­en aus­klam­mert, lei­tet sie über zum Stand der For­schung auf die­sem Gebiet. Hier­bei ver­gleicht sie ver­schie­de­ne Theo­rien und Arbei­ten, setzt die­se zuein­an­der in Bezie­hung und stellt sie ein­an­der gegenüber.

Im zwei­ten Teil geht sie auf das Zei­chen­sys­tem des Films ein. Hier­bei nimmt sie Bezug auf die Film­theo­rie von Chris­ti­an Metz und stellt die The­se auf, dass Film »grund­sätz­lich auf der basa­len Ebe­ne sei­ner Zei­chen rhe­to­risch struk­tu­riert ist«. Mit­hilfe des Zwei-Ach­sen-Modells von Para­dig­ma und Syn­tag­ma beschreibt sie die rhe­to­ri­sche Struk­tur und den Bedeutungsauf­bau von Fil­men. Gleich­zei­tig bil­det die­ses Modell die Grund­la­ge für das von ihr kon­zi­pier­te Nota­ti­ons­sys­tem zur Visua­li­sie­rung die­ser Struk­tur. Die­ses Nota­ti­ons­sys­tem ist eine Metho­de, die den Film nicht auf rein sprach­li­che, son­dern vor allem visu­el­le und dyna­mi­sche Wei­se ana­ly­siert. Sie bie­tet Ana­ly­sen und Visu­alisierungen eini­ger Bei­spiel-Sze­nen auf ihrer Home­page www.geschejoost.org in Form von kur­zen Videosequenzen.

Im drit­ten Teil beschäf­tigt Joost sich mit den Grund­zü­gen der Rhe­to­rik in Bezug auf das Medi­um Film. In die­ser Beschrei­bung geht es nicht um eine all­ge­mei­ne Film­theo­rie, son­dern um eine rhe­to­ri­sche Per­spek­ti­ve auf die kom­mu­ni­ka­ti­ve Funk­ti­on des Films. Sie ver­sucht zu klä­ren, auf wel­che Mus­ter oder Sys­te­me man sich bezie­hen kann, um erfolg­reich zu kom­mu­ni­zie­ren. Um ihre Metho­de zu erpro­ben und zu bele­gen, lie­fert sie im vier­ten Teil eine Fall­stu­die zum Werk von Ser­gej Eisen­stein, das sie als bei­spiel­haft für die Anwen­dung rhe­to­ri­scher Stra­te­gien im Film bezeichnet.

Gesche Joost beschreibt eine Film-Rhe­to­rik, die weit über The­men wie Mani­pu­la­ti­on und Pro­pa­gan­da hin­aus­geht und einen völ­lig ande­ren Ansatz und ein völ­lig ande­res Ziel hat. Sie fasst die Rhe­to­rik als Wis­sen­schaft für kom­mu­ni­ka­ti­ve Pro­zes­se auf und bezieht den Film als eine Form der Kom­mu­ni­ka­ti­on folge­richtig in den Bereich der Rhe­to­rik ein.

Sie hat eine neue Ana­ly­se­me­tho­de ent­wi­ckelt, die dem Medi­um gerecht wird. Indem die Ana­ly­se selbst dyna­misch ist, geht sie auf die­se Beson­der­heit des Medi­ums Film ein. Auch schlägt Gesche Joost die Brü­cke zur Pra­xis, indem sie das Notationssys­tem nicht nur als Ana­ly­se­instru­ment betrach­tet und beschreibt, son­dern auch als Gene­rie­rungs­ap­pa­rat. Sie schafft es also über den Begriff der Rhe­to­rik von der Ana­ly­se zur Pro­duk­ti­on zu kommen.

Das Buch ist sehr dicht und infor­ma­tiv. Das wirkt bei der Schil­derung des For­schungs­zu­sam­men­hangs, etwas ermü­dend. Ab­gesehen davon wird die Metho­de ver­ständ­lich und ein­leuch­tend erklärt, was das Buch für Film­schaf­fen­de, die sich mit Filmthe­orie aus­ein­an­der­set­zen wol­len, sehr lesens­wert macht. Auch für Gestal­ter ist das Buch inter­es­sant, weil es die Rhe­to­rik nicht als Kunst der Rede auf­fasst, son­dern als Wis­sen­schaft aller kommu­nikativen Pro­zes­se. Damit wird die Bedeu­tung die­ses Buchs auch für den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­si­gner deut­lich, denn vie­les von dem, was Gesche Joost über den Film schreibt, lässt sich auch auf das Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign über­tra­gen. »Bild-Spra­che: Die audio­visuelle Rhe­to­rik des Films« ist also nicht nur ein Buch für Fil­me­ma­cher, son­dern für alle Gestal­ter von Kommunikation.


Ausgabe Nr. 1, Herbst 2012

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