Bur­ke stellt sich die Fra­ge, wie Hand­lun­gen Bedeu­tung erlan­gen kön­nen, und wie die­se ver­stan­den wer­den. Kurz para­phra­siert: Eine Hand­lung wird ver­ständ­lich als eine Hand­lung in einer bestimm­ten Situa­ti­on. Eine Hand­lung zu ver­ste­hen, meint daher immer eine Situa­ti­on zu inter­pre­tie­ren. Ein ein­fa­ches Bei­spiel: Das lan­ge Reden eines Ein­zel­nen bei gleich­zei­ti­gem Schwei­gen der Mehr­heit wird ver­ständ­lich, wenn es sich um eine Vor­trags­si­tua­ti­on han­delt. Und eben­so gilt anders­her­um: Eine als Vor­trags­si­tua­ti­on bestimm­te Gege­ben­heit macht eine Rei­he von Hand­lun­gen ver­ständ­lich und wahr­schein­lich und schließt eine Rei­he ande­re als unan­ge­mes­sen aus. Wir kön­nen nach Bur­ke zwar nicht en Detail von einer Situa­ti­on auf kon­kre­te Hand­lun­gen schlie­ßen, wohl aber aus der – wie er sagt – Qua­li­tät einer Situa­ti­on auf die Qua­li­tät mög­li­cher, ange­mes­se­ner Hand­lun­gen. Die­se Qua­li­tät nennt Bur­ke ein Motiv. In der Rhe­to­rik geht es schließ­lich dar­um der­ar­ti­ge Moti­ve aus­zu­drü­cken und per­sua­siv umzu­set­zen, so dass Situa­tio­nen bestimmt wer­den, bzw. neu bestimmt wer­den. Durch rhe­to­ri­sche Inter­ven­tio­nen jeman­den etwas anders als zuvor sehen zu las­sen, Mei­nun­gen und Gefüh­le gegen­über einer Sache zu ver­än­dern, meint hier­nach: Aus­drucks­for­men zu fin­den, die Moti­ve so aus­drü­cken, dass der Zuhö­rer oder Betrach­ter Situa­tio­nen über­den­ken kann und folg­lich Hand­lun­gen neu bewer­ten wird. Bur­ke spricht von einem »attempt to rede­fi­ne the situa­ti­on its­elf.«[3]

Im Kern geht es hier­bei immer um eine Inter­pre­ta­ti­on von etwas als etwas ande­res – eine meta­pho­ri­sche Erwei­te­rung der Bedeu­tung oder anders gesagt: eine seman­ti­sche Iden­ti­fi­ka­ti­on. Unab­hän­gig von den Fra­gen, ob Bil­der argu­men­tie­ren, negie­ren oder prä­po­si­tio­na­le Gehal­te aus­drü­cken kön­nen, ent­spricht die­ser Form der seman­ti­schen Iden­ti­fi­ka­ti­on bereits ein all­täg­li­cher Akt im Umgang mit Bil­dern: das Zei­gen. [4] Indem ich hier ein Bild zum Zei­gen ver­wen­de, las­se ich euch etwas als etwas Bestimm­tes sehen. Visu­el­le Rhe­to­rik soll­te daher das Zei­gen mit Arte­fak­ten the­ma­ti­sie­ren und zwar in der Struk­tur: Zei­gen ist das Sehen-las­sen von etwas als etwas. [5] Rhe­to­risch wird die­ser Zei­ge­akt inter­es­sant, wenn durch den Ein­satz visu­el­ler Medi­en nicht nur ein Objekt refe­ren­ti­ell iden­ti­fi­zier­bar und in sozia­ler Hin­sicht inter­pre­tier­bar wird, son­dern wenn damit eine gan­ze Situa­ti­on bestimmt wird. Eine hier ange­nom­me­ne Hypo­the­se ist es, dass Spie­le (vor allem Video­spie­le) visu­el­le Medi­en hier­für rhe­to­risch nut­zen (kön­nen und soll­ten): Spie­le die­ser Art lie­fern durch Zei­ge­ak­te visu­el­le Schlüs­sel, um von der Trans­for­ma­ti­on einer blo­ßen Gege­ben­heit zu einer bestimm­ten, hand­lungs­lei­ten­den Situa­ti­on zu über­zeu­gen. Damit wer­den unter ande­rem durch die visu­el­len Rhe­to­rik der Spie­le, Spiel­wel­ten als sinn­vol­le Wel­ten (in je unter­schied­li­cher Art) bestimmt. Die Auf­ga­be einer visu­el­len Rhe­to­rik des Game­de­sign wür­de dann vor allem dar­in bestehen, rhe­to­ri­sche Stra­te­gien und Topoi aus­fin­dig zu machen, die genutzt wer­den kön­nen um die­sen Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess in gewünsch­ter Wei­se anzu­sto­ßen. Dabei kann – auf­grund der Struk­tur­ähn­lich­keit des Kon­zep­tes – die Ana­ly­se von Affor­dan­zen, wie sie von Gib­son, Nor­man oder Krip­pen­dorff im Kern bestimmt wer­den, sinn­voll sein. [6]

Situa­tio­nen sind immer schon moti­va­tio­nal, d. h. hand­lungs­lei­tend besetzt. Schie­re Gege­ben­hei­ten las­sen kei­ne Rück­schlüs­se dar­auf zu, wie die­se bewäl­tigt wer­den könn­ten. Situa­ti­ons­in­ter­pre­ta­ti­on und Pro­blem­i­den­ti­fi­ka­ti­on gehen damit stets Hand in Hand. Wie Björn Blan­ken­heim am Bei­spiel der »Lem­min­ge« zeig­te, waren es so auch die Gedan­ken an pro­blem-sol­ving und decis­i­on-making, die tra­gend für die visu­el­le Umset­zung von »Lem­min­ge« wur­den. [7]

  1. [3] Bur­ke 1984. S. 220. 
  2. [4] gl. Wie­sing, Lam­bert: Sehen las­sen. Die Pra­xis des Zei­gens. Ber­lin 2013. 
  3. [5] Wie­sing schreibt:»Zeigen ist das Sehen-Las­sen von etwas Inten­dier­tem.« (Wie­sing 2013, S. 21) Ein­ge­denk, dass inten­tio­na­le Zei­ge­ak­te sich sowohl durch eine refe­ren­ti­el­le (was soll gezeigt wer­den?) als auch sozia­le Inten­ti­on (wozu soll etwas gezeigt wer­den?) aus­zeich­nen, meint das Sehen-Las­sen von etwas Inten­dier­tem immer auch das Sehen-Las­sen etwas als etwas, wor­in sich gera­de die sozia­le Inten­ti­on des Zei­ge­ak­tes äußert (vgl. auch: Toma­sel­lo: Die Ursprün­ge der mensch­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on. Frank­furt am Main 2009.; Smo­lar­ski, Pierre: Rhe­to­ri­sche Zir­ku­la­ri­tät – Über »com­mon ground« und »shared inten­tio­na­li­ty« bei Ken­neth Bur­ke und Micha­el Toma­sel­lo. (erscheint 2014)) 
  4. [6] vgl. Gib­son, James, J.: The Eco­lo­gi­cal Approach to Visu­al Per­cep­ti­on. New York 1986.; Krip­pen­dorff, Klaus: Die seman­ti­sche Wen­de. Eine neue Grund­la­ge für Design. Basel 2013.; Nor­man, Donald: The Design of Ever­y­day Things. Revi­sed and Expan­ded Edi­ti­on. New York 2013. 
  5. [7] Blan­ken­heim, Björn: Visu­el­le und vir­tu­el­le Model­le Zum Pro­blem rhe­to­ri­scher Begriff­lich­kei­ten im Game Design. In: Fried­rich, Vol­ker (Hg.): Spra­che für die Form – Forum für Design und Rhe­to­rik. Aus­ga­be Nr. 4, Früh­jahr 2014. http://www.designrhetorik.de/?page_id=4201