Geschichts­wis­sen­schaft­li­che Arbei­ten, die sich mit visu­el­len Quel­len aus­ein­an­der­set­zen, las­sen sich in drei Kate­go­rien unter­tei­len, so die His­to­ri­ke­rin Chris­ti­ne Brocks. Jeder die­ser Grup­pen liegt ein ande­res Bild­ver­ständ­nis zugrun­de, das wie­der­um ver­schie­de­ne Metho­di­ken und Fra­ge­stel­lun­gen impli­ziert. Doch allen Posi­tio­nen ist gemein­sam, dass den Unter­su­chungs­ge­gen­stand inner­halb der jewei­li­gen Ana­ly­se kei­ne illus­trie­ren­de, son­dern eine argu­men­ta­ti­ve Funk­ti­on zukommt.[20]

Ein­mal kön­nen visu­el­le Quel­len als Beweis in der Argu­men­ta­ti­ons­füh­rung die­nen.[21] Hier steht die Sicht­wei­se der­je­ni­gen Per­son im Vor­der­grund, die bei­spiels­wei­se Bil­der für die eige­ne Argu­men­ta­ti­on benutzt. Dabei besteht jedoch die Gefahr, die­se als detail­ge­treue Abbil­dun­gen der Wirk­lich­keit anzu­se­hen. Visu­el­le Pro­duk­te geben jedoch Rea­li­tät nie eins zu eins wie­der, sie sind immer in einen (kul­tu­rel­len) Pro­duk­ti­ons­pro­zess ein­ge­bun­den. Dies bedeu­tet: His­to­ri­ke­rin­nen und His­to­ri­ker über­neh­men Bil­der nicht unre­flek­tiert als Beweis­mit­tel für Ver­gan­gen­heit und zei­gen: So ist es gewe­sen. Sie nähern sich die­sen quel­len­kri­tisch und beach­ten auch deren Ent­ste­hungs­kon­text und Verwendungszusammenhang.

Eine zwei­te Per­spek­ti­ve begreift Bil­der als Kon­struk­ti­on von Wirk­lich­keit.[22] Hier­bei ana­ly­sie­ren Geschichts­wis­sen­schaft­le­rin­nen und -wis­sen­schaft­ler die­se in Abhän­gig­keit von deren Her­stel­lung. In die­ser Argu­men­ta­ti­ons­struk­tur liegt der Fokus daher auf den Pro­du­zen­ten der unter­such­ten Quel­len. Es inter­es­siert, wie die Her­stel­ler mit­hil­fe von Bil­dern Argu­men­te erzeu­gen. Gesucht wird etwa nach kol­lek­ti­ven Deu­tun­gen oder Gewohnheiten.

Die drit­te Mög­lich­keit, visu­el­le Erzeug­nis­se als Argu­men­te zu ver­wen­den, zielt auf die Rezi­pi­en­ten.[23] Sie schreibt Bil­dern eine eige­ne Kraft zu, den Betrach­ter zum Han­deln zu ani­mie­ren. Die soge­nann­te »Theo­rie des Bild­akts«[24] geht auf den Kunst­his­to­ri­ker Horst Bre­de­kamp zurück. Er misst Bil­dern die Fähig­keit bei, Wirk­lich­keit mit­zu­ge­stal­ten. Denn sie bil­den Wis­sen nicht nur ab, son­dern gene­rie­ren die­ses auch.[25] Der His­to­ri­ker Ger­hard Paul über­trägt die­sen Ansatz auf sei­ne Dis­zi­plin. Für ihn ent­ste­hen Bil­der in Hin­blick dar­auf, mit den Betrach­tern in Kom­mu­ni­ka­ti­on zu tre­ten; sie beein­flus­sen – mit ihren eige­nen Gesetz­mä­ßig­kei­ten – Poli­tik, Kul­tur und Öko­no­mie.[26]

Was lässt sich fest­hal­ten? Auf­grund der sich ver­än­dern­den Dis­kurs­kul­tur soll­ten wir laut Fried­rich die Wir­kung des Visu­el­len bes­ser ver­ste­hen ler­nen, ins­be­son­de­re in sei­ner Inter­ak­ti­on mit der Spra­che. Nur dadurch lässt sich auch in Zukunft wei­ter­hin ver­bal ange­mes­sen argu­men­tie­ren. Er for­dert eine »Argu­men­ta­ti­ons­leh­re des Visu­el­len«[27], die zual­ler­erst die Wir­kung von Visu­el­lem und Rhe­to­ri­schem erforscht. Ziel ist es, Infor­ma­tio­nen über die »Wirk­sam­keit und Steu­er­bar­keit des Visu­el­len im rhe­to­ri­schen Akt«[28] zu erhal­ten, vor allem mit­tels der Unter­su­chung, wie Visu­el­les und Sprach­li­ches auf­ein­an­der Bezug neh­men und sich gegen­sei­tig beeinflussen.

Egal, ob das Visu­el­le nun selbst als Argu­ment auf­tritt oder ob es ver­bal­sprach­li­cher Argu­men­ta­ti­on dient und die­se unter­stützt, wich­tig ist in bei­den Fäl­len, und auch so von Fried­rich gefor­dert, die Text-Bild-Bezie­hung zu unter­su­chen. Hier­zu ist es wich­tig, den spe­zi­fi­schen Zusam­men­hang sowohl von Bild und Logik als auch von Den­ken und Visua­li­tät zu erfas­sen.[29] Denn auf­grund ihrer gemein­sa­men Ent­ste­hungs­ge­schich­te »las­sen sich die Kul­tur­tech­ni­ken Bild, Schrift und Zahl nicht strikt von­ein­an­der tren­nen, viel­mehr wei­sen sie wech­sel­sei­ti­ge Ele­men­te des jeweils ande­ren auf«[30]. Den gemein­sa­men Nen­ner könn­te die Wir­kungs­in­ten­ti­on[31] dar­stel­len, da sowohl die Pro­duk­ti­on von Sprach­li­chem als auch Visu­el­lem auf die Rezi­pi­en­ten wir­ken und die­se über­zeu­gen soll. Gera­de im Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign spie­len Bild und Text inein­an­der, wird Bild text­lich und Text bild­lich. Einer der Zusam­men­hän­ge zwi­schen Visu­el­lem und Sprach­li­chem ist dabei der Beginn des In-Kom­mu­ni­ka­ti­on-Tre­tens. Die­ser läuft über spe­zi­ell visu­el­le Wege ab, auch wenn nur Text zu sehen ist: den »Akt der Betrach­tung«[32]. Auch inso­fern grei­fen Visu­el­les und Rhe­to­ri­sches inein­an­der und spielt Ästhe­ti­sches eine wich­ti­ge Rol­le. Hier könn­te ein auf die Bezie­hung von Visu­el­lem und Rhe­to­ri­schem umge­deu­te­ter Satz von Gott­fried Boehm als Schluss­wort die­nen. Die­ser gibt eine Ant­wort dar­auf, was auf einem Bild das Wich­tigs­te ist: »Nicht das eine oder das ande­re, son­dern das eine im ande­ren.«[33]


Ausgabe Nr. 4, Frühjahr 2014

Datenschutz-Übersicht
Sprache für die Form * Forum für Design und Rhetorik

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.

Unbedingt notwendige Cookies

Unbedingt notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir deine Einstellungen für die Cookie-Einstellungen speichern können.