Buchbesprechung
“Control the narrative”
Ellen Lupton über »Storytelling« im Design
Jedes Designprodukt erzähle eine Geschichte, so der Standpunkt der Autorin Ellen Lupton und der Ausgangspunkt ihres Buches »Design is Storytelling«. Im Buch untersucht die Autorin die Psychologie der visuellen Kommunikation aus Sicht des »Storytellings« und regt an, »Storytelling« im Design zu nutzen. »Design is Storytelling« ist eine Inspiration und Sammlung für kreatives Denken, das zeigt, wie mit narrativen Techniken bedeutende Grafiken, Produkte, Dienstleistungen und Erlebnisse gestaltet werden können.
Das Buch »Design is Storytelling« ist in die Bereiche »Action« (S. 3), »Emotion« (S. 3) und »Sensation« (S. 3) gegliedert. Im ersten Kapitel, »Action«, wird das Grundgerüst des »Storytellings« beschrieben. Anhand literarischer Geschichten werden der schematische Aufbau einer Geschichte erklärt und verschiedene Strategien zum Festlegen einer Narration gezeigt. Beispiele aus dem Design unterstützen das Geschriebene. Das zweite Kapitel, »Emotion«, handelt von der Ausgestaltung einer Geschichte. Hier geht es um die Emotionen, die mit bestimmten gestalterischen Mitteln beim Betrachter ausgelöst werden sollen. Das dritte Kapitel des Buches, »Sensation«, ist der Wahrnehmung gewidmet. Man erfährt, wie ein Mensch Dinge wahrnimmt und wie man diese Wahrnehmungsmuster für die Gestaltung eines Designproduktes nutzen kann. Am Ende des Buches gibt es zusätzliche Hilfestellungen, die die erlernten »Tools« (S. 12) ergänzen.
Im ersten Kapitel, »Act 1: Action« (S. 15), wird der Handlungsaufbau einer Geschichte veranschaulicht. Am Beispiel des klassischen Märchens »Die drei kleinen Schweinchen« macht Lupton den Aufbau eines Erzählbogens sichtbar und zeigt, anhand der Raumgestaltung von »Ikea« und verschiedenen Ausstellungsräumen, wie der »Narrative Arc« (S. 22) im Design genutzt wird und welche unterschiedliche Wirkungen beim Kunden hervorgerufen werden können. Der Kunde soll zum Held der Geschichte werden, die der Designer entstehen lässt: »control the narrative« (S. 31). “Sounds, Materials, and graphics add atmosphere and build dramatic tension.” (S. 33) Mehrere Illustrationen verbildlichen das Beschriebene. Wie sich die Wichtigkeit dieser »experience economy« (S. 66) von der Vergangenheit bis hin zur Gegenwart entwickelt hat, wird im zweiten Kapitel thematisiert. In der zweiten Hälfte des ersten Kapitels werden Techniken genannt, mit denen man den Erzählbogen im Designprozess abbilden kann. Mit dem »Storyboard« (S. 34) soll man die Szenen eines Films und den Nutzerverlauf von interaktiven Medien darstellen können, die »Rules of Threes« (S. 40) helfe bei der Entwicklung überraschender Geschichten, und »Scenario Planning« (S. 44) und »Design Fiction« (S. 50) erweitern das Wissen zur Gestaltung von Geschichten.
In zweiten Kapitel, »Act 2: Emotion« (S. 57), werden gestalterische Mittel gezeigt, mit denen man den Inhalt einer Geschichte detailliert ausschmücken und Emotionen beim Betrachter auslösen kann, um ihn zur Handlung zu Bewegen. Zu Beginn des Kapitels beschreibt Lupton, wie Emotionen entstehen und welche Grundbedürfnisse des Menschen erfüllt sein müssen, um bestimmte Emotionen wecken zu können. Designer sollen sich zu Beginn des Designprozesses überlegen, welche Emotionen beim Betrachter ausgelöst werden müssen, um ihn zur Handlung zu bewegen (“Emotion triggers action”, S. 60). Um das Nutzererlebnis eines Kunden nachvollziehen zu können, empfiehlt Lupton allen Designern, im Rahmen der »emotional journey« (S. 72) eigene erfahrbare Situationen zu beobachten und zu bewerten. Dadurch soll der Designer feststellen können, welche Aktionen angenehm waren und welche verbessert werden könnten. Diese gewonnenen Erkenntnisse sollen im Entwicklungsprozess eines Designproduktes verwendet werden. Luptons beliebtes Beispiel der Märchen spielt auch hier wieder eine Rolle (“Imagine that Cinderella’s fairy godmother is a digital product. What ratings would this fictional app earn for customer experience?”, S. 76). Komplementierende Strategien während des Designprozesses seien die Erstellung von »Personas« (S. 90) und die Überprüfung von Designideen mithilfe der »Co-creation« (S. 82). In »Color and Emotion« (S. 104) wird über die kulturell abhängige Bedeutung von Farben gesprochen und wie in der Designbranche diese unterschiedlichen Wahrnehmungen genutzt werden. Und in »Emoji« (S. 100) zeigt Lupton anhand mehrerer Illustrationen, welche Wirkungsweisen die unterschiedlichen Positionierungen von einfachen Strichen haben können.
Im dritten Kapitel, »Act 3: Sensation« (S. 113), spricht Lupton über die Art, wie das Gehirn Dinge wahrnimmt und wie dies für die Gestaltung genutzt werden kann. Hinterlegt werden die Schilderungen mit verschiedenen Studien. Beispiele, mit denen der Leser die beschriebene Wahrnehmung testen kann, liefert Lupton gleich mit. Zudem stellt Lupton Plakate und Illustrationen vor, bei denen das Wissen, in welcher Reihenfolge das Auge Dinge wahrnimmt, genutzt wurde, um bildhafte Hierarchien entstehen zu lassen, die zu Geschichten werden. Dass sich ein Designer nicht nur auf die visuelle Gestaltung konzentrieren soll, zeigt Lupton mit dem »Tool« »Multisensory Design« (S. 142). Mit dem Ansprechen von Geschmacks-, Hör- und Tastsinn könne ein Designprodukt oder eine Dienstleistung vollkommen abgerundet werden – und eine Sensation entstehen.
Am Ende des Buches gibt Lupton zusätzliche Hilfestellungen, die die erlernten Fähigkeiten des »Storytellings« ergänzen sollen. Mit »Improve your writing« (S. 154) soll man das Schreiben von Texten verbessern können, mit »Project Generator« (S. 156) das »Storytelling« anhand vorgegebener Themen üben. Durch die angegebenen Kapitel, auf die sich die jeweilige Übung bezieht, lässt sich der Inhalt des Buches verinnerlichen. Das Buch wird mit einer Checkliste zusammengefasst, mit der man eigene Designprodukte auf die im Buch beschriebenen Aspekte des »Storytellings« überprüfen kann.
Luptons Buch »Design is Storytelling« ist eine Sammlung hilfreichen Wissens und Techniken, mit denen man das »Storytelling« in seiner Designarbeit verbessern kann. Zu jedem Thema und jeder Grafik gibt es Quellenverweise, die ermöglichen, sich näher über das jeweilige Thema zu informieren. Nachdem man den Anfang des ersten Kapitels gelesen hat, sind die »Tools« innerhalb der Kapitel so unterteilt, dass sie alleine verständlich sind und nicht in der angegebenen Reihenfolge gelesen werden müssen. Bei den Einteilungen des Buches hat Lupton Bezeichnungen aus dem Theater übernommen. Das Buch wird eingeleitet mit “Curtain is closed. Stage is dark” (S. 4) und beendet mit “Curtain close, and house lights come up. Search the area for personal belongings.” (S. 152) Die Kapitel sind wie Szenenanfänge beschrieben: »Act 1« (S. 15), »Act 2« (S. 57), »Act 3« (S. 113). Lupton spricht also nicht nur im Text über das »Storytelling«, es wird auch gestalterisch direkt angewandt. So hat der Leser das Gefühl, beim Lesen in ein Schauspielstück einzutauchen und das »Storytelling« selbst zu erleben.
Ellen Luptons Schreibstil ist leicht verständlich, thematische Fachwörter werden in einem einfachen Englisch wiedergegeben. Sie spricht den Leser direkt an und sorgt für ein Gefühl des realen Gespräches. Der Text ist humorvoll geschrieben und angenehm zu lesen. Dass Ellen Lupton eine langjährige Kuratorin für zeitgenössisches Design war, merkt man vor allem bei den Beispielen im Interior Design. Die vorgezeigten, teils auch sehr bekannten, Beispiele und begleitenden Grafiken unterstützen das Geschriebene und betonen, dass »Storytelling« im erfolgreichen Design schon lange praktiziert wird. Von Kommunikationsdesignern, Produktdesignern und Editorial Designern bis hin zu Markenstrategen, Studenten und Kunden – empfehlenswert ist das Buch für »anyone interested in using design to inspire action and stir emotion« (S. 6).