Mit den Mög­lich­kei­ten, das Vor­läu­fi­ge schnel­ler hin­ter sich zu las­sen, hat sich die Wahr­neh­mung der Land­schaft und auch die prak­ti­sche Bedeu­tung des natür­li­chen Hori­zonts ver­än­dert. Was ein­mal eini­ge Tages­rei­sen ent­fernt lag, ist mit heu­ti­gen Fahr­zeu­gen in weni­gen Stun­den zu errei­chen, wobei Navi­ga­ti­ons­ge­rä­te die Ori­en­tie­rung auch zu Lan­de über­neh­men. Mathe­ma­ti­sche und tech­ni­sche Funk­tio­nen erfüllt der künst­li­che Hori­zont. Gelän­de­infor­ma­tio­nen ver­mit­telt auch der vir­tu­el­le Glo­bus. Wis­sen­schaft­li­chen, mili­tä­ri­schen und kom­mer­zi­el­len Zwe­cken haben schon seit lan­gem hori­zont­lo­se Auf­nah­men aus der Luft gedient. Die Kunst hat extre­men Per­spek­ti­ven ohne Halt am natür­li­chen Hori­zont ästhe­ti­sche Ein­sich­ten abge­won­nen – ob dem Blick senk­recht nach unten auf ein Stück Erd­ober­flä­che oder steil nach oben in einen Aus­schnitt des Him­mels. Die Auf­merk­sam­keit wird auf die Erschei­nun­gen in den Gren­zen eines Bil­des gelenkt, deren Kon­text  ist aus­ge­blen­det. Was man auch sieht, es bleibt ohne Bezug zum raum-zeit­li­chen Zusam­men­hang der umge­ben­den Welt.

Wer jedoch weder mit gesenk­tem Blick noch wie Hans-Guck-in-die-Luft her­um­läuft, sieht die vier­di­men­sio­na­le Rea­li­tät sei­ner Umge­bung unwei­ger­lich im Rah­men des Hori­zonts, der ihn in sei­ner Abhän­gig­keit von ört­li­chen Gege­ben­hei­ten und indi­vi­du­el­len Blick­win­keln als beweg­li­che Kon­stan­te beglei­tet. Das Zusam­men­spiel von Nähe und Fer­ne, Aus­deh­nung und Begren­zung ist zudem essen­ti­ell für das ästhe­ti­sche Kon­strukt »Land­schaft«, wie es zu Beginn der Neu­zeit in den Köp­fen von Men­schen entstand.

Das Land­schaft-Sehen voll­zieht sich zwar in unzäh­li­gen Bli­cken ein­zel­ner Betrach­ter. Nur indi­vi­du­ell wahr­nehm­bar, hat der jeweils sicht­ba­re Hori­zont als visu­el­ler Anker der Raum­er­fah­rung aber doch etwas Ver­bin­den­des. Wo immer jemand den Blick auf den Hori­zont einer Land­schaft rich­tet, befin­det er sich in ima­gi­nä­rer Gesell­schaft all der ande­ren, die vor ihm dort stan­den. Nach allem Auf und Ab der bestie­ge­nen Ber­ge und durch­quer­ten Täler an der Küs­te des Mee­res ange­kom­men, kann er Kon­takt zurück über Jahr­tau­sen­de auf­neh­men und sich mit eige­nen Augen aufs Neue von der Kugel­ge­stalt der Erde über­zeu­gen. Wie einst Aris­to­te­les sieht er auf der sphä­ri­schen Flä­che des Was­sers zunächst den Rumpf, dann erst die Segel aus­lau­fen­der Schif­fe hin­ter der Kimm­li­nie ver­schwin­den, die hier visu­ell-ästhe­ti­sche und tech­nisch-mathe­ma­ti­sche Bestim­mun­gen von natür­li­chem und künst­li­chem Hori­zont ver­bin­det. Mit dem Able­gen vom Land wird schließ­lich auch der Anker der Raum­er­fah­rung gelich­tet. Nach sei­ner Schiffs­rei­se von Nea­pel nach Paler­mo im Früh­jahr 1787 notier­te Goe­the: »Hat man sich nicht rings­um vom Meer umge­ben gese­hen, so hat man kei­nen Begriff von Welt und sei­nem Ver­hält­nis zur Welt. Als Land­schafts­zeich­ner hat mir die­se gro­ße simp­le Linie ganz neue Gedan­ken gege­ben.«[7]


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