Frage und Antwort
»… dass der fachliche Wortschatz geringer wird …«
Petra Stephan über Sprache und Architektur
Petra Stephan ist Chefredakteurin der der Fachzeitschrift »AIT« (Architektur, Innenarchitektur und Technischer Ausbau). Im Interview beschreibt sie ihre Arbeit.
Was ist Ihre Lieblingsaufgabe als Chefredakteurin?
Mit den Kolleginnen und Kollegen die uns für die jeweilige »AIT«-Ausgabe vorliegenden Projekte zu sichten, zu diskutieren und letztendlich zur Veröffentlichung auszuwählen. Und natürlich: jede ganz frisch gedruckte AIT aufzuschlagen und durchzublättern.
Und welche Aufgabe führen Sie eher ungern aus?
Innenarchitekten und Architekten, die uns Beiträge zur Veröffentlichung eingesandt haben, zu erklären, warum wir ihr Projekt nicht ausgewählt haben. Das Gleiche gilt für Mitarbeiter von PR-Agenturen, die anfragen, warum gerade ihr Text- und Bildmaterial nicht berücksichtig werden konnte.
Wie haben Sie es geschafft, Chefredakteurin der Fachzeitschrift »AIT« zu werden?
In dem ich mich seit dem Abitur entweder mit Journalismus oder mit Innenarchitektur und Architektur beschäftigt habe: Tageszeitungsvolontariat, Innenarchitekturpraktikum, Architekturstudium, freie Mitarbeit bei Architektur- und Bauherren-Magazinen und Architekturbüros, eigenes Architekturbüro, Redakteurin, Ressortleiterin und dann Chefredakteurin. Neben der Ausbildung ist natürlich die Lust und Begeisterung am Schreiben, am Gestalten und am Kontakt mit Menschen notwendig; sowie Fleiß, Engagement, Durchhaltevermögen, Geduld, Kreativität, Führungsqualität, Empathie und natürlich sehr gute Fach- und Branchenkenntnisse.
Wie gewichten Sie verschiedene Textarten in der »AIT«?
Wir unterscheiden, wie allgemein üblich im Journalismus, die Beiträge in Nachrichten, Meldungen, Kommentare, Essays, Glossen, Beschreibungen und Interviews. Diese verschiedenen Beitragsformen sind unterschiedlich gewichtet: Unser nachrichtlicher Teil am Heftanfang, genannt Forum, enthält kurze, prägnante Meldungen und Kommentare und ist möglichst aktuell, von allgemeinem Interesse und unabhängig vom Heftthema. Im Mittelteil bringen wir eine Anzahl von umfangreichen Serien, dabei steht in erster Linie unsere Zielgruppe, die Innenarchitekten und Architekten im Vordergrund, sie werden interviewt oder liefern einen eigenen Autorentext. Die Leserinnen und Leser sind bestenfalls bereits vertraut mit der ein oder anderen Serie und erwarten schon die nächste Folge.
Der Hauptteil dient den Projektbeschreibungen, die sich jeweils an einer innenarchitektonischen Bauaufgabe – Ladenbau, Wohnen, Büro, Öffentliche Bauten, Gastronomie, Gesundheits- und Freizeitbauten sowie Behörden – orientieren. Die Beiträge sind vier bis acht Seiten lang, mit vielen großen Fotos und relativ viel erläuterndem Text. Ergänzt wird dieser Heftteil durch zum Thema passende längere Essays und Theoriebeiträge sowie kurze Produkt- und Projektbeschreibungen. Diese verschiedenen Beitragsarten werden – laut Leserbefragungen – zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Anlässen gelesen, sowie von verschiedenen Lesergruppen. Das hat den Vorteil, dass eine Ausgabe nicht nur einmal in die Hand genommen wird, sondern mehrfach – aus unterschiedlichen Intensionen von unterschiedlichen Interessenten. Die Mischung ist wichtig, um möglichst viele spezifische Neigungen und Interessen der Leserinnen und Leser abzudecken und um eine hohe Aufmerksamkeit und großen Lesernutzen zu erzielen.
In der Architekturbranche sind Fachbegriffe sehr geläufig, wie sehen Sie die Situation in der Designbranche?
Fachbegriffe in der Architektur sind wichtig, damit sehr präzise und sachlich zwischen Fachleuten kommuniziert werden kann – zwischen Innenarchitekten, Architekten, Handwerkern, Lieferanten, Industrie aber auch Fachingenieuren und Fachjournalisten –, ähnlich wie bei Medizinern oder Juristen. Fachbegriffe in der Designbranche kenne ich eher als modische, emotionale und kurzlebige Begrifflichkeiten, die auch für den Kunden oder Käufer verständlich sein müssen.
Nehmen Sie Veränderungen im sprachlichen Verständnis Ihrer Leserschaft wahr?
Unsere Leserinnen und Leser geben uns in der Regel keine Rückmeldung, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Das würden sie dann eher googeln oder es als etwas neu Dazugelerntes bewerten. In der Zusammenarbeit mit jüngeren Kollegen merke ich jedoch, dass der fachliche Wortschatz geringer wird und die Neigung, sich sehr präzise, differenziert und bewertend auszudrücken, abnimmt. Das spiegelt sich auch in den eingesandten studentischen Beiträgen wider.
Im Hinblick auf die Zukunft: Wie geht die »AIT« mit Themen wie Digitalisierung oder Akquise junger Leser um?
Die Corona-bedingte Kurzarbeit hat ausgerechnet den Teil der Kolleginnen und Kollegen getroffen, der für die digitalen Medien – Homepage, Newsletter, Facebook, Instagram – zuständig ist. Wir wären da sehr gerne sehr viel weiter und hoffen nach Beendigung der Kurzarbeit in unserem Verlag an die Bemühungen in der Vergangenheit anknüpfen zu können. Die jüngeren Leserinnen und Leser versuchen wir immer schon mit Serienbeiträgen wie »Studierende entwerfen« oder »Lehrjahre bei …« anzusprechen, veröffentlichen Aufrufe zu studentischen Wettbewerbern, Hochschulinterna oder neuen Studiengängen.
Die jungen Autorinnen und Autoren bekommen ein Jahres-Abonnement und je nach Beitrag ein Honorar. Zu Semesterbeginn schicken wir den Erstsemestern unter den Innenarchitektur- und Architekturstudenten seit vielen Jahren ein »AIT«-Willkommenspaket mit einem Fachbuch, »AIT«-Ausgaben, Schreibunterlagen etc. zu; und wer uns den Nachweis über den Bachelor- oder Masterabschluss mailt, bekommt ein Halbjahres-Abonnement der »AIT«. Und natürlich gewähren wir 50 Prozent Studierendenrabatt auf das »AIT«-Jahres-Abonnement.