Buchbesprechung

»… die sich immer mehr unnütz fühlen«

Heribert Prantl über den populistischen Extremismus

Eine Rezension von Moritz Diepgen


Heri­bert Prantl gab sei­ne »Gebrauchs­an­wei­sung für Popu­lis­ten« 2017, also im Jahr nach der Wahl von Donald Trump zum ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten, vier Jah­re vor den Aus­schrei­tun­gen des 6. Janu­ar 2021 und dem Beginn des Ukrai­ne­krie­ges, her­aus. Seit­dem hat das Buch sei­ne Aktua­li­tät nicht ein­ge­büßt. Auf 79 Sei­ten ver­sucht Heri­bert Prantl das Phä­no­men des popu­lis­ti­schen Extre­mis­mus zu ana­ly­sie­ren und sei­nen Lesern eine Anlei­tung zum Leben als wehr­haf­te Demo­kra­ten an die Hand zu geben. Schließ­lich sind, laut Prantl, Rechts­po­pu­lis­ten Rechts­extre­me, die durch ihre Bezeich­nung als Popu­lis­ten fälsch­lich ver­harm­lost wer­den. Popu­lis­mus sei nur das Hand­werks­zeug, an dem sich die­sel­ben bedie­nen, und als sol­ches auch noch nicht ver­werf­lich, son­dern im Gegen­teil: notwendig.

In sech­zehn Kapi­teln geht der ehe­ma­li­ge Rich­ter und Chef­re­dak­teur der »Süd­deut­schen Zei­tung« den Ursa­chen für die schein­ba­re Flucht in den Extre­mis­mus nach. Prantl macht den Erfolg der rechts­po­pu­lis­ti­schen Bewe­gun­gen an gro­ßen Ver­spre­chen fest, die ihren »Zujub­lern« wie­der Hoff­nung für die Zukunft geben (S. 12). Er sorgt sich um die Stär­ke des Rechts und des Rechts­staats, der das Fun­da­ment der Gesell­schaft bil­det indem er die uni­ver­sel­len Men­schen­rech­te hütet und der jetzt ange­grif­fen wür­de. Es feh­le an Bür­gen, die für das Recht ein­ste­hen. Die­sen Pro­zess beti­telt er dabei als »nega­ti­ve Renais­sance« (S. 8). Die Sicht, es wäre jüngst der Rechts­po­pu­lis­mus in erup­ti­ver Art aus­ge­bro­chen, als wäre die Gesell­schaft durch die­ses Phä­no­men ihrem Unter­gang geweiht, nennt Prantl jedoch »poli­ti­schen Fata­lis­mus« (S. 13). Im Gegen­satz zu einer Natur­ka­ta­stro­phe, gegen die man sich nicht weh­ren kön­ne, müs­se man den Rechts­po­pu­lis­mus sys­te­ma­tisch bekämp­fen, demo­kra­tisch, rechts­staat­lich und sozi­al. (S. 13) 

Heri­bert Prantl trennt zwi­schen Popu­lis­mus und Extre­mis­mus, und ver­sucht den Leser gegen die­se Werk­zeu­ge zu wapp­nen. Demo­kra­ti­sche Popu­lis­ten appel­lier­ten an Herz und Ver­stand, extre­mis­ti­sche an nied­ri­ge Instink­te. (S. 15) Laut Prantl liegt hier der Unter­schied. Er bemän­gelt, dass das Wort »Popu­lis­mus« längst über­dehnt und bei­na­he bedeu­tungs­los gemacht wor­den sei. Thea­ter gehö­re zur Poli­tik, behaup­tet er (S. 16). Es kom­me dabei dar­auf an, ob die­se Insze­nie­run­gen ver­ant­wor­tungs­voll und ange­mes­sen sind. Damit wehrt er sich gegen eine ver­meint­li­che Rück­kehr zur Serio­si­tät durch Fach­spra­che und Poli­tik­jar­gon. Die­se kön­ne nicht begeis­tern. Er wirbt statt­des­sen dafür, in ver­ständ­li­chem Deutsch über die Poli­tik und ihre The­men zu spre­chen. Dazu warnt er vor dem »schon wie­der« (S. 19). Näm­lich der wie­der­ge­kehr­ten Erschei­nung, dass demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen in hass­erfüll­ter Spra­che zum Feind erklärt wer­den. Bei­spiels­wei­se mit der Aus­sa­ge: ihre Mit­glie­der sei­en »Volks­ver­rä­ter«. Sol­che Akteu­re sei­en nicht als Popu­lis­ten zu ver­harm­lo­sen, son­dern als Demo­kra­tie­fein­de zu sehen. (S. 19)

Doch wie kann man dem ent­ge­gen­tre­ten? Wie kann man die Anhän­ger des popu­lis­ti­schen Extre­mis­mus über­zeu­gen? Prantl schreibt dazu: »Es gilt also, die prak­ti­sche Nütz­lich­keit der rechts­staat­li­chen Demo­kra­tie und ihrer Wer­te auch für die­je­ni­gen spür­bar zu machen, die sich immer mehr unnütz füh­len. Das ist das demo­kra­ti­sche Gegen­feu­er gegen den popu­lis­ti­schen Extre­mis­mus.« (S. 79) Men­schen gewin­ne man mit Lei­den­schaft, nicht mit der Aus­sa­ge, dass alles nun mal hoch­kom­plex sei. (S. 74) Dazu kön­ne jeder einen Bei­trag leis­ten, in der Poli­tik oder im eige­nen Leben. Es sei nicht rich­tig, aus Gene­ra­tio­nen oder Men­schen­grup­pen Sün­den­bö­cke für eine abhan­den­ge­kom­me­ne Zukunft zu machen. Es gin­ge eben nur gemein­sam. Die Zukunft wür­de im Jetzt geformt und nicht ein­fach gedul­det. (S. 77)

Prantl schafft mit sei­nem Buch einen Ein­stieg in das Ver­ste­hen aktu­el­ler poli­ti­scher Phä­no­me­ne. Er ruft zum Han­deln auf und macht Hoff­nung, dass es eben doch mög­lich ist, sich gegen popu­lis­ti­schen Extre­mis­mus zu weh­ren, ohne ihm dabei auf den Leim zu gehen.