Vro­ni­Plag Wiki nimmt für sich in Anspruch, ein offe­nes Pro­jekt zu sein, des­sen Ziel es ist, die wis­sen­schafts­in­ter­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on in Form wis­sen­schaft­li­cher Publi­ka­tio­nen metho­disch dar­auf­hin zu über­prü­fen, ob die Min­dest­stan­dards einer Tren­nung frem­der und eige­ner Gedan­ken ein­ge­hal­ten wer­den.[19] Bezo­gen auf die ein­zel­nen Arbei­ten bedeu­tet dies jeweils nichts ande­res als eine detail­lier­te kri­ti­sche Wür­di­gung eines Aspekts der wis­sen­schaft­li­chen Arbeits­me­tho­de. Auch wenn immer wie­der beklagt wird, dass ja kei­ne Rück­sicht auf die Rele­vanz der Inhal­te genom­men wird[20], ist eine sol­che Betrach­tung nur in einer Hin­sicht, dafür aber in einer gewis­sen Brei­te, weder wis­sen­schaft­lich unzu­läs­sig noch auch nur unge­wöhn­lich – lin­gu­is­ti­sche Unter­su­chun­gen von Tex­ten ver­lau­fen oft in die­ser Hin­sicht ein­di­men­sio­nal. Auch ansons­ten wäre ein For­schungs­pro­jekt nor­ma­ler­wei­se nie in der Situa­ti­on, sei­ne Exis­tenz grund­le­gend recht­fer­ti­gen zu müssen.

Eine Beson­der­heit an der Arbeits­wei­se von Vro­ni­Plag Wiki ist die Kom­bi­na­ti­on an völ­li­ger Offen­heit gegen­über jedem, der etwas bei­tra­gen möch­te, kom­bi­niert mit dem Ver­zicht dar­auf, dass sich die Bei­tra­gen­den mit Klar­na­men offen­ba­ren müs­sen. Die meis­ten Edits kom­men von Benut­zern, die unter einem Pseud­onym arbei­ten.[21] Dar­aus wird oft abge­lei­tet, die Betei­lig­ten an Vro­ni­Plag sei­en »fei­ge Hecken­schüt­zen« die »im Schutz der Anony­mi­tät im Inter­net« ihrem Jagd­trieb aus­le­ben oder eine gehei­me poli­ti­sche Agen­da ver­folg­ten.[22] Aber auch die­se Vor­wür­fe grei­fen zumin­dest aus einer wis­sen­schafts­in­ter­nen Per­spek­ti­ve zu kurz. Dies betrifft einer­seits schon die For­de­rung nach Klar­na­men. Denn die Doku­men­ta­tio­nen auf Vro­ni­Plag Wiki sind erst ein­mal nicht ande­res als die rei­ne Gegen­über­stel­lung von ver­öf­fent­lich­ten Tex­ten mit Quel­len, aus denen Text­be­stän­de mehr oder weni­ger wort­laut­nah über­nom­men wur­den. Die­se Art von Roh­da­ten kön­nen von jedem Inter­es­sier­ten nach­ge­prüft wer­den, und jeder, der sich die­se durch­sieht, kann sich eine eige­ne Mei­nung dar­über bil­den, inwie­weit die unter­such­te Arbeit wis­sen­schaft­li­che Arbeits­re­geln noch hin­rei­chend ein­hält oder eben nicht. Auch die gra­fi­schen und text­li­chen Aus­wer­tun­gen die­ser Roh­da­ten sind nur nach einer kon­stan­ten Metho­dik erstell­te Lese­hil­fen. Wenn die wis­sen­schafts­theo­re­tisch fun­dier­te Grund­an­nah­me rich­tig ist, dass es in wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­sio­nen nicht auf die Per­son, son­dern auf die Rich­tig­keit oder zumin­dest Belast­bar­keit und Ver­tret­bar­keit der jewei­li­gen Aus­sa­gen ankommt, kann es eigent­lich kei­ne Rol­le spie­len, ob die­se von ein­zel­nen nament­lich zeich­nen­den Autoren gemacht wer­den oder ob die­se aus einem offe­nen Pro­jekt her­vor­ge­hen, in dem die Betei­lig­ten pseud­onym arbei­ten. Gera­de die kom­plet­te Trans­pa­renz der Roh­da­ten ermög­licht es jedem, eige­ne Schlüs­se zu zie­hen, so dass die betei­lig­ten Per­so­nen wenig Rele­vanz haben.[23]

Auch bei grö­ße­ren empi­ri­schen Stu­di­en ande­rer wis­sen­schaft­li­cher Dis­zi­pli­nen ver­langt nie­mand, dass alle Hilfs­kräf­te, die an der Erstel­lung der Inter­views und der Erfas­sung und Aus­wer­tung der Ergeb­nis­se betei­ligt waren, nament­lich jede Publi­ka­ti­on mit­zeich­nen. Umge­kehrt ist es auch bei Vro­ni­Plag Wiki so, dass alle pla­gi­ats­be­trof­fe­ne Arbei­ten par­al­lel zu der Ver­öf­fent­li­chung auch an die Uni­ver­si­tä­ten und die dort für die Unter­su­chung wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens zustän­di­gen Stel­len gemel­det wer­den. Die­se sehr aus­führ­li­chen Doku­men­ta­tio­nen wer­den immer von unter ihrem Klar­na­men auf­tre­ten­den Per­so­nen unter­zeich­net und ver­sandt. In aller Regel sind dies Prof. Dr. Ger­hard Dan­ne­mann, HU Ber­lin, oder Prof. Dr. Debo­ra Weber-Wulff, HTW Ber­lin, bei­des aus­ge­wie­se­ne Wis­sen­schaft­ler, deren inten­si­ve Betei­li­gung an Vro­ni­Plag Wiki öffent­lich schon lan­ge bekannt ist.[24] Inso­fern gibt es ent­ge­gen dem Anony­mi­täts­vor­wurf im Moment der Ver­öf­fent­li­chung immer auch nament­lich zeich­nen­de Wis­sen­schaft­ler, wel­che die erho­be­nen Pla­gi­ats­vor­wür­fe ver­tre­ten. Der Sta­tus unter­schei­det sich nach außen also kaum von ande­ren empi­ri­schen For­schungs­pro­jek­ten, nur nach innen sind die bei­den Benann­ten nicht Pro­jekt­lei­ter oder wei­sungs­be­fugt, son­dern nur gleich­be­rech­tig­te Beteiligte.

Zu einer erns­ten Kon­tro­ver­se kam es, als Wis­sen­schafts­ver­bän­de in ihren Zusam­men­stel­lun­gen der Regeln guten wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens fest­le­gen woll­ten, dass für die Über­prü­fung von Pla­gi­ats­vor­wür­fen allein die Ombuds­gre­mi­en an den Hoch­schu­len zustän­dig sei­en und es ein eigen­stän­di­ger Ver­stoß gegen gute wis­sen­schaft­li­che Pra­xis sei, sol­che Vor­wür­fe vor einem sol­chen Prüf­ver­fah­ren zu ver­öf­fent­li­chen.[25] Hier besteht mei­nes Erach­tens ein fun­da­men­ta­les Miss­ver­ständ­nis über die Arbeits­wei­se und die Qua­li­tät der Aus­sa­gen von Vro­ni­Plag Wiki, es zeigt sich aber auch ein sehr frag­wür­di­ges Wis­sen­schafts­ver­ständ­nis. Vro­ni­Plag Wiki hat nie für sich in Anspruch genom­men, für Ent­schei­dun­gen über Kon­se­quen­zen wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens zustän­dig zu sein. Die Platt­form ent­zieht kei­ne Titel, spricht kei­ne Rügen aus oder ähn­li­ches. Für die Ent­schei­dung über sol­che Kon­se­quen­zen sind in Deutsch­land allein die zustän­di­gen Gre­mi­en der Hoch­schu­len zustän­dig. Vro­ni­Plag Wiki doku­men­tiert aber unaus­ge­wie­se­ne Text­über­nah­men in publi­zier­ten wis­sen­schaft­li­chen Tex­ten und erhebt dabei bei ent­spre­chen­der Signi­fi­kanz der Über­nah­men – qua­li­ta­tiv wie quan­ti­ta­tiv – den nor­ma­ti­ven Vor­wurf, es gehe um Pla­gia­te. Dies ist nichts ande­res als Metho­den­kri­tik, und eine sol­che ist not­wen­di­ger Teil wis­sen­schaft­li­cher Aus­ein­an­der­set­zung und damit Teil des fach­li­chen Dis­kur­ses, der nicht auf Gre­mi­en beschränkt wer­den darf, die zudem ver­trau­lich agie­ren und Ergeb­nis­se und Begrün­dun­gen für die­se nicht ver­öf­fent­li­chen. Zudem stellt dies auch die bis­he­ri­ge Pra­xis auf den Kopf: Gre­mi­en zur Unter­su­chung wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens wer­den in der Regel erst dann ein­ge­schal­tet, wenn ent­spre­chen­de Vor­wür­fe bekannt wer­den, etwa in kri­ti­schen Rezen­sio­nen oder ähn­li­chem. Sie prü­fen im Nach­gang zu den Vor­wür­fen die Not­wen­dig­keit von Kon­se­quen­zen, nicht aber vor­ab die Rich­tig­keit der Vor­wür­fe. Dies wäre ggf. eben­falls Teil der offe­nen wis­sen­schaft­li­chen Debat­te, die auch wich­tig wäre, um zu kon­sens­fä­hi­gen Maß­stä­ben für wis­sen­schaft­li­ches Arbei­ten zu kom­men. Eine Allein­zu­stän­dig­keit oder Vor­rang­zu­stän­dig­keit der hoch­schul­in­ter­nen Ent­schei­dungs­gre­mi­en gab es aber nie und kann es auch nicht geben.

  1. [19] Sie­he dazu http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/VroniPlag_Wiki:FAQ (Stand: 7.6.2016).
  2. [20] Das wäre ein gera­de bezo­gen auf Dis­ser­ta­tio­nen oft sehr trau­ri­ges eige­nes Projekt. 
  3. [21] http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/VroniPlag_Wiki:FAQ#Mitarbeit (Stand: 7.6.2016).
  4. [22] Bei­spie­le: Hei­den­reich, Julia: Von der Ley­en: Zei­gen Sie es Ihren Stal­kern. In: aufdemnetz.de vom 29.9.2015 http://t1p.de/Heidenreich-20150929 (Stand: 7.6.2016); Spreng, Micha­el H.: Die Jäger müs­sen sich stel­len. In: sprengsatz.de vom 17.5.2011, http://t1p.de/Spreng-20110517 (Stand: 7.6.2016); Bus­se, Niko­las: Der Grenz­fall nach dem Fall. In: FAZ vom 14.7.2011, zitiert A. Alva­ro, Euro­pa­par­la­men­ta­ri­er der FDP: »Mit vro­ni­plag ist das Denun­zi­an­ten­tum aus dem Schut­ze der Anony­mi­tät des Inter­nets her­aus anschei­nend zum gesell­schaft­lich akzep­tier­ten Sport gewor­den«, http://t1p.de/Busse-FAZ-20110714 (Stand: 7.6.2016).
  5. [23] Sie­he auch Tren­kamp, Oli­ver: Anony­me Pla­gi­ats­jä­ger: Stellt Euch nicht! In: Spie­gel online vom 13.7.2011, http://t1p.de/Trenkamp-SPON-20110713 (Stand: 7.6.2016).
  6. [24] Dazu Klovert, Hei­ke: Pla­gi­ats­jä­ger im Netz: Wer steckt hin­ter Vro­ni­Plag. In: Spie­gel online vom 2.10.2015, http://t1p.de/Klovert-SPON-20151002 (Stand: 7.6.2016).
  7. [25] Emp­feh­lung der 14. HRK-Mit­glie­der­ver­samm­lung vom 14.5.2013: Gute wis­sen­schaft­li­che Pra­xis an deut­schen Hoch­schu­len, http://t1p.de/HRK-GwP-20130514 (Stand: 7.6.2016). Zur Kri­tik dar­an Warne­cke, Til­mann: »Maul­korb bei Pla­gi­ats­ver­dacht«. In: Tages­spie­gel vom 3.7.2013, http://t1p.de/Warnecke-Tagesspiegel-20130703 (Stand: 7.6.2016).

Doppelausgabe Nr. 8 und 9, Herbst 2016

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