Buchbesprechung

»Es gibt nichts dazwischen«

Reins, Classen und Czopf sagen: »Text sells«

Eine Rezension von Bettina Schröm


Ein wah­res Kom­pen­di­um legt der Main­zer Her­mann Schmidt Ver­lag da vor: Lese­stre­cken, sehr vie­le Inter­views, stra­te­gi­sche Anlei­tung, Übun­gen, das alles ent­hält das 2015 erschie­ne­ne Buch »Text sells« der drei Autoren Armin Reins, Vero­ni­ka Clas­sen und Géza Czopf. Und es sieht auch noch gut aus, glänzt mit edlem Papier, Lese­bänd­chen und gol­de­nen Seiten. 

Die Autoren gehen in drei Tei­len vor: »Wie Spra­che ihr Ziel erreicht«, »Elf Cor­po­ra­te Lan­guage Cases« und »Spra­che, die wirkt«. Sie las­sen Mar­ke­ting-Chefs und erfolg­rei­che Grün­der zu Wort kom­men, geben ver­schwen­de­risch eige­ne Erfah­run­gen wei­ter – sie alle sind renom­mier­te Pro­fis –, spre­chen aber auch mit Tele­fon­seel­sor­ge­rin­nen, Alt-Rocker Udo Lin­den­berg und Box­trai­ner Ulli Weg­ner. Allen ist gemein­sam, ihr Geld mit Spra­che zu ver­die­nen oder dank eines ganz bestimm­ten Sprach­stils Bekannt­heit erlangt zu haben. Und dar­in unter­schei­det sich der Wäl­zer von vie­len ande­ren Rat­ge­bern zum bes­se­ren Tex­ten: Er reißt ein Fens­ter auf, blickt über Gen­re­gren­zen, erfasst sehr vie­les von dem, was in Unter­neh­men (und auch sonst) gespro­chen und geschrie­ben wird, von der Email bis zum Cla­im, vom Dia­log im Schnell­im­biss (»Ket­chup oder Majo?«) bis zur Abwesenheitsnotiz. 

Es geht um eine »gemein­sa­me Spra­che« als Hal­tung jedes Mit­ar­bei­ters in einer Orga­ni­sa­ti­on. Die ist bei »Ikea« anders als beim Soft­ware-Her­stel­ler »Lex­wa­re«. Es gehört zu den Stär­ken des Buches, nichts auf eine Linie brin­gen zu wol­len. Viel­mehr gehe es dar­um, eine eige­ne Spra­che zu fin­den und die kon­se­quent durch­zu­hal­ten. Die­se Quint­essenz überzeugt.

Und den­noch gibt es Grund­re­geln, die in der schrei­ben­den Zunft aber eher zu den alten Bekann­ten gehö­ren: Ver­ständ­lich, bild­haft, kurz – das sind die gol­de­nen drei Begrif­fe, um die sich nicht erst seit der Erfin­dung der »Cor­po­ra­te Lan­guage« alles im pro­fes­sio­nel­len Schrei­ben dreht. Hin­zu kommt eine Erkennt­nis aus den Büros der Mar­ke­ting­ex­per­ten: Nicht das Pro­dukt habe in Zei­ten sozia­ler Medi­en im Zen­trum der gelun­ge­nen Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on zu ste­hen, son­dern der Mensch, der Kun­de, die »Ziel­grup­pe«. Auch das hat man schon andern­orts gelesen.

Andern­orts ist man aber weni­ger gründ­lich und weni­ger unter­halt­sam. Reins, Clas­sen und Czopf machen sich nicht nur die Mühe, Abs­trakt­heit anzu­pran­gern, sie lie­fern gleich zuhauf kor­ri­gier­te Pres­se­mit­tei­lun­gen und Mai­lings. Sie zei­gen an den Kam­pa­gnen ihrer Inter­view­part­ner, wie pfif­fig Wer­bung wir­ken kann, wenn die Bot­schaft stimmt – und nicht zuletzt schrei­ben sie selbst so elo­quent wie leicht les­bar. Man­che Über­ra­schung ist inklu­si­ve, zum Bei­spiel das Geständ­nis des Abtei­lungs­lei­ters »Brand Design« bei der Fir­ma »Phil­ips«. Mark Church­man berich­tet, man habe in Test­rei­hen her­aus­ge­fun­den, dass Frau­en bei der Wahl von Haar­trock­nern weni­ger auf das Ver­spre­chen, geschmei­di­ges Haar zu bekom­men, geben als auf die simp­le tech­ni­sche Infor­ma­ti­on »2100 Watt« (s. S. 191): »… bei nähe­rer Betrach­tung hat­ten wir gemerkt, dass unse­re Ziel­grup­pe für die­se Haar­trock­ner­ka­te­go­rie eine Art ›Code‹ ver­wen­det.« (ebd.) Auch die­se Leh­re lässt sich aus der Publi­ka­ti­on und aus den Ant­wor­ten der Gesprächs­part­ner zie­hen: An der Markt­for­schung kom­men auch Tex­ter nicht vor­bei. Der Kun­de ist immer für eine Über­ra­schung gut.

In den meis­ten Grund­po­si­tio­nen sind sich die Gesprächs­part­ner der Autoren einig und bis­wei­len schei­nen sie auch das Sprach­rohr für das zu sein, was die Inter­view­er am liebs­ten selbst sagen wür­den. Das beru­higt einer­seits, scheint es doch ver­läss­li­che Erfolgs­re­zep­te zu geben, sorgt aber auch für Län­gen und Wie­der­ho­lun­gen. Para­do­xer­wei­se stellt der Band näm­lich genau jene Mischung dar, die es laut Armin Reins in sei­nem Arti­kel über das Lese­ver­hal­ten unbe­dingt zu ver­mei­den gilt: »Es gibt ent­we­der Tex­te für Infor­ma­ti­ons­le­ser oder Erleb­nis­le­ser. Ich wage die Behaup­tung: Es gibt nichts dazwi­schen.« (S. 47)

Nega­tiv betrach­tet könn­te das dem Buch zum Vor­wurf gerei­chen: Für die einen ist zuviel Inter­view-Bei­werk ent­hal­ten, für die ande­ren zu vie­le Anlei­tungs- und Übungs­tex­te. Man könn­te aber auch den Schluss zie­hen, dass gera­de die­se Mischung »Text sells« zu einer unter­halt­sa­men Lek­tü­re und fach­li­chen Beson­der­heit macht.