Filmbesprechung

Everybody switch chairs”

Für Perspektivwechsel plädiert »Design & Thinking«

Eine Rezension von Alexandra Haase


Why do you need a bridge?” fragt Mana­ge­rin Sara Beck­mann ihre Stu­den­ten. Mit einer klei­nen Geschich­te über einen Kun­den, der einen Auf­trag für einen Brü­cken­bau ver­gibt, ver­mit­telt sie das Ver­ste­hen und Hin­ter­fra­gen einer Auf­ga­be. Die Ant­wort scheint sim­pel: “I want to get to the other side.” Doch dafür gibt es auch ande­re Mög­lich­kei­ten: einen Tun­nel oder ein Boot. “Why do you need to get to the other side?” – “I have to deli­ver a mes­sa­ge.” Mit die­ser Infor­ma­ti­on kön­ne man sich dann auf die wirk­li­che Lösung der Auf­ga­be kon­zen­trie­ren, so Beck­man: Was ist der bes­te Weg, um die Nach­richt auf die ande­re Sei­te zu bekom­men?[1]

Sie illus­triert mit die­sem Bei­spiel, wor­auf es den »Design & Thinking«-Machern ankommt: sich los­zu­lö­sen vom übli­chen Pro­blem- und Lösungs­den­ken und dafür das Den­ken in Alter­na­ti­ven zu üben. Die sei­en dann zu fin­den, wenn man nicht das Pro­dukt, son­dern die Bedürf­nis­se des Nut­zers ana­ly­sie­re. »Design and Thin­king« wur­de 2012 von Muris Media[2] in Zusam­men­ar­beit mit dem Tai­pei Design Cen­ter U.S. ver­öf­fent­licht. Desi­gner, Mana­ger, Inge­nieu­re und Regis­seu­re haben dabei inter­dis­zi­pli­när zusam­men­ge­ar­bei­tet. Meh­re­re Aus­zeich­nun­gen folg­ten, der Film sei, so steht es auf der Home­page,  in 40 Län­dern auf 400 Events gezeigt wor­den, u. a. an der Har­vard Uni­ver­si­tät und bei Microsoft.

»Design & Thin­king« ist ein Doku­men­tar­film. Es geht um das Kon­zept eines Gestal­tungs­pro­zes­ses in sei­ner gan­zen Viel­falt. Dabei wird der Gestal­tungs­pro­zess aus ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven beleuch­tet. Men­schen aus unter­schied­li­chen Fach­be­rei­chen wer­den im Por­trät gezeigt und zu Beginn gefragt, was sie selbst unter »Design Thin­king« ver­ste­hen. Dabei sind unter­schied­li­che Beru­fe ver­tre­ten: Natür­lich Desi­gner, aber auch Geschäfts­män­ner, Päd­ago­gen, Unter­neh­mer, Fahr­rad­fah­rer, Chef­kö­che, Wis­sen­schaft­ler, Fil­me­ma­cher etc. Alle erzäh­len davon, was sie in ihren Beru­fen gestal­ten. Den  Fil­me­ma­chern geht es dabei dar­um zu zei­gen, wie Men­schen mit ihrem krea­ti­vem Den­ken die Welt ver­än­dern kön­nen. Und die bunt gewähl­te inter­dis­zi­pli­nä­re Mischung legt den Sach­ver­halt aus der Per­spek­ti­ve von Men­schen dar, die den Begriff wei­ter fas­sen als der Desi­gner es sel­ber tut.

In 16 Kapi­teln wird der Betrach­ter von der ein­lei­ten­den Fra­ge »What is design thin­king?« in ver­schie­de­ne Berei­che geführt. Die­se behan­deln unter ande­rem »Recher­che, Modell­bau, Arbeits­um­feld und Team­work«, aber auch Spe­zi­fi­sche­res wie das The­ma »Desi­gner in einer Geschäftswelt«.

Der Begriff »Design Thin­king« wird dabei brei­ter defi­niert als gemein­hin üblich. Ein Bei­spiel dafür soll hier auf­ge­führt wer­den, da es wie das ein­lei­ten­de Brü­cken-Bei­spiel von Nicht-Gestal­tern gege­ben wur­de und viel­leicht gera­de des­halb den Ablauf auf den Punkt trifft. Paul Pan­ga­ro beschreibt den Design-Thin­king-Pro­zess sehr sim­pel, bevor er ihn wei­ter aus­führt: “First you think and then you make.”[3] Er teilt den Pro­zess in logi­sche  Arbeits­schrit­te: Zuerst müs­se man den Benut­zer defi­nie­ren und sei­ne Bedürf­nis­se ver­ste­hen sowie mit­tels Eth­no­gra­fie und Beob­ach­tung die­se Bedürf­nis­se genau in Erfah­rung brin­gen. Sein nächs­ter Arbeits­schritt ist ein Brain­stor­ming mit anschlie­ßen­der Aus­wahl. Zuletzt wird ein Pro­to­typ erstellt, wel­cher fort­lau­fend durch Ite­ra­ti­on[4] ver­bes­sert wird. Aller­dings – dar­in sind sich auch die Fil­me­ma­cher einig – kann Design nicht auf eine For­mel redu­ziert wer­den. Es blei­ben letzt­lich unend­lich vie­le Vari­an­ten für die Lösung eines Pro­blems. Krea­ti­vi­tät soll nicht in Algo­rith­men über­setzt wer­den.[5]

Der Film fokus­siert dar­auf, ver­schie­de­ne Facet­ten von Krea­ti­vi­tät und Erfin­der­geist zu zei­gen. Gestal­tung, so die Macher, ent­wi­ckelt sich weg von der Tätig­keit des klas­si­schen Gra­fi­kers hin zu einer Dis­zi­plin, die unter­schied­li­che Fach­be­rei­che ein­be­zieht. Dem­entspre­chend wird der Begriff »Desi­gner« neu defi­niert. Ziel der Fil­me­ma­cher ist es, Mög­lich­kei­ten zu zei­gen, wie man Orga­ni­sa­tio­nen dazu bewe­gen kann, sich Gedan­ken über das sich ver­än­dern­de Umfeld von Wirt­schaft, Kul­tur und Gesell­schaft zu machen. Die Her­aus­ge­ber beschrei­ben ihren Film sel­ber als einen Auf­ruf zu unkon­ven­tio­nel­lem Den­ken und inter­dis­zi­pli­nä­rer Zusam­men­ar­beit – und die­se Vor­stel­lung haben die Macher selbst bei­spiel­haft umge­setzt. Alle sind Gestal­ter, jeder gestal­tet etwas, das ist die Grund­an­nah­me der Regis­seu­re. Die Tätig­keit der visu­el­len Gestal­ter mit einer künst­le­ri­schen Grund­aus­bil­dung, wird dabei aller­dings weder aus­rei­chend dif­fe­ren­ziert betrach­tet noch ein­be­zo­gen. Der klas­si­sche Gra­fik­de­si­gner, der inhalt­lich sowie optisch gestal­tet, kommt so zu kurz.