Ausgabe Nr. 2, Frühjahr 2013: Buchbesprechung

»Pfannis jüngstes Gericht«

Dieter Urban erklärt die Rolle visueller Rhetorik in der Werbung

Eine Rezension von Nikolaus Kruch


In sei­nem Buch »Kauf mich. Visu­el­le Rhe­to­rik in der Wer­bung« zeigt Die­ter Urban exem­pla­risch, wie sich mit­tels visu­el­ler Rhe­to­rik auf­merk­sam­keits­star­ke Wer­bung gestal­ten lässt. Visu­el­le Rhe­to­rik baut auf den Erkennt­nis­sen der Wer­be­psy­cho­lo­gie auf und zählt zu den zeit­ge­mä­ßen Kon­zep­tio­nen der Werbebotschaftsformulierung.

Sich die­se Metho­den als Wer­ber anzu­eig­nen und dar­auf auf­zu­bau­en, ist sicher­lich unent­behr­lich, um am Markt ernst­haft mit­zu­spie­len und wahr­ge­nom­men zu wer­den.  Urban unter­schei­det am Anfang sei­nes Buches zwi­schen visu­el­ler Wer­bung und visu­el­ler Rhe­to­rik. Bei der visu­el­len Wer­bung geht es dar­um, die bewor­be­nen Pro­duk­te zu zei­gen und zu benen­nen. Setzt man hin­ge­gen visu­el­le Rhe­to­rik ein, wird das Pro­dukt nicht ledig­lich prä­sen­tiert, son­dern es muss vom Ver­brau­cher ver­ar­bei­tet wer­den und bleibt dadurch län­ger in sei­nem Bewusst­sein haften.

Abge­se­hen vom Pro­log und Epi­log ist das Buch in drei gro­ße Kapi­tel geteilt. Im ers­ten Kapi­tel setzt sich der Autor mit der Fra­ge aus­ein­an­der, wie sich bestehen­de ästhe­ti­sche Phä­no­me­ne und kom­mu­ni­ka­ti­ve Mit­tel auf die Wer­bung über­tra­gen las­sen. Für Die­ter Urban bil­den das Sehen, das Wahr­neh­men und die Ver­ar­bei­tung des Wahr­ge­nom­me­nen die Grund­la­gen einer visu­el­len Rhe­to­rik. Das unter­sucht und erklärt er anhand ein­fluss­rei­cher Bei­spie­le aus dem Bereich der räum­li­chen Täu­schun­gen in der Mathe­ma­tik, der sur­rea­lis­ti­schen Ver­zer­run­gen in der Kunst und der wit­zi­gen Über­trei­bun­gen in der Kom­mu­ni­ka­ti­on. Des Wei­te­ren beschreibt er, wie man anhand von Ver­schie­bun­gen von Inhalts­ebe­nen die Wir­kung einer Aus­sa­ge erhö­hen kann. Ein Bei­spiel dafür ist das Zusam­men­brin­gen der Aus­sa­ge »Das jüngs­te Gericht« mit dem Bild eines Fer­tig­ge­richts, in die­sem Fall, dem neu­es­ten Kar­tof­fel­puf­fer von »Pfan­ni«. Durch die Ver­schie­bung der ver­ba­len Ebe­ne »Das jüngs­te Gericht« in einem neu­en Bedeu­tungs­zu­sam­men­hang fängt die zugrun­de­lie­gen­de bana­le Infor­ma­ti­on an, eine pro­vo­ka­ti­ve Wir­kung zu entfalten.

Im zwei­ten Kapi­tel beschäf­tigt sich der Autor haupt­säch­lich mit die­sen Ver­schie­bungs­tech­ni­ken und zeigt, wie die Ver­schie­bung ver­schie­de­ner Bedeu­tungs­ebe­nen – wie der Wort­ebe­ne, der Text­ebe­ne, der Bild­ebe­ne, der Bild-Text-Ebe­ne oder der Far­be­be­ne – in erfolg­rei­chen Kam­pa­gnen und Anzei­gen ein­ge­setzt wur­den. Auch wenn die gezeig­ten Kam­pa­gnen nicht mehr aktu­ell sind und eini­ge Details aus der Mode gera­ten sind, ist deren star­ke Wir­kung und die Stim­mig­keit, die sie inne­ha­ben, erhal­ten geblie­ben. Hilf­reich zum Ver­ste­hen die­ser Ver­schie­bungs­tech­ni­ken sind die aus­führ­lich beschrie­be­nen und viel­fäl­ti­gen Bei­spie­le, die Urban jeweils anbringt. Mehr­wert bie­ten die Check­lis­ten, die im Anschluss an die gezeig­ten Bei­spie­le ste­hen und sich durch die ers­ten bei­den Kapi­tel durch­zie­hen. Die­se fas­sen noch ein­mal die wich­tigs­ten gestal­te­ri­schen Erkennt­nis­se zusam­men und zei­gen die Band­brei­te auf, in der man sich bewegt.

Nach­dem man aber einen gro­ßen Teil des Reper­toires der visu­el­len Rhe­to­rik in den ers­ten bei­den Kapi­teln durch­ge­gan­gen ist, steht man vor der Fra­ge, wie sich aus sol­chen Mit­teln Neu­es schaf­fen lässt, denn man wird wohl kaum mit Déjà-vus den anspruchs­vol­len Kon­su­men­ten von heu­te beein­dru­cken kön­nen. Man muss also davon aus­ge­hen, dass die­se rhe­to­ri­schen Mit­tel nicht als fer­ti­ge Rezep­te, son­dern als Prin­zi­pi­en zu ver­ste­hen sind, die sich immer auch am Zeit­geist ori­en­tie­ren müs­sen. Sich mit Wer­bung aus­sein­an­der­zu­set­zen bedeu­tet also auch, immer auf dem neu­es­ten Stand zu sein und die Bedürf­nis­se sei­ner Zeit zu analysieren.

Nur rich­ti­ge metho­di­sche Pro­blem­ana­ly­sen kön­nen einem dann hel­fen, die pas­sen­de Wer­bung zu gestal­ten. Im letz­ten Kapi­tel wird des­halb ein Fra­gen­ka­ta­log vor­ge­stellt, mit dem man sei­ne eige­ne Arbeit oder auch frem­de Arbei­ten auf ver­schie­de­nen Ebe­nen hin­ter­fra­gen kann. Die­ser Kata­log zielt vor allem auf die Bezie­hung zwi­schen dem Inhalt und den ein­ge­setz­ten Gestal­tungs­mit­teln ab, denn so kann die Ange­mes­sen­heit einer Wer­be­bot­schaft mit dem Maß­stab der Rhe­to­rik über­prüft werden.

Auch wenn die im Buch vor­ge­schla­ge­ne visu­el­le Rhe­to­rik nicht alle Pro­ble­me lösen kann, die einem pro­fes­sio­nel­le Wer­bung heu­te stellt, so muss man doch aner­ken­nen, dass sie sich inzwi­schen zu einem Schlüs­sel­be­griff eta­bliert hat ohne den die Wer­bung in der Bot­schafts­ge­stal­tung nicht mehr auskommt.


Datenschutz-Übersicht
Sprache für die Form * Forum für Design und Rhetorik

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.

Unbedingt notwendige Cookies

Unbedingt notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir deine Einstellungen für die Cookie-Einstellungen speichern können.