Buchbesprechung

»Schreibt kürzer, schreibt klarer, schreibt bildhafter«

Armin Reins über »Corporate Language«

Eine Rezension von Karoline Kirner


Das Inhalts­ver­zeich­nis von Armin Reins »Cor­po­ra­te Lan­guage« gleicht einem gut sor­tier­ten Super­markt-Regal. Man fin­det dar­in sowohl das Inter­view mit einem Enter­tai­ner als auch mit einem renom­mier­ten Hirn­for­scher, 24 Geset­ze der Ver­füh­rung nach Vor­bild Casa­no­vas, gefolgt von der Ana­ly­se einer Des­sous-Kam­pa­gne. Ange­rei­chert wird das bunt gemisch­te Sor­ti­ment mit zahl­rei­chen Fall­bei­spie­len aus der Welt der Wer­bung – von Anzei­gen für Was­ser bis zum Bran­ding für Wein. Und schon auf den ers­ten Sei­ten wird klar: Gute Tex­te sind in der Bran­che noch immer Man­gel­wa­re. »Cor­po­ra­te Lan­guage« schafft Abhilfe.

Grob glie­dert sich das Buch in zwei Tei­le: Der ers­te führt die Wich­tig­keit von Spra­che für das »brand buil­ding« vor Augen und gibt kon­kre­te Anlei­tung, wie man zu einer »Cor­po­ra­te Lan­guage« für eine Mar­ke oder ein Unter­neh­men fin­det. Der zwei­te Teil prä­sen­tiert eine Samm­lung von Fall­bei­spie­len. In Inter­views kom­men Mar­ke­ting-Lei­ter und Wer­be­fach­leu­te von gro­ßen Unter­neh­men wie »Nivea«, »Ikea« oder »Mer­ce­des« zu Wort, die es erfolg­reich geschafft haben, eine authen­ti­sche »Cor­po­ra­te Lan­guage« zu eta­blie­ren. Die­ser Inter­view­teil eröff­net span­nen­de Ein­bli­cke in die Mar­ken­phi­lo­so­phien und die Stra­te­gien hin­ter den gro­ßen Werbekampagnen.

Reins plau­dert mun­ter aus dem Näh­käst­chen eines Wer­be­tex­ters. Die im Lau­fe sei­ner Kar­rie­re zusam­men­ge­stell­ten The­sen unter­mau­ert er mit reich­lich Anschau­ungs­ma­te­ri­al aus sei­nem Arbeits­all­tag. »Cor­po­ra­te Lan­guage« ist gewiss kei­ne wis­sen­schaft­li­che Lek­tü­re, ver­folgt aber auch gar nicht die­sen Anspruch. Die Kapi­tel zur Hirn­for­schung oder dem NLP (Neu­ro-Lin­gu­is­ti­sches-Pro­gram­mie­ren) blei­ben eng auf ihren Nut­zen in der Wer­be­spra­che zuge­schnit­ten und wer­den vom Autor in klei­nen Appe­tit-Häpp­chen ser­viert. Reins spricht mit Men­schen aus unter­schied­li­chen For­schungs- und Tätig­keits­fel­dern, die alle am gro­ßen Kuchen »Spra­che« naschen, und pickt sich die Rosi­nen her­aus — also all das, was für die Arbeit des Wer­be­tex­ters nütz­lich ist. Das ent­spricht auch ganz sei­ner Über­zeu­gung, dass »gute Tex­ter ein brei­tes Halb­wis­sen [haben]« (S. 105).

»Schreibt kür­zer, schreibt kla­rer, schreibt bild­haf­ter, hör­ba­rer, anfass­ba­rer und fühl­ba­rer« (S. 25). Die­ser For­de­rung bleibt Armin Reins treu. Der Autor schreibt in kur­zen, ja sogar ver­kürz­ten Sät­zen und ist dabei abso­lut über­zeu­gend. »Cor­po­ra­te Lan­guage« liest sich wie ein Wer­be­text für gutes Wer­be­tex­ten. Müh­sam wird das Lesen nur, wenn man über das bran­chen­spe­zi­fi­sche Fach­vo­ka­bu­lar stol­pert. Wör­ter wie UBP (Uni­que Buy­ing Pro­po­si­ti­on) kön­nen dem CI-Lai­en die Lust am Lesen schmä­lern. Reins locke­rer, leicht ver­ständ­li­cher Schreib­stil soll­te nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass sich die­ser Busi­ness­rat­ge­ber gezielt an Wer­be­tex­ter, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gen und Mar­ke­ting­lei­ter rich­tet. Otto-Nor­mal­ver­brau­cher kann mit Kos­ten-Nut­zen-Über­le­gun­gen oder einer CL-Check­lis­te nur wenig anfan­gen. Neben den zahl­rei­chen Para­de­bei­spie­len aus der inter­na­tio­na­len Wer­be­welt ver­gisst Reins auch nicht, Wer­bung in eig­ner Sache zu machen. Die Unter­punk­te sei­nes CL-12-Schrit­te-Pro­gramms, einer der Kern­in­hal­te, lässt er wohl­weis­lich unkom­men­tiert. Die erwar­te­ten Ein­bli­cke in ein bestehen­des CL-Manu­al blei­ben aus. Statt­des­sen flat­tert dem Leser beim Auf­schla­gen des Buches ein For­mu­lar zur Semi­nar­an­mel­dung entgegen.

Zen­tra­le The­sen und Schlüs­sel­aus­sa­gen wer­den optisch her­vor­ge­ho­ben, eben­so wie die in Signal­far­be unter­leg­ten Defi­ni­tio­nen von Fach­be­grif­fen. Dadurch bekommt Reins »Cor­po­ra­te Lan­guage« an man­chen Stel­len Lehr­buch-Cha­rak­ter. In jedem Fall ist es ein Hand­buch, das man bei der Kon­zep­ti­on der nächs­ten Kam­pa­gne auch tat­säch­lich wie­der zur Hand nimmt, fin­den sich dar­in doch Arbeits­an­lei­tun­gen zur sprach­li­chen Text­ge­stal­tung, die direkt umsetz­bar sind. Es ist das Ass im Ärmel für jeden, der beim nächs­ten Team­mee­ting mit ziel­ge­rich­te­ten Cla­im-Vor­schlä­gen bril­lie­ren will. Tat­säch­lich ist das Kapi­tel zur Cla­im-Fin­dung nach der CL-Metho­de auch jenes, das die kon­kre­tes­ten Ein­bli­cke in die Her­an­ge­hens­wei­se eines Tex­ters bei der Sprach­ge­stal­tung gibt und gleich­zei­tig auch den höchs­ten Unter­hal­tungs­wert hat. In amü­san­ter Wei­se wird dem Leser die Unsin­nig­keit eini­ger der bekann­tes­ten eng­lisch­spra­chi­gen Claims vor Augen geführt, wie »Mitsu­bi­shi — Dri­ve ali­ve«, vom Autor über­setzt mit »Die Fahrt über­le­ben«, oder »Dou­glas — Come in and find out — Komm rein und find wie­der raus« (vgl. S. 215). Äußerst kurz­wei­lig ist auch das Kapi­tel, in dem Reins die Wer­bung für ein Pro­dukt mit dem Wer­ben um eine Frau gleich­setzt. Der Autor scheut dabei nicht den Ver­gleich mit Gia­co­mo Casa­no­va. Spä­tes­tens wenn Reins die Brü­cke von den Ver­füh­rungs­küns­ten des berühm­ten Schür­zen­jä­gers zu den Ver­füh­rungs­stra­te­gien der Wer­bung schlägt, wird selbst der kri­ti­sche Leser schwach und ist sich sicher, mit »Cor­po­ra­te Lan­guage« sei­nen Schatz gefun­den zu haben.

Der Desi­gner soll­te drin­gend auf­hö­ren, Tex­te nur als läs­ti­ges Bei­werk, »als Grau­wert« zu sehen (vgl. S. 10). In der Wer­bung kom­men Bil­der sel­ten ohne Wor­te aus. Dafür kön­nen Wör­ter eine Men­ge Bil­der pro­du­zie­ren, sie kön­nen unser Kopf­ki­no wecken.