Buchbesprechung

»Unser Verstand ist ein großartiges Werkzeug«

Leander Greitemann über Alltags-Vernebelungen

Eine Rezension von Saira Yaqoob


Wie funk­tio­nie­ren eigent­lich unse­re Gedan­ken? Kann man sei­ne eige­ne Wahr­neh­mung posi­tiv beein­flus­sen? An die­sen und vie­len wei­te­ren Fra­gen ent­lang steu­ert Lean­der Grei­temann in sei­nem Buch »Unfog your mind« auf die Frei­heit der Gedan­ken zu. Er schreibt: »Unser Ver­stand ist ein groß­ar­ti­ges Werk­zeug, das uns hilft, Ber­ge zu ver­set­zen. Und wenn wir schon eine Rea­li­tät im Kopf erzeu­gen, dann doch eine posi­ti­ve, die uns hilft, Gutes zu bewir­ken.« (S. 52) 

Das Ziel »Unfog your mind« steht stets im Mit­tel­punkt und soll dem Leser bei täg­li­chen Her­aus­for­de­run­gen den All­tag »ent­ne­beln«. »Wenn wir etwas tun, das außer­halb unse­rer Gewohn­hei­ten liegt, etwas wagen, das uns ein biss­chen kit­zelt, dann fin­det das eigent­li­che Leben statt!« (S. 57), befin­det der Autor. Grei­temann hat mit sei­nem Buch kein rei­nes Sach­buch geschaf­fen, dass aus­schließ­lich infor­miert, son­dern bie­tet eine Mischung aus Infor­ma­tio­nen und eige­nen Erfah­run­gen, die durch wis­sen­schaft­li­che Kennt­nis­se fun­diert wer­den und den Leser nach jedem neu­en Gedan­ken­gang auf ein klei­nes Selbst­ex­pe­ri­ment ein­la­den. Ein Bei­spiel eines Expe­ri­ments ist das Notie­ren von sei­nen eige­nen Gedan­ken, die inner­halb von weni­gen Minu­ten durch den Kopf schie­ßen. Dies soll Grei­temanns Leser erken­nen las­sen, dass Gedan­ken auf den unter­schied­lichs­ten Ebe­nen erschei­nen. Sein Schreib­stil ist umgangs­sprach­lich und »locker«. »Schon erstaun­lich, was da alles in so kur­zer Zeit Minu­ten [sic] hoch­kommt, oder? Wir haben in etwa 70000 Gedan­ken pro Tag. Das ist so, als ob du durch ein gro­ßes Fuß­ball­sta­di­on gehst und dir von jeder Per­son einen Gedan­ken anhörst.« (S. 16)

Das Kapi­tel 13 ist über­schrie­ben mit: »Mind­fog und Blue­bird. Über dem Him­mel ist blau­er Nebel.« Auf 13 Sei­ten geht Grei­temann auf die düs­te­ren Gedan­ken unse­res All­tags ein. »Die Ursa­chen für aku­ten Mind­fog sind zwar viel­sei­tig, las­sen sich jedoch immer nur in zwei Kate­go­rien ein­tei­len: Ver­ar­bei­tung der Ver­gan­gen­heit oder Pro­jek­ti­on in die Zun­kuft.« (S. 128) Er defi­niert den »Mind­fog« (deutsch: ver­ne­bel­te Gedan­ken) als Spe­ku­la­tio­nen und Mut­ma­ßun­gen. Viel­mehr aber soll­te die Ver­bin­dung zum jet­zi­gen Moment wie­der her­ge­stellt wer­den, sobald unser eige­ner Gedan­ken­ne­bel zum Vor­schein tritt.

Beson­ders das mit »Wenn das Glas halb leer sehen schon die hal­be Mie­te ist« beti­tel­te Kapi­tel 17 beinhal­tet für Desi­gner einen wich­ti­gen Aspekt. Denn fern von der Hal­tung »Das Glas ist halb voll, bedeu­tet Opti­mis­mus« ent­hält die­ses Glas weni­ger Platz für neue Mei­nun­gen und erzeugt Vor­ein­ge­nom­men­heit gegen­über ande­ren Sicht­wei­sen – eben­falls gegen­über poten­zi­el­len Kun­den und Part­nern in der Arbeits­welt. Denn »Krea­ti­vi­tät ent­steht nicht, wenn wir im alten Was­ser rüh­ren« (S. 173). Manch­mal hilft ein »Das haben wir schon immer so gemacht« (S. 173) eben nicht wei­ter. Grei­temanns Emp­feh­lung: Betä­tigt man sei­nen »Reset—Knopf«, lässt sich das eige­ne Glas mit neu­er Flüs­sig­keit füllen.

Die­se und wei­te­re Ideen wer­den auf 212 pro­fes­sio­nell gestal­te­te Sei­ten in 20 Kapi­teln ent­fal­tet. Jedes Kapi­tel beschreibt eine ande­re The­ma­tik, so muss das Buch nicht zwin­gend chro­no­lo­gisch gele­sen wer­den, son­dern es kön­nen ein­zel­ne Kapi­tel unab­hän­gig von­ein­an­der gele­sen wer­den. Sie beschäf­ti­gen sich mit The­men wie der Gedan­ken­frei­heit, der bewuss­ten Fokus­sie­rung auf den Weg und nicht auf das Ziel, dem Gemein­schafts­ge­fühl und des­sen Ein­satz, dem Per­spek­ti­ven­wech­sel für neue Ansich­ten, dem bewuss­ten »Ja-und-Nein«-sagen, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­re­geln und vie­lem mehr.

So bie­tet Lean­der Grei­temann mit »Unfog your mind« eine für jeder­mann leicht erschließ­ba­re Lek­tü­re an – »jeder­mann« wäre jeder, der sei­nen Geist von täg­li­chen Marot­ten und Aus­re­den gegen­über sich selbst ent­ne­beln und all­täg­li­che Denk­wei­sen in Fra­ge stel­len möch­te. Gleich­zei­tig spricht der Band mit sei­ner ein­zig­ar­ti­gen Buch-Hap­tik Gestal­tungs-Fana­ti­ker an. Als Inspi­ra­ti­on für sei­ne Arbeit zieht Grei­temann das Buch von Franz Berz­bach »Die Kunst ein krea­ti­ves Leben zu füh­ren« her­an, es wird jedoch nicht zum Ver­ständ­nis für »Unfog your mind« vor­aus­ge­setzt. Zum Abschluss sei­nes Buches führt Grei­temann acht Quel­len an, die er ergän­zend zum Lesen emp­fiehlt. Eine klei­ne Kri­tik am Ran­de: Lean­der Grei­temann kratzt mit sei­nen Aus­füh­run­gen bei einer Kapi­tel­län­ge zwi­schen 5 bis 13 Sei­ten lei­der oft nur an der Ober­flä­che. Hier wäre Tief­gang ab und zu ger­ne gese­hen – viel­leicht kommt er in künf­ti­gen Auf­la­gen und zudem noch mehr Inhalt, der den Leser zusätz­lich zur Gestal­tung des Buchs in den Bann schlägt.