In zeit­ge­nös­si­schen Spie­le­kri­ti­ken wird die Gra­fik (Detail­grad, Farb­pa­let­te) des Spiels kaum lobend erwähnt; im Gegen­teil sei es eher schwer, den sehr klei­nen Lem­min­gen immer zu fol­gen. Die anfäng­lich noch unüber­sicht­li­che Aus­wahl an Anpas­sungs­mög­lich­kei­ten im Menü wei­che schnell den Not­wen­dig­kei­ten des Spiels. Nur so bekä­me man die ver­dreh­te, erhei­tern­de und qual­vol­le Welt der Lem­min­ge zu sehen. Obwohl sie nicht zu den gra­fisch detail­reichs­ten Krea­tu­ren zähl­ten, sei­en die Lem­min­ge flüs­sig ani­miert, und wenn sie ver­bren­nen, explo­die­ren, ertrin­ken oder zer­malmt wür­den, sei­en Spie­len­de sich sehr bewusst, was die­se erlei­den. Schließ­lich kön­ne jeder Lem­ming auch in die Luft gesprengt wer­den, um bei­spiels­wei­se Bar­rie­ren zu besei­ti­gen, was sich jedoch als trau­ma­ti­sches Erleb­nis erwei­sen möge, wenn sich die klei­ne Figur an die Spie­len­den wen­de und nach einem syn­the­tisch klin­gen­den »Oh no!« in einer Wol­ke Kon­fet­ti ver­schwin­de. So leh­re Lem­mings »Die Kunst der Auf­op­fe­rung«: »Erwar­te kei­ne Reue oder Dank­bar­keit vom Rest der Grup­pe. Für sie ver­zö­ger­te der Blo­cker bloß das Fort­kom­men. Mit ihrem gedan­ken­lo­sen Ziel, ande­re Orte zu errei­chen, mar­schie­ren die über­le­ben­den Lem­min­ge durch jenen Kra­ter, den ihr ver­stor­be­ner Kame­rad hin­ter­las­sen hat, durch Tun­nel, aus­ge­ho­ben von ihren längst ver­schwun­de­nen, namen­lo­sen Vor­gän­gern, und über Brü­cken spe­zi­ell für sie errich­tet. Wie ein Beam­ter soll­te kein Lem­ming für eine gut erle­dig­te Auf­ga­be Dank erwar­ten; eben­so wenig wie Du. Dei­ne Beloh­nung für die Erle­di­gung eines Levels und das Diri­gie­ren so vie­ler kurz­sich­ti­ger, teil­nahms­lo­ser Scherz­kek­se ist ein Pass­wort; mit dem Du an die­se Stel­le des Spiels zurück­keh­ren kannst (…). Eben­so ver­dienst Du die inten­si­ve Befrie­di­gung vom Über­le­ben – wenn auch nur indi­rekt – des Schlimms­ten, was die Welt (oder ihre Desi­gner) Dir ent­ge­gen­wer­fen kann.« Lem­mings auf sich allein gestellt zu spie­len, soll­te eine ange­mes­se­ne Her­aus­for­de­rung dar­stel­len und es erlau­ben sich auf das wah­re Ziel des Spiels zu kon­zen­trie­ren: so vie­le Lem­min­ge wie mög­lich zu ret­ten.[4]

Obwohl das Spiel auf der Grund­la­ge einer Ani­ma­ti­on ent­stand, ist es kei­nes­falls die Gra­fik, die es aus­zeich­net. Rus­sel Kay sah in der Ani­ma­ti­on ein »game«, weil er eben kei­ne Lem­min­ge sah, son­dern ein Spiel­prin­zip jen­seits der visu­el­len Dar­stel­lung, ein vir­tu­el­les Modell. Obwohl die Levels von Lem­mings in einem Gra­fik­pro­gramm ent­stan­den, rich­te­te sich der Blick der Ent­wick­ler auf das Kri­te­ri­um der Schwie­rig­keit. Sie sahen also kei­ne Ber­ge, Abgrün­de oder Fal­len, son­dern Pro­blem­stel­lun­gen, Hin­der­nis­se und deren Kon­stel­la­tio­nen. Die­sen Blick legen auch noch die Spie­le­kri­ti­ker an den Tag. Sie ver­su­chen gera­de hin­ter die Fas­sa­de zu sehen, um so die gestell­ten Auf­ga­ben rein logisch und »apa­thisch« lösen zu kön­nen. Wor­in kann dann der Bei­trag der visu­el­len Rhe­to­rik für das Game Design liegen?

Begreift man die Rhe­to­rik nicht allein als Per­sua­si­ons-, son­dern viel­mehr als Pro­duk­ti­ons­theo­rie, so kann sie dabei hel­fen, auch medi­en­spe­zi­fi­sche Design­pro­zes­se zu beschrei­ben und in einen all­ge­mei­nen Kon­text zu stel­len. An die­ser Stel­le soll­te es aus­rei­chend sein, auf die ent­spre­chen­den Anknüp­fungs­stel­len in der Sys­tem­rhe­to­rik nach Laus­berg zu ver­wei­sen.[5] So notier­te Dave Jones nach sei­nem Weg­gang von DMA sei­ne u. a. bei der Ent­wick­lung von Lem­mings gelern­ten »design prin­ci­ples« (i. S. v. prae­cep­ta, Laus­berg, a. a. O., § 4.), die hier nur zusam­men­ge­fasst und aus­zugs­wei­se wie­der­ge­ge­ben wer­den [6]:


Ausgabe Nr. 4, Frühjahr 2014

Datenschutz-Übersicht
Sprache für die Form * Forum für Design und Rhetorik

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.

Unbedingt notwendige Cookies

Unbedingt notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir deine Einstellungen für die Cookie-Einstellungen speichern können.