Doppelausgabe Nr. 12 und 13, Herbst 2018: Essay

Wie kommuniziert Gewalt?

Zur visuellen Rhetorik des Terrorismus

Von Arne Scheuermann


1 Ter­ro­ris­mus als Kom­mu­ni­ka­ti­on[1]

Das Phä­no­men des Ter­ro­ris­mus erfährt in den ver­gan­ge­nen Jah­ren eine neue Auf­merk­sam­keit. Zuvor unbe­kann­te ter­ro­ris­ti­sche Ver­ei­ni­gun­gen betre­ten die Welt­büh­ne, beglei­tet von der Ver­brei­tung ihrer Pro­pa­gan­da und einer glo­ba­len Bericht­erstat­tung über ihre Taten im Inter­net – mit dem Ergeb­nis, dass die Angst vor Ter­ro­ris­mus auch in Kul­tur­räu­men zunimmt, die von die­ser Gewalt empi­risch betrach­tet nur mar­gi­nal bedroht sind, wie etwa in der »west­li­chen Welt«. Von welt­weit 25673 Opfern ter­ro­ris­ti­scher Anschlä­ge 2016 stam­men nur 265 aus OSZE-Län­dern – hin­ge­gen 75 % der Opfer ent­stam­men aktu­el­len Kri­sen­her­den und Bür­ger­kriegs­schau­plät­zen wie Afgha­ni­stan, Nige­ria, Syri­en, Paki­stan und dem Irak.[2] Gleich­wohl befin­den sich unter den Tätern nicht weni­ge, die sich »im Wes­ten« radi­ka­li­sie­ren – sei­en es Jiha­dis­ten, die in den syri­schen Bür­ger­krieg zie­hen oder gewalt­be­rei­te Neo­na­zis, die vor Ort aktiv wer­den – und gleich­wohl leuch­tet ein, dass man die­se Per­so­nen bereits vor Ort durch Gegen­maß­nah­men von ihren Taten abhal­ten will.

Das Gefäl­le in unse­rer Gesell­schaft zwi­schen der »gefühl­ten« und der »empi­ri­schen« Gefahr durch Ter­ro­ris­mus macht aller­dings auch deut­lich, dass es sich beim Ter­ro­ris­mus eben nicht nur um das fak­ti­sche Phä­no­men ter­ro­ris­ti­scher Taten han­delt. Viel­mehr erfüllt eine ter­ro­ris­ti­sche Tat zuvor­derst eine eige­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­funk­ti­on: Der ter­ro­ris­ti­sche Anschlag zielt nur in Tei­len dar­auf ab, tat­säch­li­chen Sach- und Per­so­nen-Scha­den anzu­rich­ten – sein Ziel ist es vor allem, Angst zu ver­brei­ten, Mit­strei­ter zu rekru­tie­ren, Feind­bil­der zu erzeu­gen. Ter­ro­ris­mus lässt sich in die­sem Sin­ne also ganz all­ge­mein (auch) als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ak­ti­vi­tät ver­ste­hen, durch die star­ke Gefüh­le geweckt wer­den: Angst, Begeis­te­rung, Hass, Abscheu, Hoch­mut etc. Man könn­te sagen: Ter­ro­ris­mus trägt mit rhe­to­ri­schen Mit­teln des pathos zur poli­ti­schen Mei­nungs­bil­dung bei.

Es leuch­tet daher ein, dass Gegen­maß­nah­men, die Per­so­nen davon abhal­ten wol­len, sich gewalt­be­reit zu extre­mi­sie­ren oder die bereits gewalt­be­rei­te Extre­mis­ten zum Aus­stieg auf­ru­fen wol­len, nicht allein an die Ver­nunft – den logos – appel­lie­ren soll­ten. Coun­ter-Nar­ra­ti­ves in den Berei­chen Coun­tering und Pre­ven­ting Vio­lent Extre­mism (CVE und PVE, so die Fach­be­grif­fe im zeit­ge­nös­si­schen Dis­kurs), tun also gut dar­an, die Affek­te zu stu­die­ren, die den Ter­ro­ris­mus für sei­ne Anhän­ger so attrak­tiv machen, wenn sie die­se Ziel­grup­pe auch affek­tiv errei­chen wol­len. Aber wie »kom­mu­ni­ziert« eine ter­ro­ris­ti­sche Tat nun genau? Was zeich­net das Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign einer ter­ro­ris­ti­schen Grup­pe aus, bei­spiels­wei­se des soge­nann­ten »IS«? Und wie kann man ange­mes­sen – um einen wei­te­ren Kern­be­griff der Rhe­to­rik zu ver­wen­den – dar­auf reagie­ren, ohne auf Gewalt(bilder) mit Gewalt(bildern) zu reagieren?

Die Rhe­to­rik stellt zur Klä­rung die­ser Fra­gen einen guten Werk­zeug­kas­ten zur Ver­fü­gung, mit des­sen Hil­fe sich eine kon­zep­tio­nel­le, modell­haf­te Makro-Per­spek­ti­ve und eine prak­ti­sche, ana­ly­ti­sche Mikro-Per­spek­ti­ve ver­bin­den las­sen. Mit­hil­fe des Kon­zepts der rhe­to­ri­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on[3] lässt sich theo­re­tisch beschrei­ben, wie die ter­ro­ris­ti­sche Tat als Mit­tel der Kom­mu­ni­ka­ti­on instru­men­ta­li­siert wird. Und mit­hil­fe der Rhe­to­ri­schen Design­ana­ly­se[4] las­sen sich ganz kon­kret gestal­te­te Erzeug­nis­se, wie etwa Web­sites, Pro­pa­gan­da-Maga­zi­ne oder Memes, auf ihre Zie­le hin untersuchen.


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