2 Sich dem The­ma in einer Fall­stu­die nähern

Seit 2015 beschäf­tigt sich an der Ber­ner Fach­hoch­schu­le BFH / Hoch­schu­le der Küns­te Bern HKB eine inter­dis­zi­pli­nä­re Arbeits­grup­pe mit die­sen Fra­gen.[5] Gemein­sam mit Ver­tre­tern aus den Berei­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign (Inter­face Design, Edi­to­ri­al Design etc.), Kri­mi­no­lo­gie, Sozi­al­an­thro­po­lo­gie und Frie­dens­for­schung wur­de hier­bei etwa in einer Fall­stu­die das Edi­to­ri­al Design des Online-Maga­zins Dabiq unter­sucht, dass der »IS« zwi­schen 2014 und 2016 als pdf ver­trie­ben hat, um Mit­strei­ter für den Jihad zu gewin­nen und Gräu­el­pro­pa­gan­da zu ver­trei­ben; in einer wei­te­ren Pro­jekt­rei­he wird die­ses Wis­sen in die Ent­wick­lung aktu­el­ler Coun­ter-Nar­ra­ti­ves in der Schweiz ein­ge­speist; aktu­ell berei­tet die Grup­pe einen grö­ße­ren For­schungs­ver­bund vor, um die visu­el­le Rhe­to­rik von Vio­lent Extre­mism euro­pa­weit zu erforschen.

Im Fol­gen­den stellt eine gekürz­te Ver­si­on eini­ge Ergeb­nis­se der Dabiq-Stu­die vor.[6]

Hier­bei ist die For­schungs­grup­pe ergeb­nis­of­fen auf das Mate­ri­al zuge­gan­gen, um in einem ers­ten Schritt grund­sätz­lich zu klä­ren, wie sich Affekt­kom­mu­ni­ka­ti­on im Gra­fik-Design von ter­ro­ris­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen mit­hil­fe der rhe­to­ri­schen Design­ana­ly­se erfas­sen und unter­su­chen lässt.

Die rhe­to­ri­sche Design­ana­ly­se nach dem Ber­ner Modell fin­det sich an ande­rer Stel­le bereits aus­führ­lich vor­ge­stellt[7]; zum Ver­ständ­nis der Ergeb­nis­se sei den­noch kurz das Vor­ge­hen der Arbeits­grup­pe in vier Schrit­ten beschrie­ben: In einem ers­ten Schritt haben erfah­re­ne Desi­gner die for­ma­len Eigen­schaf­ten des Mate­ri­als erfasst. In einem zwei­ten Arbeits­schritt wur­den die beob­ach­te­ten for­ma­len Eigen­schaf­ten mit ver­mu­te­ten Wirk­zie­len in Zusam­men­hang gebracht. So las­sen sich bei­spiels­wei­se aus der Ver­wen­dung einer bestimm­ten Schrift­grö­ße Wir­kungs­ab­sich­ten zur Les­bar­keit ablei­ten oder aus der Ver­wen­dung bestimm­ter Foto-Ästhe­ti­ken Wir­kungs­ab­sich­ten zur Erschei­nung eines Maga­zins. Nach einer gemein­sa­men Klä­rung die­ser Annah­men im For­schungs­team wur­den in einem drit­ten Arbeits­schritt ganz spe­zi­ell die­je­ni­gen Wir­kun­gen ange­schaut, die der Mehr­heit der Wirk­zie­le ent­ge­gen­ste­hen. Es wird also geprüft, wo sich das Gra­fik Design selbst »wider­spricht«, also wo es kon­tra-inten­tio­nal kom­mu­ni­ziert. In einem vier­ten Arbeits­schritt wer­den die­se Ergeb­nis­se dann zusam­men­ge­fasst und gedeu­tet.

Zum Edi­to­ri­al Design von Dabiq lässt sich nun fol­gen­des fest­stel­len:[8]

– Abge­se­hen von den Titel­bil­dern und von ganz weni­gen Aus­nah­men im Maga­zin-Inne­ren ist das tech­ni­sche Niveau des Edi­to­ri­al Designs eher nied­rig. Was den tech­ni­schen Ela­bo­ra­ti­ons­grad des Inne­ren von Dabiq angeht, ist das Maga­zin also am ehes­ten im Span­nungs­feld zwi­schen Lai­en­gra­fik und semi­pro­fes­sio­nel­ler Gestal­tung anzusiedeln. […]

– Das Maga­zin macht in der Gesamt­schau einen hete­ro­ge­nen Ein­druck: kei­ne Aus­ga­be gleicht in allen gestal­te­ri­schen Para­me­tern der ande­ren, oft sind im sel­ben Maga­zin bei unter­schied­li­chen Bei­trä­gen unter­schied­li­che gestal­te­ri­sche »Hand­schrif­ten« zu fin­den, die ledig­lich über ein­zel­ne Para­me­ter wie die gemein­sa­me Form der Pagi­nie­rung oder eine über meh­re­re Aus­ga­ben kon­sis­ten­te Gestal­tung des Inhalts­ver­zeich­nis­ses zusam­men­ge­hal­ten wer­den. Es scheint, dass ein­zel­ne redak­tio­nel­le Bei­trä­ge inner­halb einer Aus­ga­be von unter­schied­li­chen Gestal­tern aus­ge­führt wer­den, die jeweils nur einem bestimm­ten Rah­men gestal­te­ri­scher Grund­re­geln von beschränk­ter Gül­tig­keit fol­gen. Ein­zel­ne Rubri­ken, die als Inserts im redak­tio­nel­len Teil erschei­nen (wie etwa die ab Aus­ga­be 9 erschei­nen­den Ein­zel­sei­ten »Sel­ec­ted 10«, auf der jeweils für zehn Inter­net­fil­me der IS-Medi­en­stel­le und ver­wand­ter Quel­len gewor­ben wer­den), fol­gen zusätz­lich einer eige­nen gestal­te­ri­schen Logik. Und auch wenn in der Sum­me ver­schie­de­ner Ände­run­gen – wie etwa durch den Wech­sel auf Hoch­for­mat mit Aus­ga­be 2 und den Wech­sel von Gro­tesk auf Anti­qua-Schrif­ten mit Aus­ga­be 9 – so etwas wie Grup­pen ähn­li­cher Aus­ga­ben ent­ste­hen, muss man kon­sta­tie­ren: Eine klas­si­sche Art-Direc­tion, einen gemein­sa­men Look, ein ver­bind­li­ches Edi­to­ri­al Design gibt es nicht – auch nicht nach dem aktu­ell letz­ten Schritt in der Gestal­tung (ab Aus­ga­be 14), der in der Sum­me sei­ner Ver­än­de­run­gen und in der höhe­ren Kon­sis­tenz der Durch­füh­rung in den letz­ten bei­den Aus­ga­ben (14 und 15) noch am ehes­ten dem ent­spricht, was man ein klas­si­sches Rede­sign nen­nen könn­te. Eher las­sen sich in der Ent­wick­lung von Dabiq eine anhal­ten­de Fül­le von Anpas­sun­gen und Ver­än­de­run­gen aus­ma­chen, die das Edi­to­ri­al Design des Maga­zins mehr oder weni­ger in einer Art evo­lu­tio­nä­rem Pro­zess von Aus­ga­be zu Aus­ga­be bestimm­ten Wirk­zie­len angleichen.


Doppelausgabe Nr. 12 und 13, Herbst 2018

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