Die­se Ver­än­de­run­gen las­sen sich anhand unter­schied­lichs­ter makro- und mikro­ty­po­gra­fi­scher Ele­men­te zei­gen, auf die hier aus Platz­grün­den nicht wei­ter ein­ge­gan­gen wer­den soll. Wich­tig scheint jedoch: Ein »im Wes­ten« als Bei­spiel für die pro­fes­sio­nel­le Medi­en­ar­beit des »IS« genann­tes Pro­pa­gan­da-Instru­ment ent­puppt sich bei genaue­rem Hin­se­hen als ein gestal­te­ri­sches Sammelsurium.

Die stän­di­ge Ver­fei­ne­rung des typo­gra­fi­schen Werk­zeugs deu­tet dar­auf hin, dass man die Les­bar­keit ver­bes­sern möch­te. Die gestal­te­ri­schen Allu­sio­nen an Com­pu­ter­games und TV/Kino deu­tet dar­auf hin, dass man kul­tu­rel­le Gemein­sam­kei­ten der Ziel­grup­pe sti­lis­tisch nutzt und als ter­ti­um com­pa­ra­tio­nis des visu­el­len Fun­dus eta­bliert. Die zuneh­men­de Sicher­heit im Umgang mit Bil­dern stützt die­se Beob­ach­tung. Gleich­zei­tig deu­ten die Gemenge­la­ge der unter­schied­li­chen Hand­schrif­ten auf eine, wenn nicht bewuss­te, so doch unbe­wuss­te Inkauf­nah­me von Viel­stim­mig­keit hin. Die unter­schied­li­chen Arti­kel­an­fän­ge kön­nen als Aus­druck authen­ti­schen, weil semi-pro­fes­sio­nel­len Gestal­tens gese­hen wer­den. Das Maga­zin sieht so aus, wie auch eine ambi­tio­nier­te Schü­ler- oder Ver­eins­zei­tung aus­se­hen könn­te – Lai­en rea­li­sie­ren das (auch hier: ggf. unbe­wusst). Damit wird Dabiq zu einem poten­zi­el­len Abbild des Hoch­glanz­ma­ga­zins, das als Vor­bild fun­giert. Die Macher von Dabiq prä­sen­tie­ren also ein Maga­zin, dass sich an den Kon­ven­tio­nen des west­li­chen Maga­zin­jour­na­lis­mus ori­en­tiert, jedoch in sei­ner Aus­füh­rung die­ses Ide­al nicht erreicht. Anspruch und Rea­li­tät klaf­fen aus­ein­an­der – ob gewollt oder unge­wollt lässt sich hier­bei nicht ausmachen.

Die­ses Ergeb­nis ist nun beson­ders inter­es­sant vor dem Hin­ter­grund, dass Dabiq immer wie­der im Inter­net als »Hoch­glanz-Maga­zin« bewor­ben und von west­li­chen Medi­en auch so bezeich­net wurde.

Die­se Beob­ach­tung lässt sich nun mit der wei­ter oben bereits erwähn­ten Eigen­wer­bung in Ver­bin­dung brin­gen: Look und Feel des west­li­chen Maga­zins wer­den ja von den Machern des Maga­zins bewusst insze­niert und damit als Kor­re­la­ti­ons­grö­ße eta­bliert. […] So lässt sich der zen­tra­le rhe­to­ri­sche Ziel­kon­flikt in der Gestal­tung von Dabiq zusam­men­fas­sen: Man strebt Look und Feel des west­li­chen Maga­zins an und erreicht durch tech­ni­sche Beschrän­kun­gen eine Authen­ti­zi­tät des Hand­ge­mach­ten. Gleich­zei­tig kön­nen also alle Leser, die sich dem Maga­zin eher affir­ma­tiv ver­bun­den füh­len, das Hand­ge­mach­te des Maga­zins wahr­neh­men und gemein­sam mit jenen Lesern, die den Auf­fas­sun­gen des soge­nann­ten »IS« eher kri­tisch gegen­über­ste­hen, zu dem Ein­druck gelan­gen, es kön­ne sich um ein Hoch­glanz­ma­ga­zin handeln. […]

In die­sem Kon­text sind dann auch alle bewuss­ten Stil­brü­che zu bewer­ten: Die bewuss­te Pro­vo­ka­ti­on durch Gräu­el­pro­pa­gan­da oder durch unvor­teil­haf­te Bil­der der Geg­ner ver­dankt sich die­sem Neben­ein­an­der der Sti­le, in denen eine gro­ße Brei­te mög­li­cher Bild­ty­pen wie selbst­ver­ständ­lich Platz fin­det. Die­se Brü­che auf der Bild­ebe­ne kor­re­spon­die­ren mit jenen auf der Ebe­ne der Bild­aus­wahl, Bild­qua­li­tät oder des gra­fi­schen Ein­sat­zes. Damit ist ein zen­tra­ler Ziel­kon­flikt iden­ti­fi­ziert: Je mehr sich Dabiq wei­ter in Rich­tung »Hoch­glanz-Maga­zin« ent­wi­ckelt, umso schwie­ri­ger wird es, das Maga­zin (auch) noch zur Publi­ka­ti­on abschre­cken­der Gewalt­bil­der zu nut­zen, ohne dabei die Regeln der rhe­to­ri­schen Ange­mes­sen­heit zu ver­let­zen. Aber genau das tun die Absender:

[…] Das Neben­ein­an­der unter­schied­li­cher Stil­hö­hen und Ela­bo­ra­ti­ons­gra­de im Edi­to­ri­al Design mag empi­risch sehr unter­schied­li­che Grün­de haben, über die wir an die­ser Stel­le nur mut­ma­ßen kön­nen: tech­ni­sche Beschränkt­heit des gra­fi­schen Werk­zeugs, unter­schied­lich geschul­te und gestal­te­risch begab­te Mit­ar­bei­ter, dezen­tra­le Pro­duk­ti­on, eine gro­ße Grup­pe von Gestal­tern und ande­res mehr.

Auf der Ebe­ne der gestal­te­ri­schen Rea­li­sie­rung jedoch wider­spie­gelt die­se Gemenge­la­ge mit sehr gro­ßer Ange­mes­sen­heit die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie des »IS«: Das Neben­ein­an­der von »west­li­chem Hoch­glanz« (wenn auch nur als Flucht­punkt der gestal­te­ri­schen Bemü­hun­gen) und Lai­en­gra­fik bie­tet in Dabiq das per­fek­te Umfeld für eine Fül­le an Stil­brü­chen und Stil­hö­hen­wech­seln. So gelingt es, Gräu­el-Pro­pa­gan­da und Pre­digt, Erbau­ungs­tex­te und Schlach­ten­be­rich­te, Inter­views und Wer­bung neben­ein­an­der im sel­ben Maga­zin zu ver­sam­meln. Die unter­schied­li­chen Ziel­grup­pen – zu begeis­tern­de Jiha­di und zu scho­ckie­ren­de Geg­ner des Jihad – wer­den im sel­ben For­mat erreicht. Die­se Design­stra­te­gie wird zuneh­mend in Rich­tung einer pro­fes­sio­nel­le­ren Gestal­tung wei­ter­ent­wi­ckelt. […] Die­se Ent­wick­lung passt zu den im zen­tra­len Doku­ment der »IS«-Medienstrategie fest­ge­leg­ten Stu­fen der Ent­wick­lung des »IS« selbst.

Die beson­de­re kom­mu­ni­ka­ti­ve Leis­tung von Dabiq – näm­lich gleich­zei­tig abzu­schre­cken und zu begeis­tern – lässt sich also, wie gezeigt, auf der Mikro-Ebe­ne fein­ty­po­gra­fi­scher Ana­ly­se auf­zei­gen und rhe­to­risch – als Ziel­kon­flikt der Affekt­hö­hen – deu­ten. Nach der Ein­stel­lung des Maga­zins Dabiq 2016 wid­met sich die Medi­en­stel­le des »IS« einem neu­en Maga­zin: Rumi­yah. Hier wer­den die oben beschrie­be­nen Ziel­kon­flik­te wei­ter ver­schärft: noch mehr »Hoch­glanz« neben noch affekt­stär­ke­ren Gräu­el­bil­dern. Das Rezept geht also auf.


Doppelausgabe Nr. 12 und 13, Herbst 2018

Datenschutz-Übersicht
Sprache für die Form * Forum für Design und Rhetorik

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.

Unbedingt notwendige Cookies

Unbedingt notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir deine Einstellungen für die Cookie-Einstellungen speichern können.