Das ist natür­lich kei­ne revo­lu­tio­nä­re Erkennt­nis, son­dern viel­ge­üb­te Pra­xis in der heu­ti­gen Medi­en­welt. Aller­dings scheint sich ­gegen­über Aris­to­te­les etwas ver­kehrt zu haben: Bei ihm stand die Affekt­er­re­gung, wie beschrie­ben, im Diens­te des Logos, der ­Argu­men­ta­ti­on, die Affekt­er­re­gung half, die Über­zeu­gungs­kraft der Argu­men­ta­ti­on zu beför­dern. Wie sieht das heu­te aus? Mir scheint, die Affekt­er­re­gung wird häu­fig als Selbst­zweck an­gesehen, los­ge­löst vom Logos-Appell, sie ist nicht mehr ein­gebettet in einen Gesamt­zu­sam­men­hang, dem es um eine über­zeu­gen­de ­Argu­men­ta­ti­on und deren umfas­sen­de, dau­er­haf­te Wir­kung geht.

Mir scheint, wir glau­ben, dass die Erre­gung der Affek­te allein schon für eine Über­zeu­gung sorgt. Das mag ja für einen Kauf­impuls genü­gen – aber für eine Ver­än­de­rung der Ein­stel­lun­gen, des Ver­hal­tens, der Hal­tun­gen und der Mei­nun­gen der Men­schen, also für eine tief­ge­hen­de Ände­rung der Men­schen? Wir müs­sen uns klar­ma­chen: Der anti­ken Rhe­to­rik ging es nicht um Klei­nig­kei­ten, ihr ging es ums Gan­ze des Menschen.

Was für eine Wir­kungs­for­schung wol­len wir betrei­ben? Eine, die Affekt­er­re­gung als Selbst­zweck unter­sucht? Oder eine, die sich die­sem Gesamt­pa­ket zuwen­det, also unter­sucht, wie Affek­te der Argu­men­ta­ti­on dienen?

Wol­len wir das Gesamt­pa­ket, dann müs­sen wir nicht allein die Metho­den der Wir­kungs­for­schung die­ser Auf­ga­be gemäß ein­setzen, son­dern wir soll­ten uns um eine Theo­rie bemü­hen, die ­eini­ge grund­le­gen­de, phi­lo­so­phi­sche Pro­ble­me löst, uns einen ­ver­tief­ten Begriff von Wirk­lich­keit und Wir­kung, von einer ­Gestal­tung der Wirk­lich­keit ver­schafft. Die­se Theo­rie kann ich aus Zeit­grün­den heu­te nicht vor­stel­len, son­dern nur dar­auf hin­wei­sen, dass ich sie mir aus Karl Pop­pers Drei-Wel­ten-Theo­rie hole. Laut Pop­per ist wirk­lich, was Wir­kung hat. Was sich dahin­ter ver­birgt, habe ich an ande­rer Stel­le schon ein­mal dar­ge­legt und möch­te das noch aus­führ­li­cher schrift­lich tun, nicht aber hier und heute.

Design­for­schung als Wirkungsforschung

Ich möch­te aus die­ser grund­le­gen­den Dis­kus­si­on nun ganz weit her­aus­sprin­gen und ihnen zei­gen, wie ich an sol­chen »Gesamt­paketen« zu bas­teln ver­su­che. Damit das ver­stan­den wer­den kann, muss ich erwäh­nen, wo ich ste­cke: Ich leh­re Schrei­ben und Rhe­to­rik an der Hoch­schu­le Kon­stanz, und zwar in den ­Stu­di­en­gän­gen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign. Dort bemü­he ich mich, ­einen Bei­trag zur Design­for­schung zu leis­ten, ange­legt als eine Wirkungsforschung.

Was tun Desi­gner, Gestal­ter? Sie gestal­ten die Wirk­lich­keit. Für mich sind Gestal­ter – zumin­dest dann, wenn sie ihr Metier ­beherr­schen – »Exper­ten für Wir­kungs­steue­rung«[4]. Eine ­ent­spre­chend aus­ge­rich­te­te Design­for­schung kann bei­spiels­wei­se für das Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign den Ein­satz visu­el­ler und ­ver­bal­sprach­li­cher Gestal­tungs­mit­tel in ihrer Wech­sel­wir­kung ­auf­ein­an­der und in ihrer Wech­sel­wir­kung zu Argu­men­ten unter­suchen. Dar­auf rich­te ich mei­ne For­schun­gen hin, und das könn­te ein Feld wer­den, das rhe­to­ri­sche und Design­for­schung in ­Kon­stanz kenn­zeich­nen könn­te. Mit dem wis­sen­schaft­li­chen ­E-Jour­nal »Spra­che für die Form — Forum für Design und Rhe­to­rik« wur­de in Kon­stanz ein neu­es Medi­um geschaf­fen, das sich auch die­ser Debat­te zuwendet.

Mit die­sen drei Appell­funk­tio­nen – Logos, Ethos, Pathos – arbei­tet ein Red­ner, und mit die­sen drei Appell­funk­tio­nen arbei­tet auch der Gestal­ter in kom­mu­ni­ka­ti­ven Akten. Die­ses Wis­sen kann ­sowohl für eine Ana­ly­se gestal­te­ri­scher Arbei­ten her­an­ge­zo­gen wer­den als auch im Gestal­tungs­pro­zess dien­lich sein. Und dann las­sen sich grund­le­gen­de Fra­gen ­stel­len und unter­su­chen wie:
• Wel­che Wir­kun­gen ent­ste­hen durch gestal­te­ri­sche Akte?
• Wie las­sen sich die­se ­Wir­kun­gen steuern?
• Wel­che Wech­sel­wir­kun­gen ent­ste­hen zwi­schen Wort und Bild?
• Wel­che Wech­sel­wir­kun­gen ent­ste­hen zwi­schen Argu­men­ta­ti­on und Nar­ra­ti­on, also zwi­schen Logos-ori­en­tier­ten Begrün­dun­gen ­einer­seits und der auf Ethos und vor allem Pathos abhe­ben­den ­redak­tio­nel­len und gestal­te­ri­schen Formgebung?


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