2 Topoi des Adbusting

Adbusts sind Umge­stal­tun­gen von Wer­be­pla­ka­ten. Mit eini­gem Recht wer­den sie den Graf­fi­ti- und Street-Art-Phä­no­me­nen zuge­ord­net, inso­fern sie, wie die­se, flüch­ti­ge Inter­ven­tio­nen sind, die von anony­men Urhe­bern in einem ago­nal-spie­le­ri­schen, mit­hin kom­mu­ni­ka­ti­ven Pro­zess im urba­nen Raum sicht­bar ein­ge­bracht wer­den. Auch wenn »to bust« eher einen destruk­ti­ven Cha­rak­ter bezeich­net, sind Adbusts oft­mals eher krea­tiv, d. h. schöp­fe­risch zu nen­nen. Sie ent­wi­ckeln – bewusst oder auch unbe­wusst – Stra­te­gien, sich der Wer­be­codes para­si­tär zu bedienen.

Ver­steht man die­se Stra­te­gien nicht als ein­zel­ne, kon­kre­te Hand­lungs­an­wei­sun­gen, son­dern als all­ge­mei­ne Argu­men­ta­ti­ons­mus­ter, als einen – meta­pho­risch gespro­chen – Ort, mög­li­che Argu­men­ta­ti­ons­gän­ge zu fin­den, so ist man genau am Kern­an­lie­gen die­ses Essays: die Topoi des Adbusts, also sol­che »Orte« zum Fin­den mög­li­cher argu­men­ta­ti­ver Inter­ven­tio­nen, auszuloten.

Da Adbusts so dicht an und mit Wer­be­pla­ka­ten arbei­ten, liegt es nahe, dass sie auch deren struk­tu­rel­len Auf­bau tei­len. Adbusts bestehen im All­ge­mei­nen aus Bild­tei­len, Text­tei­len, einem Mar­ken­zei­chen und einem Rah­men, auch wenn nicht alles davon durch die Adbus­ter selbst gene­riert wor­den sein muss. Ihre Bot­schaft setzt sich dabei aus Ein­zel­bot­schaf­ten zusam­men, die der Rezi­pi­ent inter­pre­ta­tiv erschlie­ßen muss. Da Bild und Text unter­schied­li­che Medi­en sind, was vor allem heißt, dass sie unter­schied­lich rezi­piert wer­den, haben sie auch unter­schied­li­che Mög­lich­kei­ten, Bedeu­tung zu schaffen.

2.1 Die sprachliche Interpretation

Ein Bild ist seman­tisch offen, es zeigt uns etwas, aber es zeigt uns nicht zugleich, was es zeigt; also was von dem Gezeig­ten rele­vant ist.[1] Zwar sind Wer­be­bil­der oft um eine rela­ti­ve Ein­deu­tig­keit bemüht, so dass sie uns etwas – unter mög­lichst star­ker Aus­blen­dung bild­li­cher Stör­fak­to­ren – zei­gen, den­noch bleibt die inter­pre­ta­ti­ve Leis­tung, die der Rezi­pi­ent erbrin­gen muss, um solch ein Bild zu ver­ste­hen, auf­grund der seman­ti­schen Offen­heit gewal­tig. Sprach­li­che Bot­schaf­ten besit­zen daher in Wer­be­bot­schaf­ten vor allem einen repres­si­ven Wert.[2] Sie sol­len dem Rezi­pi­en­ten inter­pre­ta­ti­ve Arbeit abnehmen.

So wird etwa in die­sem Pla­kat (Abb. 6) die dar­ge­stell­te Situa­ti­on als eine bestimmt, in der der DRK-Mit­ar­bei­ter gar nicht anders kann als zu helfen.

Abbil­dun­g 6

Abbil­dun­g 6

Selbst einer Venus­sta­tue, die auf sei­ne Hil­fe wohl kaum ange­wie­sen ist, muss er hel­fen, denn: »Wir kön­nen nicht anders.« Es ist dies die inter­pre­ta­ti­ve Leis­tung der sprach­li­chen Bot­schaft, die sich auf das Bild­gan­ze bezieht und die in dem schon gezeig­ten Adbust gebro­chen wird. Die ein­ge­zo­ge­nen Lini­en grei­fen genau jenen stra­te­gi­schen Punkt an, an dem Bedeu­tung gene­riert wer­den soll. Durch die Lini­en ent­steht eine Situa­ti­on, die nicht mehr ohne wei­te­res als eine Hil­fe-Situa­ti­on gekenn­zeich­net wer­den kann, son­dern eher als eine lüs­ter­ne Wir-kön­nen-nicht-anders-und-schau­en-selbst-einer-Venus­sta­tue-auf-die-Brüs­te-Situa­ti­on. Die para­si­tä­re Nut­zung der sprach­li­chen Bot­schaft in ihrer inter­pre­ta­ti­ven Funk­ti­on ermög­licht es dem Adbus­ter, die Bedeu­tungs­ge­ne­rie­rung zu mani­pu­lie­ren. Eben die­se Stra­te­gie stellt einen Topos dar. Der Adbus­ter kann gezielt die Stel­len des Pla­ka­tes an- und auf­grei­fen, die sys­te­ma­ti­sche Schnitt­stel­len zwi­schen den Medi­en dar­stel­len und als sol­che dem Adbus­ter gleich­sam als »Soll­bruch­stel­len« erschei­nen mögen. Das rhe­to­risch gelun­ge­ne Adbust greift stets sol­che Stel­len an. Das soll hei­ßen: Die rhe­to­ri­schen Topoi kön­nen als Gelin­gens­be­din­gun­gen rhe­to­risch wirk­sa­mer Adbusts dis­ku­tiert wer­den. Wel­che kon­kre­ten Mit­tel dafür gewählt wer­den, hängt vom Ein­zel­fall ab, die Stra­te­gie aber ist kate­go­ri­sier­bar und als rhe­to­ri­scher Topos auszuweisen.


Ausgabe Nr. 2, Frühjahr 2013

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