Der nüch­ter­ne For­scher Grun­the schätzt gegen­über Salt­ner die Lage kor­rekt ein, die Ver­su­che der Men­schen, mit ihrer Waf­fen­tech­nik die Mar­tier in ihre Schran­ken zu wei­sen, erwei­sen sich als aus­sichts­los: Dies zeigt sich bereits bei der ers­ten Begeg­nung zwi­schen Besat­zungs­mit­glie­dern eines Luft­schif­fes der Mar­tier und den See­leu­ten eines eng­li­schen Kano­nen­boo­tes. Bei einem Land­gang tref­fen sie auf­ein­an­der, ein eng­li­scher Leut­nant schießt mit sei­nem Gewehr auf zwei Mar­tier. »Ein zwei­ter Schuß aus dem Repe­tier­ge­wehr folg­te sofort, aber der Mar­tier hat­te sich bereits bei­sei­te gewor­fen, die Kugel ging fehl. Im nächs­ten Augen­blick ließ Prim das Gewehr macht­los aus der Hand fal­len. Er war nicht ver­wun­det, aber die Hand war gelähmt, er konn­te sie nicht bewe­gen. Der ande­re Mar­tier hat­te mit sei­nem Tele­lyt-Revol­ver die moto­ri­schen Ner­ven der Hand gelähmt.«[66] Ihre tech­ni­sche Über­le­gen­heit erlaubt es den Mar­ti­ern, »Gewalt gleich­sam gewalt­los« ein­zu­set­zen, nur in dem Aus­maß, dass wei­te­re Gewalt und Schä­den an Leib und Leben ver­mie­den wer­den kön­nen. Waf­fen­tech­nik im Diens­te pazi­fis­ti­scher Zie­le? So ein­fach machen es die Men­schen den Mar­ti­ern nicht, der Kon­flikt eska­liert, von ihrem Kano­nen­boot aus neh­men die Eng­län­der das Luft­schiff unter Beschuss, sie wol­len ihre Unter­le­gen­heit nicht einsehen.

Die­se Unein­sich­tig­keit der Men­schen wird noch mehr­fach in dem Roman eine Rol­le spie­len. Dass ihr Ange­bot eines ist, das von man­chen auch abge­lehnt wird, damit hat­ten die Mar­tier zwar nicht gerech­net, sie reagie­ren aber auch dar­auf zuerst ein­mal mit »Abschre­ckungs­tech­nik«. Als in der deut­schen Haupt­stadt die Hee­re vor dem Mon­ar­chen zur Trup­pen­pa­ra­de auf­mar­schie­ren, tau­chen die Luft­schif­fe der Mar­tier auf, aus­ge­stat­tet mit »Repul­sit­ge­schos­sen« und »Tele­lyt­waf­fen« und umhüllt von »Nihi­lit­sphä­ren«, die von kei­ner Waf­fe der Men­schen durch­drun­gen wer­den können:

»Und da geschah es.
Vor der Haupt­stadt des Rei­ches, an des­sen Gren­zen man nir­gends die Spur eines Fein­des hat­te beob­ach­ten können.
Im Augen­blick der größ­ten Macht­ent­fal­tung des stärks­ten Landheeres.
Wie ein Schwarm von Raub­vö­geln schoß es vom Him­mel her­nie­der, geräusch­los, glän­zen­de, glat­te Unge­tü­me. Und im Moment, da man sie bemerk­te, waren sie auch schon da und hat­ten die Schar der Anfüh­rer umringt.«[67]

Dem Befehl der Mar­tier, sich zu erge­ben, wol­len die Offi­zie­re nicht Fol­ge leis­ten: »Die Offi­zie­re küm­mer­ten sich nicht dar­um, sie spreng­ten wei­ter. Aber nicht lan­ge. Kei­ner pas­sier­te den Kreis, den die Schif­fe absperr­ten. Von einer unsicht­ba­ren Macht zurück­ge­wor­fen, stürz­ten Roß und Rei­ter zusam­men.«[68] Gegen solch tech­ni­sche Über­macht lässt sich nicht anren­nen. Doch die Kaval­le­rie will es trotz­dem wis­sen und bekommt eine der »pazi­fis­ti­schen Waf­fen« der Mar­tier zu spüren:

»Und nun kam die ers­te Rei­he der Rei­ter in den Bereich ihrer Wir­kung, und gleich dar­auf zog die selt­sa­me Maschi­ne über das gan­ze Regi­ment hinweg.
Die Wir­kung war so unge­heu­er­lich, daß die Schar der anspren­gen­den Fürs­ten und Gene­ra­le stock­te und ein Schrei des Ent­set­zens vom wei­ten Feld her her­über­hall­te. Kein ein­zi­ges Pferd mehr stand auf­recht. Roß und Rei­ter wälz­ten sich in einem wei­ten, wir­ren Knäu­el, eine Wol­ke von Lan­zen, Säbeln, Kara­bi­nern erfüll­te die Luft, flog don­nernd gegen die Maschi­ne in der Höhe und blieb dort haf­ten. Die Maschi­ne glitt eine Stre­cke wei­ter und ließ dann ihre eiser­ne Ern­te her­ab­stür­zen, wo die Waf­fen von den Nihi­lit­strö­men der Luft­schif­fe ver­nich­tet wur­den. Noch zwei­mal kehr­te die Maschi­ne zurück und mäh­te gleich­sam das Waf­fen­feld ab. Kei­ne Hand ver­moch­te Säbel oder Lan­ze fest­zu­hal­ten, und wo die Befes­ti­gung an Roß und Rei­ter nicht nach­gab, wur­den bei­de eine Stre­cke fort­ge­schleift. Die Huf­ei­sen wur­den in die Höhe geris­sen, und dadurch waren sämt­li­che Pfer­de zum Sturz gebracht wor­den. Jene Maschi­ne war die neue, gewal­ti­ge Erfin­dung der Mar­tier, eine Ent­waff­nungs­ma­schi­ne von unwi­der­steh­li­cher Kraft für jedes eiser­ne Gerät – ein magne­ti­sches Feld von kolos­sa­ler Stär­ke und wei­ter Aus­deh­nung. Mit Hil­fe die­ses in der Luft schwe­ben­den Magne­ten ent­ris­sen die Mar­tier ihren Geg­nern die Waf­fen, ohne sie in ande­rer Wei­se zu beschä­di­gen, als es durch das Umrei­ßen unver­meid­lich war.«[69] Mit die­ser Maschi­ne ent­waff­nen die Mar­tier das kom­plet­te Heer, ohne im her­kömm­li­chen Sin­ne gegen es Krieg zu führen.

Die Tech­nik bie­tet die Basis, die Hand­lung vor­an­zu­trei­ben: die Unter­wer­fung von Staa­ten auf der Erde durch die Mar­tier. Die Tech­nik ist ein unwi­der­leg­ba­res Argu­ment für die Über­le­gen­heit der Mar­tier – sie trägt also, zumin­dest in einer ers­ten Stu­fe eines Über­zeu­gungs­pro­zes­ses, dazu bei, die Men­schen für die Anlie­gen der Mar­tier zu gewin­nen – folg­lich trägt sie zur Per­sua­si­on der Men­schen bei. Die Tech­nik ist gleich­zei­tig ein wesent­li­ches Argu­ment für das tie­fe­re Anlie­gen des Romans, näm­lich dafür, dass und wie eine zivi­li­sier­te­re Gesell­schaft geschaf­fen wer­den kann. So ent­wi­ckelt die im Roman geschil­der­te, für ihn erdach­te Tech­nik mehr­fach rhe­to­ri­sche Wir­kun­gen: dra­ma­tur­gi­sche und argumentative.

Die über­le­ge­ne Waf­fen­tech­nik der Mar­tier wird zum über­wäl­ti­gen­den »Argu­ment« – die Demons­tra­ti­on der Über­le­gen­heit genügt, um Wider­stand als aus­sichts­los zu erken­nen, die Men­schen beu­gen sich die­ser Über­macht – aller­dings nicht mit Über­zeu­gung, son­dern gezwun­ge­ner­ma­ßen. Von Per­sua­si­on durch Tech­nik ist dabei nicht zu spre­chen, eher schon von »Ein­sicht wider Wil­len«. Um es zu prä­zi­sie­ren: Die Tech­nik der Mar­tier ist ein unwi­der­steh­li­cher Pathos-Appell, der sich aus der Span­nung zwi­schen einer küh­len Ratio­na­li­tät die­ser Tech­nik und ihrer über­wäl­ti­gen­den Grö­ße, Effi­zi­enz und Unbe­greif­lich­keit ent­wi­ckelt. Die so ent­ste­hen­de star­ke affek­ti­ve Wir­kung trägt der Per­sua­si­on bei, und die Gemü­ter der Men­schen kön­nen sich nicht mehr ein­fach den tie­fer­lie­gen­den Argu­men­ten der Mar­tier ver­sper­ren. Der Leser folgt zuerst auf sti­lis­ti­scher Ebe­ne der Laß­witz­schen Insze­nie­rung, die sich an das hält, was gen­re­ty­pisch ist: »Sci­ence Fic­tion etwa erzeugt Plau­si­bi­li­tät expe­ri­men­tel­ler Sze­na­ri­en, Requi­si­ten und Figu­ren durch die Inte­gra­ti­on szi­en­tis­ti­scher Inter­pre­ta­men­te und Spra­che.«[70] Hin­zu kommt, wie Laß­witz »wis­sen­schaft­li­che Denk­mög­lich­kei­ten (extra­po­liert)«[71]. Nach der Unter­wer­fung ver­schaf­fen die Mar­tier den Men­schen eine »Rei­he von Vor­tei­len in volks­wirt­schaft­li­cher Bezie­hung«[72], »neue Betriebs­for­men von Fabri­ken«[73], »gro­ße unver­zins­li­che Dar­le­hen« [74] und ähn­li­ches mehr. Laß­witz’ Mar­tier gehen aber noch wei­ter: »Alles dies aber waren bloß vor­be­rei­ten­de Schrit­te, die eigent­lich mehr erzie­hen als wirt­schaft­lich nüt­zen soll­ten. […] Inzwi­schen erstreb­ten sie in Euro­pa rein idea­le Zie­le. Kriegs­kos­ten­ent­schä­di­gung ver­lang­te man nicht, die gro­ßen Sum­men, die für das Mili­tär erspart wur­den, kamen den Fort­bil­dungs­schu­len zugu­te. Die Mar­tier woll­ten die Mensch­heit für ihre höhe­re Auf­fas­sung der Kul­tur und Sitt­lich­keit erzie­hen, und dem soll­te die Ein­set­zung der Kult­o­ren, die Ein­rich­tung obli­ga­to­ri­scher Fort­bil­dungs­schu­len die­nen.«[75] Als »Kultor« der Deut­schen set­zen die Ver­ant­wort­li­chen der Mars­re­gie­rung Fried­rich Ell ein. In ihm ver­kör­pert Laß­witz die phi­lo­so­phi­schen Idea­le, die er aus sei­ner Aus­ein­an­der­set­zung mit Kant und auch mit Schil­ler geschöpft hat: Ver­nunft­glau­be, sitt­li­che Hal­tung, Auf­klä­rungs­stre­ben, Demo­kra­tie­ori­en­tie­rung, Pazi­fis­mus. Und an Ell dekli­niert Laß­witz das Schei­tern wie das Gelin­gen die­ser Ideale.