Was heißt das im Bereich des Design? Da wo schein­ba­re Inno­va­ti­on in vie­len Berei­chen des werb­li­chen Designs aller­dings offen­sicht­lich als Ziel selbst fir­miert und um ihrer selbst wil­len geschieht, wird die­se durch und durch rhe­to­ri­sche Krea­ti­vi­täts­tech­nik kaum Ver­wen­dung fin­den. Da wo Design ledig­lich zur Ästhe­ti­sie­rung ein­ge­setzt wird, dient es vor allem der Krea­ti­vi­tät im Sin­ne einer Zuschrei­bungs­pra­xis und eben als Ver­kaufs­ar­gu­ment. Dort wo Design hin­ge­gen sub­ti­ler wirkt und oft­mals als Design gar nicht mehr auf­fällt, etwa im Fal­le von Way­fin­ding-Sys­te­men, Infor­ma­ti­ons­de­sign, aber auch teil­wei­se im Pro­dukt­de­sign, der Stadt­pla­nung und Archi­tek­tur, kann eine Tech­nik der rhe­to­ri­schen Ver­mitt­lung von Inno­va­ti­on dienst­bar gemacht wer­den. In die­sem Sin­ne soll hier auch der Ent­wurf einer Pat­tern-Lan­guage von Chris­to­pher Alex­an­der gese­hen wer­den. Alex­an­der lie­fert 253 Mus­ter oder Topoi, die wich­ti­ge Gesichts­punk­te eines archi­tek­to­ni­schen oder städ­te­bau­li­chen Ent­wur­fes kenn­zeich­nen. Die­se Top­ik soll es ermög­li­chen, zu einem belie­bi­gen Bau­vor­ha­ben die­je­ni­gen Mus­ter aus dem Kata­log der 253 Mus­ter zusam­men­zu­tra­gen, die für das Gelin­gen des Bau­vor­ha­bens ent­schei­dend sind. Dabei meint Gelin­gen weni­ger ein sta­ti­sches oder finan­zi­el­les Gelin­gen, als die Mög­lich­keit eines Ent­wur­fes und einer Rea­li­sa­ti­on, die über­zeu­gend den Anfor­de­run­gen und Wün­schen der Ziel­grup­pe ent­spricht. Damit bes­ser ver­ständ­lich wird, was Alex­an­der unter einem Pat­tern ver­steht, sei­en hier zwei Bei­spie­le genannt:
a) Pat­tern 21 – Four-Sto­ry-Limit: “In any urban area, no mat­ter how den­se, keep majo­ri­ty of buil­dings four sto­ries high or less. It is pos­si­ble that cer­tain buil­dings should exceed this limit, but they should never be buil­dings for human habi­ta­ti­on.”[21]
b) Pat­tern 62 – High Places: Alex­an­der geht davon aus, dass »the instinct to climb up to some high place, from which you can look down and sur­vey your world, seems to be a fun­da­men­tal human instinct«[22]. Obwohl der Four-Sto­ry-Limit-Pat­tern noch auf dem Gedan­ken beruh­te, dass »high buil­dings have no genui­ne advan­ta­ges, except in spe­cu­la­ti­ve gains for banks and land owners«, und mit reich­lich nega­ti­ven Fol­gen für das men­ta­le Leben des Stadt­be­woh­ners bedacht wur­de, hat auch die­ser Pat­tern sei­ne pro­duk­ti­ven Aus­nah­men. Daher besagt der High-Places-Pat­tern: “Build occa­sio­nal high places as land­marks throug­hout the city. They can be a natu­ral part of the topo­gra­phy, or towers, or part of the roofs of the hig­hest local buil­ding – but, in any case, they should include a phy­si­cal climb.”[23]

Fast immer han­delt es sich beim Gebrauch der Pat­tern-Lan­guage, um ein Abwä­gen der Ange­mes­sen­heit inner­halb eines Extre­mal­pro­blems. In die­ser Wei­se beton­te auch Alex­an­der, dass kei­nes die­ser Mus­ter iso­liert betrach­tet und schon gar nicht rea­li­siert wer­den kann: “Each pat­tern can exist in the world, only to the ext­ent that is sup­port­ed by other pat­terns.”[24] Für Alex­an­der lei­tet sich dar­aus der fun­da­men­ta­le Schluss ab, dass Archi­tek­tur nicht dar­in bestehen kann, einen Gegen­stand für sich zu erschaf­fen, unab­hän­gig von den umge­ben­den Pat­tern, »but you must also repair the world around it, and within it, so that the lar­ger world at that one place beco­mes more coher­ent, and more who­le; and the thing which you make takes its place in the web of natu­re, as you make it«[25]. Mit Bur­ke, der die rhe­to­ri­sche Her­aus­for­de­rung gera­de dar­in sieht, Situa­tio­nen und Situa­ti­ons­zu­schrei­bun­gen zu beein­flus­sen, kann Alex­an­ders Reden von »repair the world around it« auch im Sin­ne Bur­kes ver­stan­den wer­den als ein »attempt to rede­fi­ne the situa­ti­on its­elf«[26]. Ohne auf die­sen Punkt jetzt näher ein­ge­hen zu kön­nen, sei doch auf die ein­schlä­gi­ge Stel­le bei Bur­ke ver­wie­sen, da sich in die­ser Par­al­le­le auch der bedeu­tungs­ge­ne­rie­ren­de Aspekt der Pat­tern-Lan­guage zeigt: Bei Bur­ke heißt es: “When we wish to influence a man’s respon­se, for ins­tance, we empha­si­ze fac­tors which he had under­stres­sed or negle­c­ted, and mini­mi­ze fac­tors which he had laid gre­at weight upon. This amounts to not­hing other than an attempt to rede­fi­ne the situa­ti­on its­elf.”[27] Alex­an­der ist sich die­ser Par­al­le­li­sie­rung von Rhe­to­rik und Archi­tek­tur bewusst, wenn er sei­ne Pat­tern-Lan­guage in Ana­lo­gie zur Spra­che als die Mög­lich­keit ver­steht »to make buil­dings which are poems«[28]. Dabei ver­steht er »Poem« nicht in ers­ter Linie als einen beson­de­ren Aus­druck der Kunst, der bestimm­ten Gegen­stän­den zuge­spro­chen wird, son­dern als ein der Öko­no­mie der Kür­ze sowie der Ange­mes­sen­heit zugu­te kom­men­de Potenz aller sprach­li­chen – und eben auch archi­tek­to­ni­schen – Aus­drucks­mit­tel. In die­ser Wei­se heißt es: “The com­pres­si­on of pat­terns into a sin­gle space, is not a poe­tic and exo­tic thing, kept for spe­cial buil­dings which are works of art. It is the most ordi­na­ry eco­no­my of space.”[29]

Alex­an­der bestimmt die para­do­xe Aus­gangs­la­ge eines Design­pro­blems als »sear­ching for some kind of harm­o­ny bet­ween two intan­gi­bles: a form which we have not yet desi­gned, and a con­text which we can­not pro­per­ly descri­be«[30]. Es ist augen­fäl­lig, dass die­se Beschrei­bung im Grun­de auch jedes rhe­to­ri­sche Pro­blem beschreibt. Eine Pat­tern-Lan­guage soll auf die­ser Grund­la­ge dazu befä­hi­gen, das Design­pro­blem wenigs­tens klar beschrei­ben zu kön­nen, so dass archi­tek­to­nisch eine »poe­ti­sche Öko­no­mie des Rau­mes« zu rea­li­sie­ren ist, deren Über­zeu­gungs­kraft gera­de aus der Har­mo­ni­sie­rung ästhe­ti­scher und funk­tio­na­ler Anfor­de­run­gen resul­tiert. Zu die­sem Zweck stellt sie eine Tech­nik der Bedeu­tungs­kom­pres­si­on zur Ver­fü­gung, in der kon­kre­te krea­ti­ve Umset­zun­gen immer auch ver­mit­tel­bar sein sollen.

Schluss

Wie wir gese­hen haben, erge­ben sich drei unter­schied­li­che Bestim­mun­gen des­sen, was als Krea­ti­vi­täts­tech­nik ange­se­hen wer­den kann, je nach­dem als was Krea­ti­vi­tät ver­stan­den wird. Es kann aller­dings nicht dar­um gehen, die­se Arten von Krea­ti­vi­tät zu gewich­ten und eine über die ande­re zu stel­len, wohl aber dar­um, sie theo­re­tisch klar aus­ein­an­der­zu­hal­ten. Rhe­to­risch gese­hen ist die eine Art eben­so wich­tig wie die ande­re. Wenn es dar­um geht, Krea­ti­vi­tät im zwei­ten Sin­ne auch als sol­che erken­nen zu las­sen, so wird sich der Ora­tor auch Gedan­ken über Krea­ti­vi­tät im ers­ten Sin­ne machen müs­sen. Geht es dar­um, tat­säch­li­che Inno­va­tio­nen über­zeu­gend zu prä­sen­tie­ren, so mag es mit­un­ter nicht rei­chen, Neu­es zu fin­den, son­dern eben auch Wege, Neu­es an Bekann­tes zu bin­den. Gebraucht wer­den also Krea­ti­vi­täts­tech­ni­ken für alle Berei­che. Wün­schens­wert wäre aller­dings, dass die­se Tech­ni­ken mög­lichst klar unter­schie­den werden.


Doppelausgabe Nr. 8 und 9, Herbst 2016

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