Essay
Rhetorik der Autorität – autoritäre Rhetorik?
Zur Ambivalenz politischer Kommunikation
»Ich mache Ihnen ein Angebot, dass Sie nicht ablehnen können.« Diesen Satz sagt der Mafia-Boss Don Corleone im Film »Der Pate« zu Geschäftspartnern – in aller Freundlichkeit und Klarheit. Vollkommen klar ist, was passiert, wenn man ein Angebot des Paten ablehnt, er ist die Autorität, sein Angebot lässt sich nicht ablehnen, jedenfalls nicht ohne Risiko für Leib und Leben.– Dieser Essay hingegen macht ein Angebot, das ein Leser ablehnen kann, er trägt ihm lediglich Gedanken und fünf Thesen dazu an, wie Autorität und Rhetorik miteinander verbunden sind; dieses Angebot kann abgelehnt und kritisiert werden, in Gänze oder in Teilen – der Autor dieses Essays ist weder Autorität noch Pate, niemandem droht ein Ungemach.
»Rhetorik« wird in diesen Zeilen als philosophische Disziplin im Sinne einer grundlegenden und der ältesten Kommunikationswissenschaft und Argumentationstheorie aufgefasst. Zum Verhältnis von Rhetorik und Autorität, zu der Frage, ob eine Rhetorik der Autorität bereits einer autoritären Rhetorik entspricht und wie sich das in einer Ambivalenz politischer Kommunikation niederschlägt, nehmen die folgenden Thesen Stellung, die im Anschluss ausführlicher diskutiert werden:
• Mit den klassischen Kommunikationsmodellen der Rhetorik lässt sich nach wie vor ein strukturelles Verständnis für politische Autorität entwickeln, allerdings müssen diese Modelle im Detail an Veränderungen der Zeit angepasst werden.
• Nach diesen klassischen Kommunikationsmodellen ist die Grundlage für eine dauerhafte Persuasion dadurch zu legen, dass Pathos und Ethos dem Logos dienen, dauerhafte Überzeugung also nicht ohne plausible Sachargumente zu haben ist. Autorität wird dabei vornehmlich durch das Ethos des Politikers und Redners verkörpert, Autorität und Ethos stehen aber in Wechselwirkung mit dem Pathos, das der Politiker anspricht und wie er das tut, und mit der Plausibilität seiner Argumente und wie er sie vorbringt.
• Die heutigen politischen Diskurse scheinen diesem klassischen Kommunikationsmodellen der Rhetorik nicht mehr voll zu entsprechen. Sachargumente scheinen an Bedeutung zu verlieren, Ethos- und Pathos-Appelle zum Selbstzweck medialer Inszenierungen zu werden.
• Die Autorität scheint sich zu verschieben: Bislang wurde sie als Wahrhaftigkeit dem Politiker zugesprochen, der mit Affekterregung (Pathos) und Vertrauens- und Glaubwürdigkeit (Ethos) die Herzen der Menschen für Sachargumente (Logos) öffnete und sie überzeugend und plausibel vortrug. Voraussetzung dafür war, dass die Bürger in einer Demokratie ausreichend informiert und demokratisch gebildet sind, um sich kritisch mit den Argumenten und ihrer Darbietung auseinanderzusetzen und um zum Beispiel ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen oder ihre Plausibilität in der Sache, also objektiv zu bewerten.
• Inzwischen scheint diese Auseinandersetzung nicht mehr an kritisches Vermögen angebunden zu werden. Die Autorität des Politikers gründet vielmehr auf seiner (und seiner Apparate) Fähigkeit, in den Medien kurzfristig Affekte zu erregen und Ethos-Inszenierungen in kurzer Taktung und hoher Intensität (Stilhöhe) zu platzieren. Die Autorität der Politik wird dabei an sich verworfen: Eine oft erfolgreich verfolgte Kommunikationsstrategie weist im öffentlichen Diskurs politische Autorität demjenigen zu, der behauptet, der Politik, dem politischem System und der politischen Klasse fernzustehen, durch sie nicht »kontaminiert« zu sein. Diese Strategie behauptet im Kern, dass wir demjenigen politische Autorität zubilligen sollen, der apolitisch ist. Die Strategie gründet letztlich auf der Verächtlichmachung von Politik und politischer Autorität.