Inwie­weit Auto­ri­täts­ar­gu­men­ten Gewicht bei­gemes­sen wird, hängt aller­dings, wie Perel­man und Olb­rechts-Tyte­ca zei­gen[5], unter ande­rem davon ab, ob die Auto­ri­tä­ten als sol­che von denen aner­kannt wer­den, die über­zeugt wer­den sol­len. Den einen Auto­ri­tä­ten kön­nen ande­re Auto­ri­tä­ten gegen­über­ge­stellt wer­den, auch kann ihre Kom­pe­tenz gene­rell oder in Tei­len ange­zwei­felt wer­den, was zur Ent­kräf­tung eines Auto­ri­täts­ar­gu­men­tes füh­ren kann: »Poli­ti­sche, wis­sen­schaft­li­che oder lite­ra­risch-red­ne­ri­sche Auc­to­ri­tas erzeugt Wider­spruch vor allem dann, wenn der Regle­men­tie­rungs­an­spruch und die Tra­di­ti­ons­bil­dung krea­ti­ve Pro­zes­se behin­dern oder wenn die Legi­ti­ma­ti­on der Auc­to­ri­tas nicht mehr kon­sens­fä­hig ist.«[6] Kon­sens muss schon des­halb herr­schen, weil Auto­ri­täts­ar­gu­men­te logisch nicht zwin­gend sind.

Das Ethos eines Poli­ti­kers, sei­ne Glaub- und Ver­trau­ens­wür­dig­keit, wird von Bür­gern ein­ge­stuft auf­grund sei­ner Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten, sei­ner Hal­tun­gen, sei­ner Tugen­den und auf­grund der Art, wie er das alles ver­mit­telt. Wer­den sei­ne Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten, Hal­tun­gen und Tugen­den akzep­tiert und deren Ver­mitt­lung als authen­tisch erlebt, dann wird ihm intui­tiv oder bewusst Glau­ben geschenkt und Ver­trau­en ent­ge­gen­ge­bracht, aller­dings nur bis auf Wider­ruf, der Effekt muss immer wie­der her­vor­ge­ru­fen wer­den, sonst wan­delt sich das mit einem Poli­ti­ker ver­knüpf­te Bild. Wer­den die Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten um hohe fach­li­che Kom­pe­ten­zen ergänzt, wird der Poli­ti­ker selbst zu einer Auto­ri­tät; ein Bei­spiel dafür wäre Hel­mut Schmidt, dem als Bun­des­kanz­ler und über sei­ne Amts­zeit hin­aus hohe poli­ti­sche und volks­wirt­schaft­li­che Kom­pe­tenz zuge­spro­chen wurde.

Auto­ri­tät hat in der Poli­tik der Demo­kra­tie durch­aus eine posi­ti­ve Funk­ti­on, ins­be­son­de­re wenn sie Bür­gern hilft, Ori­en­tie­rung zu gewin­nen und z. B. Ver­trau­en in Regie­rungs­han­deln zu wecken oder zu stär­ken. Ide­al­ty­pisch geht es in Demo­kra­tien nicht um Auto­ri­tät per Macht, son­dern um Macht per Auto­ri­tät. Auto­ri­tät, die Poli­ti­kern zuge­spro­chen wird, lei­tet sich dann aus deren Sach­kennt­nis her – zumin­dest wäre das im Sin­ne auf­klä­re­ri­scher und demo­kra­ti­scher Idea­le so. Sei­nen Erfolg kann ein Poli­ti­ker, das hat sich seit der Anti­ke nicht wesent­lich geän­dert, dadurch beför­dern, dass er sei­ne Kom­pe­tenz auch zu ver­mit­teln und glaub­haft dar­zu­stel­len weiß. Er muss also auch über rhe­to­ri­sche Kom­pe­ten­zen im enge­ren Sin­ne ver­fü­gen, um sei­ne Kom­pe­tenz und gar Auto­ri­tät glaub­haft zu machen.

Folg­te man dem aris­to­te­li­schen Ide­al, dass Wahr­haf­tig­keit die Grund­la­ge dau­er­haf­ter Über­zeu­gung (Per­sua­si­on) ist und die­se nur dann erreicht wird, wenn Poli­ti­ker ihre Glaub­wür­dig­keit und die Affekt­er­re­gung in den Dienst von schlüs­si­gen Sach­ar­gu­men­ten stel­len, dann genüg­te es nicht, eine Kom­pe­tenz­si­mu­la­ti­ons­kom­pe­tenz zu besit­zen, son­dern es wäre zwin­gend erfor­der­lich, red­ne­ri­sche und fach­li­che Kom­pe­tenz zusam­men­zu­füh­ren. Poli­ti­ker, denen das gelang, wur­den gemein­hin dau­er­haft als beson­ders über­zeu­gend erlebt, ihnen wur­de hohe Auto­ri­tät zugesprochen.

3 Affek­te ohne Argumente

Grund­la­gen gegen­wär­ti­ger poli­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on defi­niert Micha­el Klemm tref­fend, wenn er schreibt: »Poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on ist in beson­de­rem Maße per­sua­siv, ist sie doch stets auf das Über­zeu­gen der Wähler/innen für das Errei­chen von Mas­sen­ver­bun­den­heit ange­wie­sen und damit auf das Eta­blie­ren und Domi­nie­ren von Dis­kur­sen. Die­se Dis­kur­se sind wie­der­um nur als Medi­en­dis­kur­se rea­li­sier­bar, wenn sie die gesell­schaft­li­che Öffent­lich­keit in ihrer Brei­te beein­flus­sen wol­len. Per­sua­si­on ist des­halb nicht nur das Grund­prin­zip poli­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on, es ist auch – bezo­gen auf die mas­sen­me­dia­le Mei­nungs­bil­dungs­funk­ti­on – ein wich­ti­ger Aspekt jour­na­lis­ti­scher Arbeit.«[7] Hin­zu kommt, dass die soge­nann­ten sozia­len Medi­en nicht nur Ein­fluss auf Poli­tik und ihre Debat­ten neh­men, son­dern den Jour­na­lis­mus ver­än­dern oder zumin­dest wirt­schaft­li­chen Anpas­sungs­druck auf ihn aus­üben und die Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen des Publi­zie­rens inso­fern demo­kra­ti­siert haben, als sie kaum noch eine wirt­schaft­li­che Hür­de dar­stel­len und kei­ne Hür­den hin­sicht­lich redak­tio­nel­ler Qua­li­täts­merk­ma­le auf­bau­en – jeder darf und kann, wie er mag (im gesetz­li­chen Rah­men). In solch einer Medi­en­land­schaft poli­ti­sche als Medi­en­dis­kur­se zu rea­li­sie­ren und gar zu domi­nie­ren, ist für die Poli­tik eine ver­track­te, nur ein­ge­schränkt gestalt­ba­re Auf­ga­be. Erschwert wird sie dadurch, dass den unter­schied­li­chen Medi­en eine je eige­ne Rhe­to­ri­zi­tät zufällt: In wel­cher Wei­se Per­sua­si­on in Mas­sen­me­di­en ent­ste­hen kann, hängt davon ab, ob die Wir­kungs­in­ten­tio­nen einer poli­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on die Wirk­mit­tel ange­mes­sen zu nut­zen weiß, die in einem spe­zi­fi­schen Medi­um zum Ein­satz kom­men können.


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