Mas­sen­me­di­en sind gemäß ihrer Struk­tu­ren und Regeln nicht zwin­gend idea­le Orte für die Ver­mitt­lung kom­ple­xer Sach­ver­hal­te und dif­fe­ren­zier­ter Argu­men­ta­tio­nen, Druck­sei­ten und Sen­de­mi­nu­ten sind begrenzt. In der Geschich­te der Mas­sen­me­di­en lässt sich eine Ten­denz zu kür­ze­ren redak­tio­nel­len Inhal­ten aus­ma­chen, »Relaun­ches« brin­gen zumeist eine Ver­knap­pung der Text­men­ge mit sich, dass lässt sich bei­spiels­wei­se im Zei­tungs­de­sign nach­wei­sen. Die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren und Jahr­zehn­ten ent­stan­de­nen online-Mas­sen­me­di­en, die den Nut­zer zum Redak­teur sei­nes eige­nen Medi­ums machen, trei­ben die­se Ent­wick­lung auf die Spit­ze: Ein Mikro­blog­ging­dienst wie »Twit­ter« lässt für einen redak­tio­nel­len Inhalt maxi­mal 200 Zei­chen zu. Gleich­wohl hat die­ses Medi­um auch in der poli­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on beacht­li­ches Gewicht gewon­nen, der ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent Donald Trump betreibt damit Weltpolitik.

Auf Kür­ze ange­leg­te Medi­en kön­nen durch­aus auch Sach­in­for­ma­tio­nen ver­mit­teln, Kür­ze (lat. Bre­vi­tas) gehört in der Rhe­to­rik – wie Ver­ständ­lich­keit, Deut­lich­keit, Klar­heit, Sprach­rich­tig­keit, Ange­mes­sen­heit – zu den Stil­prin­zi­pi­en, die kom­mu­ni­ka­ti­ve Wir­kun­gen her­vor­ru­fen und stei­gern und somit zur Per­sua­si­on bei­tra­gen kön­nen. So kann ein kurz gefass­ter Warn­hin­weis (»Die­se Brü­cke ist ein­sturz­ge­fähr­det«) gera­de auf­grund sei­ner Kür­ze die gewünsch­te Wir­kung ent­fal­ten. Argu­men­ta­tio­nen als Begrün­dungs­zu­sam­men­hän­ge kön­nen zwar in den Satz­län­gen dem Stil­prin­zip »Kür­ze« ent­spre­chen, nicht aber immer als Gesamt­text. So kann und soll­te bei­spiels­wei­se ein Wahl­pro­gramm, will es rhe­to­ri­schen Stil­prin­zi­pi­en genü­gen, zwar in sei­nen ein­zel­nen Sät­zen klar, ein­fach und ver­ständ­lich for­mu­liert sein, die Begrün­dung poli­ti­scher Vor­ha­ben muss aber in aus­rei­chen­dem Maße erfol­gen, sonst kann Per­sua­si­on auf der Logos-Ebe­ne nicht erreicht wer­den. Wirkt Kür­ze in kom­ple­xi­täts­re­du­zie­ren­der oder gar -ver­zer­ren­der Wei­se, dann kann poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on zwar Wir­kung als Ethos- und Pathos-Appell ent­fal­ten, sie dient aber nicht mehr dem Logos – Ethos und Pathos wer­den zum Selbst­zweck. Mit­tels die­ser Unter­schei­dung – die­nen Ethos und Pathos dem Logos oder sind sie Selbst­zweck – lässt sich ein Phä­no­men wie »Popu­lis­mus« fas­sen[8], und es lässt sich beschrei­ben, wodurch Dis­kur­se in offe­nen Gesell­schaf­ten gefähr­det sind.

Wenn Affekt­er­re­gung pri­mär Selbst­zweck ist, anstatt dazu zu die­nen, die Her­zen der Men­schen für Sach­ar­gu­men­te zu öff­nen, dann erre­gen poli­ti­sche Dis­kur­se Affek­te ohne Bezug zu Argu­men­ten. Argu­men­te sind, im Unter­schied zu Affek­ten, in Gän­ze oder in Tei­len auf ihren Wahr­heits­ge­halt hin über­prüf­bar oder auf ihre Plau­si­bi­li­tät hin dis­ku­tier­bar und kri­ti­sier­bar. Bereits in Aris­to­te­les’ »Rhe­to­rik«, dem ers­ten Ver­such einer Sys­te­ma­ti­sie­rung die­ser Dis­zi­plin, wird davon aus­ge­gan­gen, dass Per­sua­si­on auf Dau­er nur gelin­gen kann, wenn ein Red­ner wahr­haf­tig ist. Ein noto­ri­scher Lüg­ner dürf­te also nicht auf Dau­er poli­tisch erfolg­reich sein kön­nen – oder? Auch in west­li­chen, offe­nen Gesell­schaf­ten scheint sich in die­ser Fra­ge ein Wan­del zu voll­zie­hen. Lan­ge Zeit muss­te ein Poli­ti­ker, wenn er öffent­lich einer Falsch­aus­sa­ge oder einer Lüge über­führt wor­den war, die­se Aus­sa­gen zurück- und manch­mal gar sei­nen Hut neh­men – und das galt auch für die­je­ni­gen Poli­ti­ker, denen aus einem hohen Amt, das sie inne­hat­ten, des­sen Auto­ri­tät zuwuchs. Folgt man dem ame­ri­ka­ni­schen His­to­ri­ker Eric Alter­man[9], dann gehör­ten Lügen, Ver­lo­gen­heit, Täu­schung und Betrug in den USA immer schon zum poli­ti­schen Geschäft und eben auch zum Spit­zen­amt des Prä­si­den­ten. Mit Donald Trump sei dabei aller­dings eine neue »Qua­li­tät« ent­stan­den. Schon sta­tis­tisch über­trump­fe Trump mit der Anzahl von Lügen und Falsch­aus­sa­gen alle Mes­sun­gen zuvor⁠[10], und er mache die­ses Ver­hal­ten zum Maß­stab sei­ner poli­ti­schen Entou­ra­ge⁠[11]. Dass er der sys­te­ma­ti­schen wie der anlass­lo­sen Lüge durch Medi­en als vier­te Gewalt und in poli­ti­schen Debat­ten und Par­la­men­ten über­führt wur­de, scha­det ihm zumin­dest kaum bei sei­nen Anhän­gern. Das darf als ein Indiz dafür gewer­tet wer­den, dass sich rhe­to­risch ein Wan­del voll­zieht: Die Anbin­dung von Per­sua­si­on an den Logos – an Wahr­heit, Wahr­haf­tig­keit, Plau­si­bi­li­tät – scheint an Bedeu­tung zu ver­lie­ren, poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on kann auch auf län­ge­re Sicht erfolg­reich sein, wenn sie sich auf Affekt­er­re­gung redu­ziert. Han­nah Are­ndt nahm noch an, im »Bereich der Poli­tik, wo Geheim­hal­tung und bewuß­te Täu­schung stets eine gro­ße Rol­le gespielt haben, ist Selbst­be­trug die Gefahr par excel­lence; der Mann, der auf sei­ne eige­nen Lügen her­ein­fällt, ver­liert jeden Kon­takt nicht nur zu sei­nem Publi­kum, son­dern zu der wirk­li­chen Welt«⁠[12]. Ein Mann wie Trump indes hält zu sei­nem Publi­kum Kon­takt und schafft womög­lich eine »alter­na­ti­ve Wirk­lich­keit«, die sehr wohl rea­le Wir­kun­gen zei­tigt – dar­in ist er ohne Zwei­fel eine Autorität …


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