Essay
Rhetorische Systematik und Designpraxis
Über die Paralleluniversen »Machen« und »Reflektieren«
Den Stundenplänen von Designhochschulen entnimmt man neben der praktischen Ausbildung einen, wenn auch je nach Hochschule unterschiedlich gewichteten Theorieanteil. Doch nicht nur das bloße Vorhandensein und die Menge des Theorieunterrichts sind entscheidend, sondern vor allem eine sinnvolle Beziehung von Theorie und Praxis. Die Kommunikationskompetenz, die ein Gestalter während seiner Ausbildung erwirbt, verpflichtet ihn dazu, implizite Kommunikationsvorgänge in ihrer Wirkungsintention klar begründen zu können. Die gestalterische Handlung soll in ihrer Systematik und Vollständigkeit nachvollziehbar sein. Doch wie ist es um die Beziehung dieser beiden Paralleluniversen des Machens und darüber Reflektierens in der Realität des Gestaltungsunterrichts bestellt?
1 Kein Paradigma für die Systematik gestalterischer Handlung
Eine Vielzahl von richtungsweisenden Texten zu Strategien und Konzeptionen von Design werden von herausragenden Persönlichkeiten der Designszene verfasst und lassen dabei jegliche Bezüge zu ihrer wissenschaftlichen Verortung vermissen. Oftmals, der Originalität und inspirierenden Wirkung dieser Texte auf Designschaffende zum Trotz, machen sie das Weiterforschen an ihren Konzepten durch Dritte unmöglich. Auf der anderen Seite werden Fächer wie Designgeschichte, Wahrnehmungspsychologie, Kunst-, Kommunikations- und Kulturwissenschaften in keinerlei oder nicht ausreichenden Bezug zur Disziplin der visuellen Kommunikation gestellt.
Zu systematischen Aspekten der gestalterischen Handlung gibt es kein allgemein anerkanntes und verbindliches Paradigma, das einerseits den Gestaltungsprozess strukturieren könnte und andererseits als Grundlage für ein aufeinander aufbauendes Forschen an den Phänomenen der visuellen Kommunikation erlaubt und eine Brücke zu den deskriptiven Fächern bilden könnte. Bislang verdanken wir das seltene Phänomen einer fruchtbaren Beziehung von Theorie und Praxis lediglich dem persönlichen Einsatz von einzelnen Protagonisten des Lehrbetriebs, die interdisziplinäre Zusammenhänge für die Studenten und Schüler der visuellen Kommunikation begreifbar und nutzbar machen. Ein System, das allen Beteiligten einleuchtet und sich programmatisch in der Lehre durchsetzt, scheint bislang nicht zu existieren. Dabei liegt die Lösung des Problems nahe.