Deutlich werden jene Methoden in einem bekannten Experiment aus dem Jahr 1973, von dem auch verschollen geglaubte Videoaufnahmen teils wiedergefunden wurden.[10] »Das Experiment wurde 1973 von Donald H. Naftulin (University of Southern California School of Medicine), John E. Ware (Southern Illinois University School of Medicine) und Frank A. Donnelly (USC Division of Continuing Education in Psychiatry) veröffentlicht.«[11] Ziel des Experimentes war es, die Wirkung eines Redners vor einem Publikum zu demonstrieren, das durchaus Fachkenntnis besaß und eigentlich in der Lage sein musste, über die Qualität der vorgetragenen Inhalte urteilen zu können.
Der Vortrag hatte den Titel: »Mathematical Game Theory as Applied to Physician Education (Die mathematische Spieltheorie angewendet in der Ausbildung von Ärzten).« Die Zuhörer, die in Gruppen nach Fachzugehörigkeit (Psychiater, Sozialarbeiter, Ausbilder, med. Verwaltung, Studenten) unterteilt waren, wurden nach dem Vortrag gebeten, einen Evaluationsbogen auszufüllen. Ihre Bewertung für den Vortrag fiel sehr positiv aus.
Das wäre soweit nichts Besonderes, allerdings wurde dieser Vortrag von einem Schauspieler namens Michael Fox gehalten, der vom Thema keinerlei Ahnung hatte. Vorgestellt wurde er dem Publikum als Dr. Myron L. Fox. In der Vorstellung des Redners verlieh ihm einer der Veranstalter zuvor eine exzellente Vita. Dr. Fox wäre ein anerkannter Experte, ein Freund von hochangesehenen Wissenschaftlern und Nobelpreisträgern und er hätte in diversen anerkannten wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert – kurz alles Faktoren, die, wenn sie denn stimmen, zum Renommee eines Wissenschaftlers und Redners beitragen. Der Vortrag basierte auf einem ursprünglich wissenschaftlichen Referat, war aber verfälscht, mit Neologismen und allerlei Widersprüchlichkeiten versehen, wissenschaftlich also nicht ernst zu nehmen und war ebenso falsch wie die ausgegebene Vita. Weshalb fand der Vortrag dennoch die Zustimmung des Publikums?
Häufig wird dieser als Dr.-Fox-Effekt bekannte Umstand allein auf die Person und das Auftreten des Redners zurückgeführt. Der Schauspieler war darauf trainiert worden, in Gestik, Mimik, Kinesik, Blickkontakt wie ein Wissenschaftler aufzutreten. Daher wird der Effekt auch sehr gern von populären »Rhetorik-Trainern« werbend genutzt, belegt er doch scheinbar, dass ein erfolgreiches Auftreten trainierbar ist. Dennoch ist die Aussage des Experiments sehr viel differenzierter, denn so gut Michael Fox seiner Rolle gerecht wurde, so waren es doch zahlreiche Umstände die zum Erfolg führten, das gesamte Framing, das von der Einbettung in eine wissenschaftliche Vortragsreihe bis zur fiktiven Vita von Myron L Fox reichte.
Während der Redner in früheren Zeiten Teil jener Gemeinschaft war, die ihn oft kannte und schätzte, so ist das Bild des Redners in heutiger Zeit zumeist medial vermittelt, vorgeprägt und »geframt«, entsprechend muss es in diesem Rahmen abgerufen werden, um zu wirken.
- [10] https://www.youtube.com/watch?v=TFLyZMIdoyU
- [11] https://de.wikipedia.org/wiki/Dr.-Fox-Experiment (Allerdings sind die dort angegebenen Links zu den Publikationen der Autoren der Studien nicht mehr zielführend), daher https://www.researchgate.net/publication/18458734_The_Doctor_Fox_Lecture_a_paradigm_of_educational_seduction