3 Per­sua­si­on als Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Bildwelten

Dass die Anti­ke dem Bild grö­ße­re Ein­gän­gig­keit beschei­nigt als dem Text, der damals ja laut vor­ge­le­sen wur­de, kön­nen wir schon für die sophis­ti­sche Rhe­to­rik nach­wei­sen. Bege­ben wir uns ins Pro­duk­ti­ons­sta­di­um der Memo­ria, so prägt sich der Rhe­tor die Rede anhand von Orten ein, die er vor dem inne­ren Auge visua­li­siert. Schon die Mne­mo­nik des Hip­pi­as von Elis kann­te offen­bar die­ses Ver­fah­ren.[12] Hier­bei erin­nern wir uns am stärks­ten an Din­ge, die uns stark affi­zie­ren – erschre­cken, erfreu­en, bewe­gen.[13] Das Visu­el­le ist also fest mit dem Affek­ti­ven ver­bun­den; und ohne visu­el­le Spei­cher­fä­hig­keit ist die freie Rede nicht möglich.

Der Sophist Hip­pi­as ist für die visu­el­le Rhe­to­rik des­halb beson­ders inter­es­sant, weil er für einen Tech­ne-Begriff steht, der mit uni­ver­sel­lem Anspruch zum ziel­ge­rich­te­ten Han­deln anlei­ten will, sei es rhe­to­risch, sei es bild­lich. Nicht nur soll Hip­pi­as mit sei­nem über­ra­gen­den Bild­ge­dächt­nis über Bil­der und Sta­tu­en geschrie­ben, son­dern auch noch all sei­ne Klei­der, Schu­he und Schmuck selbst her­ge­stellt haben.[14] So sehr er uns Heu­ti­gen auf die Wei­se als Arche­typ des moder­nen Krea­ti­ven erscheint, folgt er aus grie­chi­scher Per­spek­ti­ve doch nur dem Vor­bild des mythi­schen Erfin­ders Dai­da­los.[15]

Wenn die Rede somit schon in der frü­hes­ten Theo­rie­bil­dung als iko­nisch zu spei­chern­des Werk gilt, kön­nen wir den münd­li­chen Vor­trag als eine spon­tan akti­vier­te Flut von Bil­dern begrei­fen, die der Red­ner im Kai­ros der Actio qua­si model­liert. Auch die Vor­stel­lung des Pla­to­ni­schen Sokra­tes, in der See­le befin­de sich ein Maler[16], spricht für die all­ge­mei­ne Ver­brei­tung der Vor­stel­lung, die Rede wer­de aus einem visu­el­len Spei­cher gene­riert. Das liegt auch medi­en­ge­schicht­lich auf der Hand, denn der Wan­del zur Schrift­kul­tur voll­zog sich bei den Grie­chen ja erst suk­zes­si­ve aus einer jahr­hun­der­te­al­ten Tra­di­ti­on der Münd­lich­keit und – dar­aus resul­tie­rend – der Bildlichkeit.

Hier­aus kon­sti­tu­iert sich dann in Aris­to­te­les’ See­len­kon­zep­ti­on die ein­fluss­rei­che Leh­re vom Gedächt­nis als einem Bild­the­sau­rus. Auch dort nimmt das Bild gegen­über ande­ren Spei­cher­me­di­en wie dem schrift­lich fixier­ten Text eine Vor­rang­po­si­ti­on ein. Gut doku­men­tiert sind die rhe­to­ri­schen Anwen­dun­gen die­ses Kon­zepts bei Quin­ti­li­an: In sei­nen Visua­li­sie­rungs­an­lei­tun­gen (phan­ta­siai), ver­bin­det er die Rede nach wie vor untrenn­bar mit der iko­ni­schen Struk­tur der Memo­ria: »Eine gro­ße Leis­tung ist es die Din­ge, über die wir spre­chen, deut­lich dar­zu­bie­ten und so, dass man sie zu sehen scheint. Denn die Rede bewirkt noch nicht genug, wenn sie bis zu den Ohren reicht.«[17]

Gehen wir nun vom Erfah­rungs­wis­sen des römi­schen Leh­rers Quin­ti­li­an aus, dass die Per­sua­si­on mit men­ta­len Bil­dern beson­de­ren Erfolg ver­spricht, kön­nen wir die Ver­bin­dung von den inne­ren Bil­dern des Red­ners zu denen der Hörer rhe­to­rik­prak­tisch sichern. Wenn die Phan­ta­sie des Red­ners es ver­mag, die inne­ren Bild­wel­ten des Hörers zu akti­vie­ren, gelan­gen wir zu einem rhe­to­ri­schen Modell, das letzt­lich auf einen Bil­der­fluss zwi­schen Red­ner und Rezi­pi­en­ten hinausläuft.


Ausgabe Nr. 4, Frühjahr 2014

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