4 Die Pisteis

Nun von den Bil­dern, die die Rede akti­viert, zurück zur Rhe­to­ri­zi­tät des Bil­des. Nach­dem das Bild, sei­ne Öffent­lich­keit vor­aus­ge­setzt, Medi­um einer Per­sua­si­ons­stra­te­gie ist, wol­len wir abschlie­ßend an einem Fall­bei­spiel prü­fen, wie sich die rhe­to­ri­schen Über­zeu­gungs­mit­tel auf der Bild­ta­fel nie­der­schla­gen. Ich gehe von den drei Mit­teln aus, die der Red­ner nach Aris­to­te­les zum Über­zeu­gen ein­setzt, den drei Pist­eis Ethos, Pathos und Logos: sei­ne inne­re Hal­tung, die Emo­tio­nen des Publi­kums, aber auch die eige­nen, und schließ­lich die Mit­tel »Sacher­schlie­ßung« und »Argu­men­ta­ti­on«. Sind nun Ethos, Pathos und Logos in einem anti­ken Bild wie der Adap­ti­on eines berühm­ten, klas­si­schen Timan­thes-Gemäl­des[18] wirk­sam (Abb. 1)]?

Abbil­dung 1

Abbil­dung 1

1. Der Logos: Ele­ment des Sach­ge­halts und des Argu­men­ta­ti­ven ist auf der Makro­ebe­ne die Dis­po­si­tio, näm­lich die Anla­ge der Bild­ele­men­te auf der Flä­che wie die Figu­ren, der Altar, die Orts­an­ga­ben. Hier­aus lesen wir die Hand­lung ab, ver­bin­den sie mit unse­rem mytho­lo­gi­schen Vor­wis­sen und schlie­ßen, dass die »Opfe­rung der Iphi­ge­nie« dar­ge­stellt ist. Als Ele­men­te der Erzäh­lung, der Nar­ra­tio, sind die Figu­ren­ty­pen, ter­mi­no­lo­gisch die schê­ma­ta, von größ­ter Bedeu­tung. Der Figu­ren­ty­pus ist schon nach anti­ker Vor­stel­lung im Bild als Zei­chen auf­zu­fas­sen.[19] For­mal ver­dich­tet er einen Hand­lungs­ab­lauf zu einer cha­rak­te­ris­ti­schen, leicht wahr­nehm­ba­ren Form und gibt so eine poten­ti­el­le Hand­lung an, die wir mit unse­rem typo­lo­gi­schen Vor­wis­sen deko­die­ren. Der Maler wählt die Figu­ren­ty­pen bereits im Sta­di­um der Inven­tio aus, was mit der Wahl der rhe­to­ri­schen Topoi ver­geich­bar ist. Auf der Mikroebe­ne trägt das Prin­zip der sym­me­tria, der Figu­ren­pro­por­tio­nen, zur per­spi­cui­tas der Bild­ge­gen­stän­de und zu ihrer inhalt­li­chen Gewich­tung bei.

2. Beim Ethos stellt sich die Fra­ge, ob man bei der Gegen­über­stel­lung von Rede und Bild das Ethos des Künst­lers oder das der Dar­ge­stell­ten betrach­ten soll: Aus unse­rer Xeno­phon-Pas­sa­ge wis­sen wir, dass man über das Ethos der Dar­ge­stell­ten nach­dach­te – ihre inne­re Hal­tung offen­bart sich in den Figu­ren­hal­tun­gen, schê­ma­ta; Aris­to­te­les bestä­tigt die­se Sicht.[20] Das schê­ma kann aber auch zum Indi­ka­tor für

3. das Pathos der Dar­ge­stell­ten wer­den, etwa die Furcht der in der Bewe­gung erstarr­ten Iphi­ge­nie. Dif­fe­ren­zier­ter bringt der Künst­ler die Affek­te im Gesicht zum Aus­druck. Da das Pathos des Vaters Aga­mem­non aber jen­seits des Dar­stell­ba­ren gele­gen habe, sei dem Maler, so Cice­ro und Quin­ti­li­an, nur die Lösung geblie­ben, das Gesicht zu ver­hül­len.[21]

Was das Pathos des Rezi­pi­en­ten betrifft, so sind die Far­ben und Schat­tie­run­gen die ent­schei­den­den Mit­tel, um den Betrach­ter – je nach Funk­ti­on des Bil­des – ästhe­tisch zu erfreu­en oder aber emo­tio­nal zu ban­nen.[22]


Ausgabe Nr. 4, Frühjahr 2014

Datenschutz-Übersicht
Sprache für die Form * Forum für Design und Rhetorik

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.

Unbedingt notwendige Cookies

Unbedingt notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir deine Einstellungen für die Cookie-Einstellungen speichern können.