Des Weiteren könnte unter anderem die Vermittlung von historischen Inhalten einen wesentlichen Schwerpunkt von VR darstellen. Der Gedanke, in einem Museum mithilfe einer VR-Brille in archäologisch und geschichtswissenschaftlich hochwertig rekonstruierte Umgebungen einzutauchen ist nicht neu, aber bekommt mit der momentanen technischen Entwicklung durchaus eine neue Relevanz und wird bereits erprobt. Man denke in diesem Sinne auch an die beeindruckenden Leinwand-Panoramen des Künstlers Yadegar Asisi[2], der diese althergebrachte Art der Ausstellung sehr erfolgreich auf unsere Zeit überträgt. Für eine technologische Weiterentwicklung des Mediums »Panorama« bieten sich VR-Brillen geradezu an.
Die direkte, in Echtzeit gerenderte und räumliche Vermittlung von Inhalten ist dabei natürlich die wesentliche Stärke von VR. So wird die entsprechende Hardware in Verbindung mit Präzisionsstereoskopen unter anderem auch in der Medizintechnik eingesetzt, um dem Operateur die räumliche Orientierung und Vorstellung zu erleichtern. Natürlich sind dieselben Überlegungen nicht nur im Bildungssektor oder in der Medizintechnik, sondern auf eine Vielzahl von Anwendungsbereichen übertrag- und denkbar, nicht zuletzt in der Architektur, zum Beispiel zur Visualisierung von geplanten Projekten und zur virtuellen Führung durch eben derlei Projekte. Unter den richtigen Umständen könnte VR für eine ganz neue Art der medialen Erfahrung sorgen; so wäre es zum Beispiel ohne Weiteres vorstellbar, eine neue Art des Films zu etablieren, in dem der Zuschauer zwar weiterhin einen passiven Standpunkt als Betrachter einnimmt, diese Betrachtung jedoch nicht klassisch auf eine Leinwand stattfindet, sondern im Film selbst. Die dadurch erreichte Immersion, mit dem Gefühl sich im Set selbst zu befinden, könnte im heutigen Kinogewerbe die klassische 3D-Brille ablösen oder zumindest ergänzen. Erste Kurzfilme eines solchen Formats sind bereits entstanden oder befinden sich momentan in Entwicklung.
Nun sind viele dieser Ideen nicht neu, sondern werden im Gegenteil auch wie zum Teil beschrieben schon seit geraumer Zeit praktiziert, nur eben bis jetzt so gut wie immer ohne die Einbindung einer »echten« dritten Dimension. Und auch hier muss differenziert werden. Denn die Implementierung in drei Dimensionen, also die Wahrnehmung von Tiefe, ist zwar ein Bestandteil von Virtual Reality, jedoch keinesfalls mit dieser gleichzustellen. Denn während wir bereits seit mehreren Jahren »passiv« in die dreidimensionale Welt eintauchen – sei es seit ein paar Jahren im Kino oder seit ein paar Jahrzehnten mithilfe von Anaglyphenbrillen – so ist der wohl größte Unterschied, dass wir nicht auf eine statische, dreidimensionale Szene treffen, sondern uns in dieser aktiv bewegen und interagieren können. Dies ist ein bisher unerreichtes Novum, das wesentlich zur Immersion des Benutzers beiträgt und die neue VR-Technologie von bisherigen 3D-Medien abhebt.
Dieses Novum hat natürlich auch seine Schattenseiten und Schwierigkeiten. Die durch die technologische Einbindung einer dritten Dimension erreichte Nutzerimmersion variiert stark, je nachdem, welche Hard- und Software zum Einsatz kommt. Größte Schwachstelle ist nach wie vor die Interaktion mit dem Anwender. Während das passive Betrachten und Verweilen in einer VR-Szene dem Nutzer ohne Probleme das Gefühl suggeriert, sich an einem gänzlich anderen Ort zu befinden, führt die Bedienung von Controllern oder gar Maus und Tastatur dazu, dass die Immersion innerhalb kürzester Zeit verfliegt oder zumindest einer entsprechenden Form der Irritation weicht. Das digitale Erfassen der Hände und deren Digitalisierung in den Raum ist der nächste logische Schritt der Interaktion in VR und wird auch erprobt, beseitigt aber im Endeffekt nur einen Bruchteil der Hürden auf dem Weg zur totalen immersiven Interaktion, da zum Beispiel das Thema der Bewegung im Raum damit nicht gelöst wird. Zwar erlaubten manche Geräte, wie zum Beispiel die HTC Vive, das freie Bewegen im Raum, jedoch lediglich auf einer sehr begrenzten Fläche. An das »verträumte Spazierengehen« durch virtuelle Landschaften ist beim momentanen Stand der Technik also keinesfalls zu denken. Zusätzlich hindert die stetige Kabelverbindung zum notwendigen PC das Gefühl der freien Bewegung; wahlweise lassen sich, auf Kosten der Bequemlichkeit, Batterien am Körper befestigen.