1.4 Glaubwürdigkeit und Visualität
Privatdozentin Dr. phil. habil. Francesca Vidal, Universität Koblenz-Landau
Dipl.-Des. Simon Küffer, Hochschule der Künste Bern
Dass Bildern ganz allgemein eine immer größere Bedeutung gerade auch bei der Herstellung von Glaubwürdigkeit zugemessen werde, verdeutlichte Privatdozentin Dr. Francesca Vidal mit Hilfe aktueller Beispiele wie der Aufnahmen von Folterungen durch die US-Armee in Guantanamo. Erst die Fotos, so Vidal, nicht aber die zuvor schon bekannte Information habe zur weltweiten Empörung geführt. Bilder schafften so ganz offenbar ihre eigene Realität und ihre eigene Glaubwürdigkeit. Umso komplexer werde diese Überlegung dadurch, dass der Mensch durch die elektronischen Medien zunehmend auch Texte visuell wahrnehme. Diese These begründet Vidal mit Blick auf die Gestaltung von Interfaces. Die graphische Anordnung des Interfaces führe dazu, dass es zunächst als Ganzes visuell wahrgenommen werde. Auf Internetseiten in Texte integrierte Bilder übernähmen zudem zunehmend Funktionen, die zuvor der Sprache zugewiesen waren und prägten dadurch die kommunikative Absicht. Gerade bezogen auf die bereits von Aristoteles behandelte Frage der Glaubwürdigkeit berge das Risiken: »Zum Problem für das Glaubhaftbefinden visueller Zeichen wird die Fülle der visuellen Angebote, da sie nicht Erfahrungsmöglichkeiten erhöhen, sondern zu Irritationen führen.« Es gelte also, eine rhetorische Kompetenz zu entwickeln und zu vermitteln, die sich nicht entweder auf Bild oder auf Text beziehe, sondern auf die Verflechtung von Text, Bild und Ton.
Im anschließenden Beitrag von Simon Küffer und der sich daraus ergebenden Debatte wurden zunehmend auch ethische Fragen im Zusammenhang mit der Herstellung von Glaubwürdigkeit und der Verantwortung des Gestalters gestellt. Gleichzeitig wurde deutlich, wie wichtig ein rhetorisches Grundverständnis gerade auch im politischen Diskurs ist. Erst dadurch, dass im 18. Jahrhundert im Zuge der Ästhetisierung des Kunstverständnisses in Deutschland die Rhetorik zunehmend vom Bildungskanon gestrichen worden sei, sei es möglich geworden, dass sie von den Nationalsozialisten in einer zuvor nie dagewesenen Art und Weise missbraucht werden konnte.
2 Anwendungsfelder
2.1 Bildpragmatiken am Beispiel von Rubens
Prof. Dr. phil. Ulrich Heinen, Bergische Universität Wuppertal
Wie man mit Bildern Politik machen kann und wie Bildrhetorik im Barock funktioniert hat, das verdeutlichte Prof. Dr. Ulrich Heinen am Beispiel eines Gemäldes von Peter Paul Rubens »Minerva beschützt Pax vor Mars«. Rubens hat das Bild bei einem diplomatischen Aufenthalt im Auftrag des spanischen Königs 1630 in London gemalt. Es stellt eine Friedensallegorie dar, in der die Früchte des Friedens im Vordergrund stehen, während im Hintergrund die Göttin der Weisheit den Kriegsgott Mars vertreibt. Selten in der Kunstgeschichte wird es Beispiele geben, in denen die Wirkungsabsicht eines Bildes so klar hervortritt – und in der die gewünschte Wirkung auch eintrat. Rubens selbst hat als Diplomat daran mitgewirkt, dass es zum Friedensschluss zwischen England und Spanien kam. Heinen erläuterte an einzelnen Bilddetails, wie es Rubens gelang, Lebendigkeit der Bildelemente herzustellen, um sowohl Emotion als auch Kognition des Betrachters anzusprechen – auf der Basis eines gemeinsamen Bildungshintergrunds von Produzent und Rezipient, der die einzelnen Elemente der Bildrhetorik entschlüsseln können muss.