Im Gegen­satz dazu hat eine ande­re Tech­nik wei­te Ver­brei­tung gefun­den und weist die eben­falls in der Rhe­to­rik beschrie­be­nen Struk­tu­ren auf. Es ist die Tech­nik des Weg­las­sens, des Nicht-Zei­gens der emo­tio­nal gela­dens­ten Kom­po­nen­te im Bild, wodurch eine empa­thi­sche Wir­kung erzeugt wird. Die­ser Effekt lässt sich am Bei­spiel der Dar­stel­lung von Maria auf Tizi­ans »Grab­le­gung Chris­ti« ver­deut­li­chen. Die trau­ern­de Maria wird, fast gänz­lich von einem Tuch ver­hüllt, am lin­ken Bild­rand dar­ge­stellt, wäh­rend auch das Gesicht des toten Jesus Chris­tus durch einen Schat­ten ver­bor­gen wird. Die­se Leer­stel­len, die zur Meta­pher für den unaus­sprech­li­chen Ver­lust eines Kin­des wer­den, sol­len durch die eige­nen flüch­ti­gen, aber mit star­ken Emo­tio­nen gefärb­ten inne­ren Bil­der der Betrach­ter, gefüllt werden.

Tizian, »Grablegung Christi«, 1525

Tizi­an, »Grab­le­gung Chris­ti«, 1525

Die Dar­stel­lungs­tech­nik des Ver­hül­lens, Weg­las­sens und Unschär­fens ist auch in der gegen­wär­ti­gen visu­el­len Kom­mu­ni­ka­ti­on ein belieb­tes Stil­mit­tel, um Pathos zu erzeu­gen. Die­ses Stil­mit­tel ist jedoch bei Wei­tem nicht die ein­zi­ge Tech­nik, um den Betrach­ter mit Hil­fe eines Vor­stel­lungs­bil­des emo­tio­nal zu invol­vie­ren. Auch bei­spiels­wei­se Ver­glei­che, Meta­phern, Iro­nie, Stil­brü­che und wider­sprüch­li­che Bild-Text Kom­bi­na­tio­nen kön­nen eine ver­gleich­ba­re Wir­kung erzeu­gen. Den gemein­sa­men Nen­ner zwi­schen die­sen Stil­mit­teln bil­det der Begriff »Kohä­renz«[13]. Der lin­ke Gyrus fron­ta­lis media­lis ist in Bezug auf die Bil­dung von Zusam­men­hän­gen unter­sucht wor­den.[14] Unter­su­chun­gen bezüg­lich der Ver­wen­dung von meta­pho­ri­scher Spra­che haben dar­über hin­aus gezeigt, dass die­se, im Kon­trast zur kon­kre­ten Aus­drucks­wei­se, eine signi­fi­kant emo­tio­na­li­sie­ren­de­re Ver­ar­bei­tung nach sich zieht.[15] Zu ver­mu­ten ist, dass eine Trans­fer­leis­tung, die Bil­dung von Kohä­renz, not­wen­dig ist, um inne­re Vor­stel­lungs­bil­der her­vor­zu­ru­fen, die mit inten­si­ven Emo­tio­nen ver­bun­den sind.

Wie das Ent­ste­hen eines inne­ren Vor­stel­lungs­bil­des dem Pro­zess des Argu­men­tie­rens und Über­zeu­gens dient, lässt sich am Bei­spiel einer Kam­pa­gne des nor­we­gi­schen Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums, die Auto­fah­rer zum Anschnal­len mahnt, ver­deut­li­chen. Dar­auf wird eine Per­son in Weiß von einer Ande­ren mit einem in Schwarz geklei­de­ten Arm umarmt, so dass der Ein­druck ent­steht, es sei ein Anschnall­gurt. Die bei­den Per­so­nen, z. B. Vater (der Umarm­te) und Sohn (der Umar­men­de) sehen auf der foto­gra­fi­schen Dar­stel­lung aus, als sei­en sie ein­an­der auf rüh­ren­de und glaub­wür­di­ge Wei­se zuge­tan. Die Foto­gra­fie ist mit einem Text, der ver­bal for­mu­lier­ten Auf­for­de­rung »belt up« (schnall dich an) versehen.


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