Es blieb der Sprach­theo­rie also nur übrig, die Bedeu­tung eines Sat­zes, also das, was der Spre­cher meint, aus der Ana­ly­se der Wir­kung des gespro­che­nen Sat­zes her­aus­zu­be­kom­men. Der ent­schei­den­de Schritt war, das Äußern eines Sat­zes in einer kon­kre­ten Situa­ti­on als eine Hand­lung auf­zu­fas­sen. Das­sel­be gilt dann auch für das Hin­schrei­ben eines Sat­zes, der eben dann spä­ter gele­sen oder ver­stan­den wird. Damit begann die Ent­wick­lung einer Theo­rie, die glei­cher­wei­se Hand­lungs­theo­rie und Sprach­theo­rie ver­ein­te. Der pro­gram­ma­ti­sche Titel von John L. Aus­tin »How to do things with words« war der Start­schuss für die soge­nann­te Sprech­akt­theo­rie, wie sie dann haupt­säch­lich von Richard Sear­le in den 70er Jah­ren wei­ter­ent­wi­ckelt wur­de.[5]

Der Mün­che­ner Wis­sen­schafts­theo­re­ti­ker Wolf­gang Steg­mül­ler bewer­te­te die­se Ent­wick­lung so:
»Eigent­lich ist es ein Skan­dal. Und zwar ein beschä­men­der Skan­dal für alle die­je­ni­gen, wel­che sich in den letz­ten 2500 Jah­ren in irgend­ei­ner Wei­se mit Spra­chen beschäf­tig­ten, daß sie nicht schon längst vor J. L. Aus­tin des­sen Ent­de­ckung mach­ten, deren Essenz man in einem knap­pen Satz aus­drü­cken kann: Mit Hil­fe von sprach­li­chen Äuße­run­gen kön­nen wir die ver­schie­dens­ten Arten von Hand­lun­gen voll­zie­hen[6]

Nun wur­de bis jetzt viel von Spra­che gespro­chen und von Sprach­theo­rien, nicht jedoch von Rhe­to­rik oder gar Ästhe­tik, auch nicht von Spra­chen wie Fran­zö­sisch, Ara­bisch oder Ale­man­nisch. Aber eines ist schon ange­deu­tet: Der prag­ma­tic turn in der Sprach­wis­sen­schaft und vor allem in der Sprach­phi­lo­so­phie, den ich als jun­ger Dok­to­rand in den 70er Jah­ren mit erle­ben konn­te, hat die Auf­merk­sam­keit auf die Macht des Wor­tes gelenkt. Wir bewir­ken etwas mit Wor­ten, wir geben zu Ver­än­de­run­gen Anlass, wenn wir Äuße­run­gen tun, wir lösen etwas aus.

Bevor ich auf die Sprech­ak­te kom­me, sei eine kur­ze Zwi­schen­fra­ge gestattet:

3 Was hat Spra­che mit Tech­nik zu tun?

Die Fra­ge nun, was Spra­che und ihre inne­re Struk­tur mit Tech­nik zu tun hat, wird zunächst ver­blüf­fen, wis­sen wir doch, dass es eine gewis­se Sprach­lo­sig­keit der Inge­nieu­re gibt, wie schon Jür­gen Mit­tel­straß und der Inge­nieur Heinz Dud­deck in einem gemein­sam her­aus­ge­ge­be­nen Buch berich­ten.[7] Dabei wird deut­lich, dass die­se Sprach­lo­sig­keit sich eben nicht nur auf einen Man­gel an Prä­zi­si­on bezieht, der der Umgangs­spra­che gegen­über der tech­ni­schen Zeich­nung oder Berech­nung anhaf­tet, son­dern auch auf die Sprach­lo­sig­keit, die sich in der Aus­ein­an­der­set­zung um tech­ni­sche Pro­jek­te zeigt. Es ist dies eine gewis­se Unfä­hig­keit zur Kom­mu­ni­ka­ti­on, die sich oft genug zeigt, sei es zwi­schen Exper­ten und Lai­en, sei es zwi­schen Befür­wor­tern und Geg­nern eines Pro­jekts. Seman­tisch gese­hen, d. h. von der Bedeu­tung ihres Voka­bu­lars her, leben bei­de Sei­ten in ver­schie­de­nen Wel­ten, und ihre Inter­es­sen sind eben­falls unter­schied­lich. Das klas­si­sche Lehr­bei­spiel ist »Stutt­gart 21« – es hat heu­te schon Lehr­buch­cha­rak­ter, es macht deut­lich, wie sehr man anein­an­der vor­bei­re­den kann.

Aber blei­ben wir bei der Spra­che und der Fähig­keit, etwas zur Spra­che zu brin­gen. Wir wis­sen, dass der süd­deut­sche Spruch »Schaf­fe, nit schwät­ze« sich vor allem bei Tech­nik­ge­stal­ten­den, Machern und Inge­nieu­ren gro­ßer Beliebt­heit erfreut, und wir wis­sen auch, dass vie­les tech­ni­sche Wis­sen impli­zi­tes Wis­sen ist, also schlecht ver­sprach­licht wer­den kann.

Kommt ein Kun­de in die Auto­werk­statt, erklärt, was nicht funk­tio­niert. Der Meis­ter holt dar­auf einen Ham­mer, klopft an die ent­schei­den­de Stel­le und sagt: »20 €«. »Wie­so denn das?« »Ganz ein­fach: 1 € fürs Drauf­hau­en, 19 € für gewusst wohin!«

Kön­nen und Know­how ist manch­mal sprach­los – man muss nur ein­mal ver­su­chen zu erklä­ren, wie man Fahr­rad fährt, ohne dabei selbst umzu­fal­len. Bis man einem Kla­vier­schü­ler erklärt, wie man Jazz auf dem Kla­vier impro­vi­siert, hat er es längst selbst aus­pro­biert, kann es mitt­ler­wei­le bes­ser und kann es dann auch nicht erklären.